Von Glauben, Religion und Kindernbuchautoren
Kinder- und Jugendbuchautoren gehören zu den einflußreichsten Schriftstellern überhaupt. Denn ihre Werke hinterlassen Spuren im Denken der Kinder, die ein Leben lang nachwirken. (Ich habe z. B. eine überraschend starke "Astrid Lindgren"-Prägung.)
Was natürlich besorgte Eltern, Pädagogen und vor allem und immer wieder Geistliche auf den Plan ruft. Man denke nur an die christlich-fundamentalistische Hysterie über die Harry Potter Bücher Joanne K. Rowlings, mit dem unsinnigen Vorwurf, Okkultismus, Hexerei und Satanismus zu verharmlosen und verbreiten.
Nicht ganz so an den Haaren herbeigezogen ist der Verdacht, in Michael Endes Kinderbücher wäre okkultistisches Gedankengut zu finden. Ende war nämlich nicht nur, was allgemein bekannt ist, Anthroposoph, sondern beschäftigte sich auch intensiv mit thelemitischer Philosophie. Die Parallelen zwischen Endes vielleicht bekanntesten Buch, "Die unendliche Geschichte" und den Werken des berüchtigeten "Schwarzmagiers" Aleister Crowley sind keine Zufälle. "Tut was du willst ... "
Ich sehe Ende als Vertreters eines ins menschenfreundliche, humanistische, selbst-erzieherische gewandelten Thelemitismus, reifer und in jeder Hinsicht klüger als Crowley, aber von seinem ungewöhnlichen Denken profitierend. Ende hatte als Autor ungleich viel mehr zu sagen als Joanne K. Rowling, wobei auch sie weitaus mehr zu sagen hat als die meisten "Erwachsenen-Autoren". Man sollte sie auch als Erwachsener lesen. Am besten mit den Augen des inneren Kindes.
Aber mit Menschen, die sogar "Bibby Blocksberg" auf den nächsten Scheiterhaufen schnallen würden, läßt sich darüber schlecht diskutieren. Die Angst um die Seelen ihre Kinder lähmt sie. Oder vielleicht eher Angst davor, dass ihre Kinder anfangen, sich Gedanken zu machen und Fragen zu stellen, die sie nicht beantworten können oder wollen. Gute Kinderbücher stellen die Autorität der Erwachsenen in Frage - die kindliche Anarchistin Pippi Langstrumpf war im Schweden der 1950er und 1960er Jahre deshalb äußerst umstritten. Das änderte sich erst, als die erste mit Astrid Lindgren aufgewachsene Generation ans Ruder kam.
Auch Max Kruse ("Urmel aus dem Eis") ist bei besorgten Eltern aus religiös geprägtem Milieu nicht sonderlich geschätzt. Wohl wegen Zitaten wie diesem werfen sie ihm millitanten Atheismus und Verächtlichmachung der Religion vor:
Harter Tobak. Aber eher man sich als Christ (oder Moslem, und was auch immer) aufregt: das Wort Glaube hat mehrere Bedeutungen. Religiöser Glaube kann bedeuten: von Beweisen unabhängige Gewissheit und oft genug ist er in allen möglichen Religionen darauf reduziert. Und Kruse hat, wie ich denke, recht. Die keinen Zweifel zulassende "Glaubensgewissheit" ist mörderisch.
Glaube heißt aber auch Vertrauen. Credo. Die Hauptbedeutung, wenn in der Bibel von "Glauben" die Rede ist. Vertrauen ist es zum Beispiel, wenn gesprochenes Wort verpflichtet – auch ohne Kontrolle, und niemand kann sagen: "es steht geschrieben". (In diesem Sinne kann ich, als Heide, sogar sagen, dass ich an den Jesus der synoptischen Evangelien glaube. Einem Menschen wie ihm kann man vertrauen. Ob ich auch alles glaube (im Sinne von: für wahr halte) was die Evangelisten so schrieben, steht auf einem anderen Blatt.)
Dass diese Hauptbedeutung in der religiösen Praxis die Nebenbedeutung ist, dafür kann Kruse nichts. Er spricht nur eine unbequeme Wahrheit aus. Wie es auch Kinder manchmal tuen.
Kruse ist übrigens nach eigenen Einschätzung "ein in der Wolle gefärbter Agnostiker". Was etwas anderes ist als "Atheist":
Und was ist mit jenen Kinderbüchern, die sich nicht so zurückhalten, die darauf angelegt sind, Kinder zu indoktrinieren oder "zu etwas zu erziehen"?
Auch da hoffe ich auf die jungen Leser. Wie Michael Ende es ganz richtig in der "Unendlichen Geschichte" beschreibt:
Was natürlich besorgte Eltern, Pädagogen und vor allem und immer wieder Geistliche auf den Plan ruft. Man denke nur an die christlich-fundamentalistische Hysterie über die Harry Potter Bücher Joanne K. Rowlings, mit dem unsinnigen Vorwurf, Okkultismus, Hexerei und Satanismus zu verharmlosen und verbreiten.
Nicht ganz so an den Haaren herbeigezogen ist der Verdacht, in Michael Endes Kinderbücher wäre okkultistisches Gedankengut zu finden. Ende war nämlich nicht nur, was allgemein bekannt ist, Anthroposoph, sondern beschäftigte sich auch intensiv mit thelemitischer Philosophie. Die Parallelen zwischen Endes vielleicht bekanntesten Buch, "Die unendliche Geschichte" und den Werken des berüchtigeten "Schwarzmagiers" Aleister Crowley sind keine Zufälle. "Tut was du willst ... "
Ich sehe Ende als Vertreters eines ins menschenfreundliche, humanistische, selbst-erzieherische gewandelten Thelemitismus, reifer und in jeder Hinsicht klüger als Crowley, aber von seinem ungewöhnlichen Denken profitierend. Ende hatte als Autor ungleich viel mehr zu sagen als Joanne K. Rowling, wobei auch sie weitaus mehr zu sagen hat als die meisten "Erwachsenen-Autoren". Man sollte sie auch als Erwachsener lesen. Am besten mit den Augen des inneren Kindes.
Aber mit Menschen, die sogar "Bibby Blocksberg" auf den nächsten Scheiterhaufen schnallen würden, läßt sich darüber schlecht diskutieren. Die Angst um die Seelen ihre Kinder lähmt sie. Oder vielleicht eher Angst davor, dass ihre Kinder anfangen, sich Gedanken zu machen und Fragen zu stellen, die sie nicht beantworten können oder wollen. Gute Kinderbücher stellen die Autorität der Erwachsenen in Frage - die kindliche Anarchistin Pippi Langstrumpf war im Schweden der 1950er und 1960er Jahre deshalb äußerst umstritten. Das änderte sich erst, als die erste mit Astrid Lindgren aufgewachsene Generation ans Ruder kam.
Auch Max Kruse ("Urmel aus dem Eis") ist bei besorgten Eltern aus religiös geprägtem Milieu nicht sonderlich geschätzt. Wohl wegen Zitaten wie diesem werfen sie ihm millitanten Atheismus und Verächtlichmachung der Religion vor:
Ist der Glaube, die von Beweisen unabhängige Gewissheit, nicht vielleicht die gefährlichste aller menschlichen Fähigkeiten (...)? Denn der Glaube mordet nicht nur, er liefert auch noch die Rechtfertigungen für das Morden und verleiht ihm eine höhere Weihe. Und wenn der Glaube die gefährlichste Eigenschaft ist, so ist der Zweifel die segensreichste, denn der Zweifel tötet nie, er unterdrückt nie, er zündet keine Scheiterhaufen an, er lässt leben, lässt gewähren und duldet.(Zitat aus Max Kruse: Die behütete Zeit, Stuttgart, 1993)
Harter Tobak. Aber eher man sich als Christ (oder Moslem, und was auch immer) aufregt: das Wort Glaube hat mehrere Bedeutungen. Religiöser Glaube kann bedeuten: von Beweisen unabhängige Gewissheit und oft genug ist er in allen möglichen Religionen darauf reduziert. Und Kruse hat, wie ich denke, recht. Die keinen Zweifel zulassende "Glaubensgewissheit" ist mörderisch.
Glaube heißt aber auch Vertrauen. Credo. Die Hauptbedeutung, wenn in der Bibel von "Glauben" die Rede ist. Vertrauen ist es zum Beispiel, wenn gesprochenes Wort verpflichtet – auch ohne Kontrolle, und niemand kann sagen: "es steht geschrieben". (In diesem Sinne kann ich, als Heide, sogar sagen, dass ich an den Jesus der synoptischen Evangelien glaube. Einem Menschen wie ihm kann man vertrauen. Ob ich auch alles glaube (im Sinne von: für wahr halte) was die Evangelisten so schrieben, steht auf einem anderen Blatt.)
Dass diese Hauptbedeutung in der religiösen Praxis die Nebenbedeutung ist, dafür kann Kruse nichts. Er spricht nur eine unbequeme Wahrheit aus. Wie es auch Kinder manchmal tuen.
Kruse ist übrigens nach eigenen Einschätzung "ein in der Wolle gefärbter Agnostiker". Was etwas anderes ist als "Atheist":
Ich glaube nicht an den christlichen Gott, der diese Welt erschaffen hat und sich um jeden von uns liebevoll kümmert. Aber das letzte Geheimnis des Universums werden wir Menschen wohl auch niemals lösen.Kruse ist religionskritisch. Allerdings ohne atheistischen Fundamentalismus. Weshalb er auch ganz bewußt religiöse Fragen, die ihn sehr besschäftigen, aus seinen Kinderbüchern heraushält.
Und was ist mit jenen Kinderbüchern, die sich nicht so zurückhalten, die darauf angelegt sind, Kinder zu indoktrinieren oder "zu etwas zu erziehen"?
Auch da hoffe ich auf die jungen Leser. Wie Michael Ende es ganz richtig in der "Unendlichen Geschichte" beschreibt:
Er mochte keine Bücher, in denen ihm auf eine schlechtgelaute und miesepetrige Art die ganz alltäglichen Begebenheiten aus dem ganz alltäglichen Leben irgendwelcher ganz alltäglicher Leute erzählt werden. Davon hatte er ja schon in Wirklichkeit genug, wozu sollte er auch noch davon lesen? Außerdem haßte er es, wenn er merkte, daß man ihn zu was kriegen wollte. Und in dieser Art von Büchern sollte man immer, mehr oder weniger deutlich, zu was gekriegt werden.Das beantwortet auch die Frage, wieso Harry Potters "Okultismus" bei jungen Lesern so viel beliebter ist, als die frommen und "lebensnahen" Bücher, die religiös besorgte Geistliche als "christliche Alternative" anbieten.
MMarheinecke - Dienstag, 21. November 2006