Kreationisten auch in Russland auf dem Vormarsch

Das Leben auf der Erde, eingeschlossen der Mensch, ist das Ergebnis eines intelligenten Schöpfungsakts - das jedenfalls behaupten die Anhänger des Kreationismus und im Grunde auch die des sich wissenschaftlich gebenden "Kreationismus light", bekannt als "Intelligent Design". Obwohl von den meisten Kosmologen, Evolutionsbiologen und anderen Wissenschaftlern einhellig als haltlos eingestuft, finden die Ideen des Kreationismus seit einigen Jahren vor allem in den USA enormen Zulauf.

Offenbar hat der Schöpfungsglaube auch Russland erfasst, unterstützt vom fundamentalistischen Flügel der Russisch-Orthodoxen Kirche.

PD Dr. Uwe Hoßfeld, Biologiedidaktiker und Wissenschaftshistoriker von der Universität Jena: "Diese Kräfte wollen sich eine Entwicklung in Russland zu Nutze machen, die man bereits seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion beobachten kann. Nach dem Wegfall des staatlich verordneten Atheismus wandten sich viele Russen verstärkt der Religion zu."
Derzeit sind fast 22 000 religiöse Vereinigungen in Russland aktiv. Eine ganze Reihe davon unterstützen den Kreationismus und stellen die Lehre Darwins eher als Bestandteil der Sowjetideologie denn als fundierte Naturwissenschaft dar.

Mehr hierzu: idw-online:Attacke auf "Darwins kontroverse These"

Übrigens formiert sich eine Gegenbewegung, die "New Atheists". Das einzige, aber entscheidende Problem, das ich mit den zumeist sehr gebildeten und intelligenten "Brights" habe: auf ihre Weise sind sie nicht selten ähnlich "fundamentalistisch" wie ihre zumeist ziemlich dummen religös-fanatischen Gegenspieler.
wired: The Church of the Non-Believers
via dadg
che2001 - 17. Nov, 11:44

Martin, darf ich das zu mir rübernehmen? Das Thema steht bei mir für die Serie "Elemente der Gegenaufklärung" noch auf der Agenda, ich würde aber gerne einfach einen Link auf diesen Beitrag legen. Ist das OK?

MMarheinecke - 17. Nov, 14:21

Geht klar!

Das kannst Du gerne machen.
Wobei ich auch die "New Atheists", die nach eigenem Bekunden Radikalaufklärer sind, unter Umständen auch zur "Gegenaufklärung" zählen - weil sie nämlich hinsichtlich ihres Atheismus keine Zweifel mehr haben, eine "letzte Wahrheit" verkünden und, am Wichtigsten, nicht mehr zur Zusammenarbeit mit Andersdenkenden bereit sind.
che2001 - 17. Nov, 22:44

Danke für diesen Hinweis.

nickpol (Gast) - 18. Nov, 14:10

Kreationismus und ID

Die Russisch - orthodoxe Kirche ist eben auch fundamentalistisch. In der letzten Woche haben die Kreationisten ihr erstes Museum eröffnet, welches die Entstehung der Erde strikt am Buch der Genesis anlegt. Und Kreationismus und ID haben auch in Deutschland ihre Anhänger bis hin in die Spitzen der Politik.
Zu den Brights erlaube ich mir folgendes zu sagen, für einen Bright sind nur zwei Dinge entscheidend, ein naturalistisches Weltbild und eine von jedweder übernatürlichen Sichtweise freie, geprägte Einstellung. Die Brights sind nicht Antireligiös, wer das behauptet hat noch nicht mal die Grundlagen der Brights-Bewegung gelesen. Insofern unterscheiden sich die Brights vom harten Hausdrauf-Atheismus und eben auch vom weichen Atheimus. Die Brights haben eben nicht die alten Argumente der Atheisten zur Kritik an den Religionen, sondern versuchen das auf der Grundlage von wissenschaftlichen Tatsachen. Empfehlung: The Root of all Evil, von Richard Dawkins, The God Delusion, oder Dennett. Um mal zwei Brights zu nennen.
Der Brights Bewegung Fundamentalismus vorzuwerfen ist fundamentaler Bullshit.

MMarheinecke - 18. Nov, 15:53

Ich kenne und schätze die Bücher Richard Dawkins

und halte seinen Atheismus - bei aller Symphatie und allem Respekt - für "fundamentalistisch" (man beachte die Anführung).
Wie auch Dawkins richtigerweise z. B. in "The Blind Watchmaker" darlegt, ist jede wissenschaftliche Erkenntnis notwendigerweise eine vorläufige Erkenntnis. Das heißt: letzte Gewissheiten kann es gar nicht geben. Dawkins steht in "The God Delusion" vor dem erkenntnistheoretische Problem, dass sich metaphysische Behauptungen (beispielsweise die Existenz des Fliegenden Spaghetti-Monsters) nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden widerlegen lassen - ein "negativer Gottesbeweis" ist also unmöglich.
Dawkins geht auf dieses Problem nicht ein, sondern erklärt es einfach für irrelevant:
There's an infinite number of things that we can't disprove. You might say that because science can explain just about everything but not quite, it's wrong to say therefore we don't need God. It is also, I suppose, wrong to say we don't need the Flying Spaghetti Monster, unicorns, Thor, Wotan, Jupiter, or fairies at the bottom of the garden. There's an infinite number of things that some people at one time or another have believed in, and an infinite number of things that nobody has believed in. If there's not the slightest reason to believe in any of those things, why bother? The onus is on somebody who says, I want to believe in God, Flying Spaghetti Monster, fairies, or whatever it is. It is not up to us to disprove it.
In gewissen Hinsicht denkt Dawkins wie ein religöser Fundamentalist: er unterscheidet nicht zwischen mythischen und wissenschaftlichen Aussagen. Ein Fundi-Christ setzt z.B. Aussagen der Bibel und solche der Evolutionstheorie auf die gleiche Ebene - und entscheidet sich dann für die Bibel, weil Gott nicht irren kann, menschliche Wissenschaft schon, und nur eines von beiden kann wahr sein. Dawking - und viele, nicht alle, "Brights" - betrachten die mythologischen Aussagen der Bibel als Fiktionen, Wunschdenken oder Erklärungsmodelle der Welt von Bronzezeitlern, die es eben noch nicht besser wissen konnten - als Irrtümer bzw. überholte Theorien. Auch für ihn kann nur eines von beiden wahr sein: die Bibel - oder das wissenschaftliche Weltmodell.
(Damit will ich den naiven Glauben des Fundi-Christen nicht mit den ziemlich anspruchsvolllen Überlegungen Dawking gleichsetzen. Es ist ja auch nicht so, dass "Brights" "wissenschaftsgläubig" im Sinne des Glaubens an eine quasi-religiöse Doktrin wären.)
Aus meine Sicht enthält die Bibel, wie alle Mythen, metaphysische und allegorische Aussagen, die belangvoll und sehr wohl "wahr" sind, auch wenn sie der empirisch Überprüfung entzogen sind.

Die meisten Bekämpfer des religiösen Fundamentalismus versichern (wie ich) dass es den religiösen Glauben nicht unterminiert, wenn an Schulen Darwins Theorien gelehrt werden. Dawking hingegen stimmt hingegen mit den ganz sturen Fundamentalisten dahingehend überein, dass die Erkenntnis der Evolution zum Atheismus führen muss. Seiner Ansicht nach findet der "große Krieg" nicht zwischen Evolution und Kreationismus statt, sondern zwischen Naturalismus und
Supernaturalismus - dem Glauben daran, es gäbe etwas "übernatürliches". Die "vernünftigen" religigösen Menschen stünden in Wirklichkeit auf der Seite der Fundamentalisten, da sie an das Übernatürliche glauben würden. Aus Dawkins Sicht stehe ich auch auf der "falschen" Seite, weil ich (aus seiner Sicht) an "Übernatürliches" glaube.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, das Dawking mit dem "Mem" eine elegante metaphysische (da nicht experimentell oder empirisch widerlegbare) Theorie aufgestellt hat, aus der seine "fundamentalistische" Ablehnung aller Religion resultiert.

Der Brights Bewegung Fundamentalismus vorzuwerfen ist kein fundamentaler Bullshit, sondern ein - polemisch überspitzter - Hinweis darauf, welche Probleme daraus erwachsen, Atheismus als unzweifelhafte Wahrheit anzusehen.

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