Auch Eugenik war mal Konsens

Che vergleicht in seinem Blog das Schreckgespenst der "demographischen Zeitbombe" mit dem Schreckgespenst der "eugenischen Zeitbombe" in den 1920er Jahren und deckt dabei die Parallelen auf.
Methusalem - vom Unfug einer Debatte (Unbedingt lesen!)

Che erkennt richtig, das die "Euthanasie" nicht der wirre Wahn der Nazi war, sondern Ergebnis eines damaligen Herrschaftsdiskurses in den Humanwissenschaften und z.T. auch in der Volkswirtschaft und der politischen Publizistik. Man mag sich an Ches sozialistischer Terminologie stoßen (ich tue es nicht!), aber es besteht kaum ein Zweifel daran, dass es beim eugenischen Gesamtprogramm nicht um das Lösen eines tatsächlichen Problems ging, sondern darum, die Bevölkerung nach den Erfordernissen "kapitalistischer Verwertungsbedürfnisse" zu optimieren. Die Parallelen zu den Programmen gegen die "vergreisende Gesellschaft" liegen auf der Hand.
Wobei solche Bevölkerungsoptimierungs-Utopien beileibe nicht auf "kapitalistische Verwertungsbedürfnisse" beschränkt waren. Auch Kommunisten waren zeitweilig sehr auf dem "Eugenik-Trip", nicht nur unter Stalin, Mao oder Pol Pot.
Man kann verallgemeinert sagen, dass eugenische Gesellschaftsutopien und auf sie gerichtet Programme dort gedeihen, wo der einzelne Mensch in erster Linie als
"Menschenmaterial"
, als "Mittel zum Zweck", als "Rad in der Maschine" gesehen wird. Von daher war es kein Zufall, dass diese Vorstellungen in Nazi-Deutschland, in einem Staat, der zugleich knallhart kollektivistisch ("Du bist nichts, Dein Volk ist alles!") und knallhart kapitalistisch auf maximale Produktivität und Effizienz gerichtet war ("Mein Mitgefühl galt allein der Produktionsziffer", Albert Speer) am grausamsten und konsequentesten realisiert wurden.

Eine weitere Hochburg der eugenische Programme war Nordeuropa, vor allem Schweden, mit und ohne rassistische Vorstellungen von der Überlegenheit der "nordischen Rasse".

In Dänemark war ein Eugenik-Gesetz schon 1929 verabschiedet worden, Schweden folgte 1935. Zuvor hatte eine staatliche Kommission die vermehrten Ausgaben für die Pflege von Schwachen und Hilfsbedürftigen bemängelt und schlußfolgerte: "Daher ist es kein großer Schritt, die Geburt von Individuen, die sich selbst und anderen zur Last fallen werden, zu verhindern."
Die Eugenik-Gesetzgebung in den nordischen Ländern folgte fast immer aus der "linken", vor allem sozialdemokratischen, Tradition der Eugenik, die nicht mit der nationalsozialistischen gleichgesetzt werden darf. Eugenik war Bestandteil eines human gemeinten, in der Folgen aber oft ziemlich inhumanen Programms der präventiven Medizin (zur Hebung der "Volksgesundheit") bis zur auch Zwangs-Eugenik gegen "unverantwortliche Minderwertige". Allerdings läßt sich diese nicht-rassistische Eugenik-Tradion vor allem in Schweden nicht sauber von der (meist uneingestanden) rasstistischen trennen.
Zwangssterilisationen gab es in Schweden bis in die 50er Jahre, noch bis 1970 wurden Sozialarbeiter und Familienfürsorger dazu angehalten, Personen, die sich ihrer Meinung nach nicht fortpflanzen sollten, zu melden
(Hierzu: Heilpädagogik in Schweden - Eugenik und Rassenhygiene
Sozialdemokratisches Reinheitsgebot (aus "jungle world").
Wikipedia-Artikel zur Eugenik)
(Diese skandinavische Eugeniktradition trug offensichtlich viel zur Diskriminierung der "Lebensbornkinder" im Nachkriegs-Norwegen bei. Siehe: Ducktators und Nachtrag zum Thema norwegische Deutschenkinder.)

Oft vergessen wird auch, dass das extrem biologistische Programm der Zwangsterilisierungen und "Gnadentode" nicht nur und nicht einmal in erster Linie von Biologen vertreten wurde. Die Bedeutung der "Erbkrankheiten" wurde völlig überschätzt. Es ist nämlich so, dass selbst bei behinderten Frauen zu 90 % kein Risiko einer Weitergabe der Behinderung besteht. Das war sogar schon um 1930 bekannt; auch aus der von Eugnikern so gern herangezogenen Tierzucht.
Rayson (Gast) - 4. Nov, 20:56

Mir gerät da doch zu vieles durcheinander. Ich stoße mich da weniger an der sozialistischen Terminologie als an der sozialistischen Denke, die über diesen Umweg den Kapitalismus an sich diskreditieren will.

Man braucht nämlich etwas ganz Bestimmtes, und zwar einen Staat, der sich eine ganz bestimmte Entwicklung seiner Einwohner vorgenommen hat, die ideologisch dann so überhöht wird, dass dafür auch der Tod Einzelner in Kauf genommen werden muss. Das, was du "kollektivistisch" nennst, ist die Zutat, die z.B. in den USA immer gefehlt hat.

Konsequenterweise kommen die Anstöße zu Bevölkerungspolitik auch stets von etatistischer Seite, die dazu notwendigerweise eine Gemeinschaft konstruieren muss, der das Altwerden Einzelner zum Problem wird. Sei das Ganze nun vor allem national motiviert ("die Deutschen sterben aus") oder aus Sorge vor dem Zusammenbruch der Sozialversicherungen. Es ist aber extrem infam, eine Politik, die auf mehr Kinder und mehr Einwanderer abzielt, in die Nähe der Vernichtungspolitik der Nazis ziehen zu wollen.

Ich könnte noch eine Logik darin erkennen, wenn einer dem Kapitalismus unterstellte, er würde "unnützes Material" herzlos verarmen oder gar verrecken lassen, aber die angebliche Notwendigkeit zur Beseitigung von Demografieproblemen (oder gar dessen "Beseitigung") kommt immer aus einer ganz anderen Ecke. ""Kapitalistische Verwertungsbedürfnisse" brauchen nun wirklich keinen Staat, der Menschen umbringt.

Speers Tonnenideologie war übrigens ebensowenig "kapitalistisch" und "effizient" wie die Stalins.

MMarheinecke - 4. Nov, 21:59

Kapitalismus schließt Staatskapitalismus ausdrücklich mit ein.

Ich weiß nicht, ob Che das auch so sieht, ich jedenfalls betrachte den "real existierenden Sozialismus" (einschließlich Stalinismus, Maoismus und dieser rot lackierten absolutistischen Erbmonarchie in Nordkorea) als ein kapitalistisches System mit staatlichen Monopolen in allen wichtigen Bereichen. (Nein, ich halte nichts von einem "besseren sozialistischen Staat, der erst noch geschaffen und ausprobiert werden muss. Allenfalls für weitgehend ohne Staat und zentrale Regelung auskommende Modelle, die so in Richtung Anarchismus gehen, kann ich mich unter Umständen noch erwärmen.)

Die "kollektivistische" Zutat fehlte in der eugenischen Gesetzgebung und Propanganda der USA meines Wissens tatsächlich (jedenfalls weitgehend). Aber es gab eine eugenische Gesetzgebung in den USA - was für Ches These spricht.

Auch die skandinavischen Eugenik kam, trotz etaistische Züge, fast ganz ohne die ideologische Überhöhung der "Volkgemeinschaft" (bzw. des "Volksheimes") über das Leben des Einzelnen aus.

Es stimmt, es ist extrem infam, eine Politik, die auf mehr Kinder und mehr Einwanderer abzielt, generell in die Nähe der Vernichtungspolitik der Nazis ziehen zu wollen. Was ich ja auch nicht tue (und Che, wenn ich ihn richtig verstehe, auch nicht tut.)
Aber die Argumente, die in dem "wir brauchen mehr Kinder"-Diskurs gebracht werden, sind tatsächlich nicht allzu weit von denen des Eugenik-Diskurses der 20er Jahre entfernt. Wobei es auffällig viel mehr Politiker, Publizisten, Journalisten usw. gibt, die über Geburtenförderung reden, als solche, die eine erleichterte Einwanderung auch nur erwähnen.
Der Einzelnen allein soll es überlassen sein, ob, wie und mit wem sie wie viele Kinder haben will. Das geht den Staat und auch sonst niemanden etwas an. (Ich benutze absichtlich die weibliche Form, weil diese Selbstbestimmung in erster Linie den Frauen zusteht. Väter und potenzielle Väter düfen da meiner Meinung nach allenfalls mitreden, mitentscheiden steht ihnen nicht zu! Die Babys kriegen nur mal die Frauen.)

Speers Methoden waren leider sehr effizient - die deutsche Rüstungsproduktion erreichte unter seiner Leitung eine weitaus höhere Produktivität als unter seinem tatsächlich einer "Tonnenideologie" anhängenden Vorgänger Todt. Trotz ständiger Bombenangriffe und Rohstoffknappheit erreichte die deutsche Rüstungsproduktion 1943/44 ihren Höchststand.
che2001 - 5. Nov, 00:45

Martin, wir haben da ziemlich viel Konsens. Danke für diese Ergänzung!
Rayson - 5. Nov, 03:05

Martin, wir sind da ziemlich weit auseinander ;-)

Dass der real existierende Sozialismus in Wirklichkeit ein Kapitalismus gewesen sein soll, diese Sicht ist mir zwar bekannt, ich halte sie aber letztlich für das Ergebnis eines bemühten Umkehrschlusses: Kapitalismus ist schlecht -> der real existierende Sozialismus war schlecht -> also muss der real existierende Sozialismus ein Kapitalismus gewesen sein. Damit ist der Kapitalismus-Begriff aber so inflationiert, dass er im Grunde nur noch eine Chiffre für eine dem eigenen Wunschdenken entgegengesetzte Wirklichkeit ist.

Auch die Sichtweise, dass die Frauen allein über Kinder entscheiden sollen, kann ich nicht teilen. Da wäre vielleicht zum einen mein hoffnungslos reaktionäres Familienbild, zum anderen aber auch die Überlegung, dass, solange die Väter mit zum Unterhalt herangezogen werden (und jetzt ja auch sogar zum Erziehungsurlaub gelockt werden sollen) und eine emotionale Bindung nicht regelmäßig zu verhindern ist, die Entscheidungsinstanz damit nicht so recht als komplett bezeichnet werden kann.

Was Speer angeht, glaube ich mich zwar zu erinnern, dass dessen angebliche Erfolge mittlerweile arg in Zweifel gezogen werden, aber das war auch nicht mein Punkt: Ein hoher Ausstoß von irgendwelchen bestimmten Gütern, zudem noch staatlich nachgefragten, ist nicht automatisch effizient, und schon gar nicht im kapitalistischen Sinn (aber gut, wenn Sozialismus in Wirklichkeit Kapitalismus ist, dann könnte das stimmen...). Effizienz ist, wenn die Ressourcen in die dringendsten Verwendungen gelenkt werden. Dass dies den Nazis gelungen sein soll, daran besteht nicht nur gesamtwirtschaftlich, sondern sogar rüstungstechnisch wohl kein geringer Zweifel.

Ich halte es insgesamt wirklich für sehr bedenklich, unter dem Stichwort "Eugenik" für die politische Diskussion Tatbestände zu vermengen, die von der medizinischen Indikation bei Abtreibungen bis zu Auschwitz reichen.
MMarheinecke - 5. Nov, 11:02

Es stimmt, ich habe den Begriff "Kapitalismus" großzügig verwendet

wobei ich ergänzen muß, dass Kapitalismus meiner Ansicht nach weder "gut" noch automatisch "schlecht" sein muß. Es ist einfach eine Bezeichnung für ein Wirtschaftsssytem, in dem Kapital (und nicht etwa Boden, wie im Feudalismus, oder rohe menschliche Arbeitskraft) der entscheidende Produktionsfaktor ist - und in dem sich die wirtschaftlichen Interessen auf die Vermehrung des Kapitals richten. Kapitalismus hat nicht zwangsläufig etwas mit Marktwirtschaft zu tun. Aber Du hast recht: ein System, in dem die Verfügungsgewalt über sämtliches Kapital in den Händen des staatlichen Machtapparates liegt, sollte allenfalls in Anführung "Kapitalismus" genannt werden - und, wenn man es an dem mißt, was z. B. Karl Marx zu dem Thema schrieb, auch nur in Anführung "Sozialismus" und höchstens unter höhnischem Gelächter "Kommunismus".

Zum Familienbild: wenn ich ein Kind zeuge, übernehme ich selbstverständlich die Pflicht, mich um das Kind zu kümmern, und zwar über bloße Unterhaltszahlungen hinaus. Den Väter mit zur Erziehung heranzuziehen, ist völlig logisch. Eine emotionale Bildung kann man nicht verordnen, besser fürs Kind wäre es, wenn der Vater es liebt, aber in der Praxis kann man nicht mehr als Pflichtgefühl verlangen.
Was ich meine: da die Frau das Kind in ihrem Körper austrägt und es gebiert, ergibt sich allein aus der Selbstbestimmung über ihren Körper, dass letzten Endes sie über Schwangerschaft und Schwangerschafts-Abbruch entscheidet. "Mein Bauch gehört mir" Punkt. Nach meiner Auffassung - die sich von der der großen christlichen Kirchen unterscheidet - ist ein Kind im Mutterleib noch kein Individuum, kein selbstständiger Mensch.

Speer war ein notorischer Schönfärber und, was seine Person betraf, Lügner. Daran, dass er - leider - die mit einem extremen "bürokratischen Wasserkopf" geschlagene und durch interne Machtkämpfe und eine Art Tonnenideologie (besser 800 kleine Bomber bauen, als 200 große, macht sich in der Statistik besser, auch wenn die 200 großen strategisch sinnvoller wären) behinderte deutsche Rüstungsindustrie "auf Vordermann" gebracht hat (nicht allein, versteht sich) besteht kaum ein Zweifel. Das lag nicht nur an seinem zweifellos verhandenen Organisationstalent, sondern vor allem an dem "neue Besen kehren gut" Effekt und dem Umstand, dass er keine "Hausmacht" hatte, um die er sich kümmern mußte - er hing allein von Hitlers Gunst ab. Die Rüstungsproduktion war, in den Augen der Nazis und in fortgeschrittenen Stadium der 2. Weltkriegs, die dringenste (die einzig dringende!) Verwendung der vorhandenen Ressourcen. Alles, was letzten Endes nicht in die Wehrmacht floß, war "Verschwendung". Und in diesem Sinne arbeitete Speer. Allerdings stimmt es, dass - vor allem in der Vor-Speer-Zeit - die deutsche Rüstungsindustrie weniger effizient war als die britische und die US-amerikanische. Der speersche "Produktivitätssprung" kam glücklicherweise zu spät.

"Eugenik" fängt für mich bei der freiwilligen genetische Beratung an und hört beim systematischen Völkermord auf. Es ist eben ein Überbegriff, der heute auch die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin und der Gentechnik umfasst.

Freiwillig genetische Beratungen halte ich sogar für sinnvoll, auch gegen die freiwillige, d. h. ohne Druck auf die schwangere Frau, vorgenommene Abtreibung aus eugenischen Gründen habe ich keinerlei Bedenken (bei eine großzügigen Fristenlösung ist die Indikation sowieso egal). Das Gleiche gilt für freiwillige Sterilisierungen, da gehen die Gründe nur den Patienten selbst etwas an. Schlimm wird es, wenn von außen (Staat, Versicherungen, Arbeitgeber, Familie, Kirche - aber auch Massenmedien, Schule, Ärzte) Vorgaben gemacht werden, welche Kinder bitteschön erwünscht seien, und welche nicht. Verbrecherisch ist Eugenik, wenn Zwang und "Normsetzung" - nicht nur im Sinne des Rassismus, sondern auch im Sinne des "genetisch gesunden Menschen" im Spiel sind.
(Ich werde es nicht öffentlich ausführen, aber ich weise darauf hin: ich habe mich aus persönlicher Betroffenheit intensiv mit dem Thema Eugenik beschäftigt.)
MomoRules (Gast) - 5. Nov, 12:12

Kritik der instrumentellen Vernunft

@Rayson:

Ich finde sie überhaupt nicht infam, diese Verknüpfung, und bei der Behauptung unwerten Lebens läßt sich natürlich eine Verbindung von pränataler Diagnostik bis hin zu Auschwitz aufzeigen, solange man klar macht, welcher Aspekt es ist, den man da angreift. Die Nazis haben die Behauptung unwerten Lebens sozusagen rassentheoretisch ergänzt, mit den bekannten, nicht zu toppenden, grauenhaften Folgen.

Das hat auch mit Staat oder Nicht-Staat nix zu tun, Staat ist im konkreten Fall einfach das Medium totalisierter Zweckrationalität, instrumenteller Vernunft oder strategischer Rationalität, wie auch immer man das nennen möchte.

Es geht da um eine Diskurslogik, die alles auf Verwertbarkeit und Nützlichkeit reduziert, und die ist in jedem Wirtschaftssystem und jeder politische Verfaßtheit denkbar, im Kapitalismus allerdings System-Motor. Wenn ich mich nicht völlig irre, ist es ja gerade dieser Rationalitätstyp, der sich in nicht-westlichen Kulturen nicht im selben Sinne herausgebildet hat. Max Weber folgend lag das am Protestantismus.

Zudem diese ganzen bevölkerungspolitischen Diskussionen durchgängig gleichursprünglich mit dem Kapitalismus historisch gewachsen sind, nicht umsonst sind diese Debatten gleichzeitig mit der Industrialisierung aufgekommen. So etwas wie Bevölkerung wurde zuvor in einem völlig anderen Sinne gedacht - eben als Untertanen eines Königs.

Nun war's die Verfügungsmasse der Industrialisierung, die gesund und sich vermehrend eben notwendig war, um in der Konkurrenz der Industrienationen nicht abgehängt zu werden. Das taucht heute z.B. in der Bildungsdebatte wieder auf, übrigens auch in Argumenten, die sich für eine Privatisierung des Bildungssystems einsetzen (bei Friedmann z.B.).

Der "Volkskörper" der Nazis, an dem dann z.B. Juden als Parasiten herumschmarotzen (ich weiß, das sich das scheußlich liest, sowas war aber nun mal populär damals) oder der Markt, dem all dieses soziale Brimborium aufgebührdet wird, bis er erstickt, das sind ja Metaphern mit ein paar wenigen Gemeinsamkeiten ... natürlich sind die nicht identisch. Aber nicht umsonst tauchen ja Schmarotzer und Parasiten als Metaphern in aktuellen Diskussionen ständig wieder auf.

Es ist zudem schlicht falsch, die historische Entwicklung der Staaten, wie wir sie heute kennen, von der Entstehung des Kapitalismus, wie wir ihn heute kennen, abzukoppeln. Der hat schlicht den Rahmen geboten, in dem die Industrialisierung gedeihen konnte. Da jetzt in Rückprojektionen den Staat zu einem sozialistisch-etatistischen Projekt zu verklären, das ist doch hanebüchen.

Das Perfide an dem von Che und Martin Aufgezeigten ist ja, daß es zudem noch an Glücks-Argumente gekoppelt auftritt, die es tarnen - dann, wenn es um Behinderte geht : Dieses Leiden müsse ausgemerzt werden, so könne man ja gar nicht glücklich sein (das war doch das, was Du meintest, Martin, mit dem "gut gemeint"?).

Übrigens ein Muster, das auch auf Schwule Anwendung findet, braucht man nur die Kommentare bei PI zu lesen: a.) vermehren die sich nicht, sind also nutzlos und b.) sind die eh alle unglücklich. Wobei Glück dann auch als die Möglichkeit der Wahrnehmung der individuellen Nutzenmaximierung gedacht wird.

Das sind Diskurstypen, die ungeheuer wirkungsmächtig sind und zur totalisierten Zweckrationalität im real-existierenden Kapitalismus einfach dazugehören. In eurem Diskurs tritt die ethische Dimension dann als Menschwerdung durch "Eigenverantwortung" auf.

Und daß Alte, Kranke, Behinderte nutzlos sind in dieser Hinsicht, also nicht profitabel, das ist ja nun mal der Fall. Im Falle Alter zwar nur bedingt, aber da spielt dann eben auch Popkultur eine Rolle - sind halt verbohrt und unflexibel, und deshalb ist die werberelevante Zielgruppe dann eben 14-49.

Aber dieser nutzlose Alters-Hedonismus (hängen auf Mallorca rum und lassen es sich gut gehen) widerspricht eben auch den Regeln, die Zweckrationalität generiert. Und dann kosten die auch noch Geld, wenn sie krank werden, Geld, das einfach so verpufft, ohne mehr und neues hervorzubringen.

Da braucht man schon Begriffe erweiterter Rationalität, insbesondere und gerade auch moralischer, um da nicht in die utiltaristische Eugenik- und Methusalem-Falle zu tappen...
Rayson - 5. Nov, 12:43

@Martin

Ok, so kommen wir wieder näher ;-)

Nur noch zu Speers "Effizienz": Da die Nazis alles der Rüstungsproduktion unterordneten und die Vorgaben, was produziert werden sollte, von "oben" kamen, ist der Preismechanusmis damit natürlich außer Kraft gesetzt. Eine im ökonomischen Sinne "effiziente" Produktion ist damit so gut wie ausgeschlossen.

Und dass sie selbst mit einem enger verstandenen Begriff nicht als effizient bezeichnet werden kann, sieht man schon daran, dass noch kräftig Tötungsmaschinen gebaut wurden, als weder genug Soldaten verfügbar waren, sie zu bedienen, noch die Infrastruktur, die sie benötigten.

@MR

Wo du deine "Diskurslogik" hernimmst, ist mir schleierhaft.

Wirtschaftssysteme haben die Aufgabe, das Knappheitsproblem zu lösen. Ihnen dann vorzuwerfen, ihre Logik würde "alles darauf reduzieren", ist genau so sinnvoll, wie bei einem Gesundheitssystem zu beklagen, es kenne nur Kranke.

Den Kapitalismus stören die angeblich "unnützen" Menschen nicht. Im Gegenteil, in einem System, das nicht so sehr wie unser regulierter Arbeitsmarkt die "Produktivitätspeitsche" (ein zumindest früher auf Gewerkschaftsseite sehr beliebter Ausdruck) schwingt, fänden sich auch für Schwächere mehr Beteiligungsmöglichkeiten. Kapitalistisch systemimmanent ist höchstens das Ignorieren, nicht aber das Beseitigen. Für Letzteres braucht's eine höhere Moral oder gehörige Meter Weg auf dem "Weg in die Knechtschaft" durch einen Staat, der immer mehr auf das Verhalten seiner Bürger Einfluss nehmen muss, damit sie in sein Prokrustes-Bett passen.
che2001 - 5. Nov, 13:25

"Dass der real existierende Sozialismus in Wirklichkeit ein Kapitalismus gewesen sein soll, diese Sicht ist mir zwar bekannt, ich halte sie aber letztlich für das Ergebnis eines bemühten Umkehrschlusses: Kapitalismus ist schlecht -> der real existierende Sozialismus war schlecht -> also muss der real existierende Sozialismus ein Kapitalismus gewesen sein. Damit ist der Kapitalismus-Begriff aber so inflationiert, dass er im Grunde nur noch eine Chiffre für eine dem eigenen Wunschdenken entgegengesetzte Wirklichkeit ist." -das offenbart so viel historisches und begriffsgeschichtliches Nichtwissen, dass ich mich frage, ob ich mich lachend auf dem Boden wälzen oder entsetzt sein soll.Klein-Fritzchen-Logik. Laut Marx ist der Sinn und Zweck kapitalistischer Wirtschaftsweise die Kapitralvermehrung und der Weg, diese zu erreichen, die entfremdete Fabrikarbeit. Beides war in den Ökonomien des Kasernenhofkommunismus gegeben. Sozialismus oder zumindest Kommunismus im Marxschen Sinne wäre eine Ökonomie, in der nicht für materielle Anreize gearbeitet wird und die Produkte an die Bevölkerung verteilt, aber nicht verkauft würden, die Betriebe im Übrigen nicht dem Staat, sondern im genossenschaftlichen Sinne den Arbeitern selbst gehören. Die vielen Schritte davor bzw. die Möglichkeiten eines dezentralen, basisdemokatischen Sozialismus, sich diesem Ideal zu nähern, ohne es zu erfüllen, sind Marx und Engels weitaus näher, als alles, was in ihrem zu Unrecht geführten Namen in sozialistischen Staaten praktiziert wurde. Und ehe jetzt jemand damit kommt, das ist nach dem Zusammenbruch des Kasernenhofkommunismus bequem:
Zunächst mal ist die verwendete Sozialismusdiskussion eine ideengeschichtliche Tatsache. Was die politische Zielrichtung angeht:
Die vertrat ich schon in den 70ern, und in der Linken, aus der ich komme, war das auch 1968 schon Konsens.
Rayson - 5. Nov, 23:23

"das offenbart so viel historisches und begriffsgeschichtliches Nichtwissen,"

Natürlich. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln spielt bei Marx ja auch überhaupt keine Rolle. Auch einen Konkurrenzprozess hat der ebenfalls nie beschrieben. Mir ist es ja wurscht, wer heute eine andere Form von Sozialismus möchte oder damals schon gewollt hat, aber der Versuch, den DDR-Sozialismus zum Kapitalismus zu erklären, eben weil er nach Klein-Fritzchen-Logik (da stimme ich völlig zu, das ist eine) ja nicht der wahre, von einem selbst herbeigesehnte war, der ist tatsächlich urkomisch. Da lache ich gern mit.

Real existierender Sozialismus und "Kapitalvermehrung", "materielle Anreize" oder "verkaufte Waren" - das sind wirklich echte Brüller. Wie ideologisch zugenagelt muss man sein, um das für wahr zu halten.
che2001 - 6. Nov, 08:36

Natürlich steht bei Marx das Privateigentum an Produktionsmitteln im Mittelpunkt und definiert, ich betonte das ja oft, sehr Wesentlich Kapitalismus, ebenso die Konkurrenz. Ich spreche im Allgemeinen, wenn ich den Ostblocksozialismus meine, vom Kasernenhofkommunismus und finde diesen Begriff eigentlich sehr treffend. Dennoch hat der Begriff des Staatskapitalismus auch Einiges für sich. In dieser Betrachtungsweise wird der Ostbocksozialismus als eine Art bürokratischer Monopolkapitalismus mit dem Staat selber als einzigem Kapitalisten betrachtet, und das hat insdfern etwas für sich, als dass ja weiterhin - wie im Kapitalismus - nach dem Prinzip der entfremdeten Fabrikarbeit produziert wurde, wenn auch sehr viel ineffektiver als im Westen (Mir geht´s wie dem Nörgler: Ich wundere mich sehr, dass ein solches System überhaupt jahrzehntelang funktioniert hat). So, Kapitalvermehrung, materielle Anreize und verkaufte Waren hat es in der Ostblockwirtschaft nicht gegeben, ja? Also gab es in der DDR keine Geldwirtschaft, Waren wurden verschenkt, und es gab auch keine "Helden der Arbeit",kein Hochjubeln von Produktionsziffern, wie ich Deinen Worten entnehmen muss. Dass die Ostblockwirtschaft eine Mangelwirtschaft war, darüber brauchen wir nicht zu streiten, aber sie spielte nach schlecht kopierten Regeln, die man aus der kapitalistischen Industriegesellschaft abgeleitet hatte. Bei Marx und Engels oder auch Luxemburg findet sich so etwas hinsichtlich der Vorstellungen vom Sozialismus nicht.

"Wie ideologisch zugenagelt muss man sein, um das für wahr zu halten." gebe ich gerne zurück, denn den Kapitalismusbegriff, den Du so vertrittst, Rayson, findet man fast nur (damit will ich Dir nicht zu nahe treten, ich weiß, dass Du zu denen ein äußerst distanziertes Verhältnis hast) im Leserkreis der "Eigentümlich frei", bei der Mt. Pelerin-Society und dem erweiterten Umfeld dieser Kreise und kaum irgendwo sonst. Das kann man dann auch Sektendenken nennen.Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du Dich nun gerne in solcher Gesellschaft bewegst, insofern erkenne einfach mal an, dass es unterschiedliche Kapitalismusbegriffe gibt und dass man die nicht dogmatisch sehen, sondern in einem offenen System diskutieren sollte.



http://de.wikipedia.org/wiki/Staatskapitalismus


http://www.internationalesozialisten.de/kk23/stakap.html
Rayson - 6. Nov, 22:57

"Also gab es in der DDR keine Geldwirtschaft, Waren wurden verschenkt, und es gab auch keine 'Helden der Arbeit',kein Hochjubeln von Produktionsziffern, wie ich Deinen Worten entnehmen muss."

Die Aluchips, auch DDR-Mark genannt, erfüllten die Funktion eines Geldes nur sehr begrenzt. Es spielte bei der Zuteilung von Waren keine entscheidende Rolle. Da die Knappheit sich nicht in Preisen widerspiegeln konnte bzw. durfte, verlief die Zuteilung deswegen im "Windhundsystem", was einem "Verschenken" schon deutlich näher kommt.

Allerdings muss ich mich in gewisser Hinsicht korrigieren: Es gab doch Geld- und Warenwirtschaft in der DDR, und zwar die D-Mark und die Schwarzmärkte. Aber darum ging es wohl weniger...

Karnevalsorden ("Held der Arbeit") sowie Fantasieproduktionsziffern haben mit Kapitalismus nun wirklich überhaupt nichts zu tun. Man könnte sie höchstens als verzweifelten Versuch begreifen, die Wirksamkeit eines Preissystems simulierend zu ersetzen.

Außerdem fehlte z.B. der DDR an allen Ecken und Enden noch was ganz Entscheidendes, nämlich Kapital.

Ich will niemandem seinen persönlichen Sozialismus wegnehmen und durch den real existiert habenden ersetzen, aber die Auffassung, dass in DDR & Co. eine Art Kapitalismus geherrscht habe, ist auch außerhalb libertärer Kreise eher eine auf einige Linke beschränkte Meinung. Dass Kapitalismus (in aller Kürze) Privateigentum plus Marktwirtschaft ist, dürfte die außerhalb marxistischer Kreise weithin akzeptierte Definition sein (siehe auch den entsprechenden Eintrag bei Wikipedia), und in der SU und ihren Satelliten gab es i.d.R. weder das eine noch das andere.
Köppnick - 6. Nov, 20:03

Zweierlei

1. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Eugenik en vogue. Zum Beispiel plädierte auch Hermann Joseph Muller dafür, körperlich und geistig Minderbemittelte zu sterilisieren, um den Genpool der Menschheit zu verbessern. Später erhielt Muller den Nobelpreis für die Entdeckung des Zusammenhangs zwischen Röntgenstrahlen und Mutationen, und er trat auch entschieden gegen die Eugenik auf. Inzwischen ist jedem einigermaßen auf dem aktuellen Stand Seienden klar, dass in den meisten Fällen der Zusammenhang zwischen Geno- und Phänotyp sehr sehr unklar ist. Der Wikipedia-Artikel über Muller ist dürftig, er wird dort zum Beispiel als überzeugter Kommunist bezeichnet. Ob das in seinen letzten Jahren noch gegolten hat, wage ich zu bezweifeln. Er hatte sich jedenfalls nicht ohne Grund aus der Stalinschen Sowjetunion in die USA abgesetzt.

2.Man sollte die Kapitalismusdefinition nicht durch einen Begriff wie Staatskapitalismus verwässern und deshalb nicht die sozialistischen Staaten mit diesem Begriff zu definieren suchen. Kapitalismus ist und bleibt eine Wirtschaftsform, bei der Einzelne (die Kapitalisten) ihr Kapital zur Verfügung stellen, damit es verzinst wird. Und die sich diese Zinsen dann privat wieder aneignen. Das Dritte Reich war eindeutig kapitalistisch, weil an den privaten Besitzverhältnissen von Seiten der Nazis kaum gerüttelt wurde. Die sozialistischen Staaten waren wirtschaftlich niemals kapitalistisch, weil keine großen Privatbesitzer geduldet wurden.

Genauso sollte man eine Überschneidung der Begriffe Marktwirtschaft und Kapitalismus vermeiden. Marktwirtschaft ist eine Form des Austausches von Gütern, bei der die Produzenten nach eigenem Gusto Waren produzieren und Dienstleistungen anbieten, von denen sie meinen, sie verkaufen zu können. Marktwirtschaft gibt es praktisch schon immer seit den ersten Formen von Arbeitsteilung und der Produktion von Mehrwert, der verkauft oder getauscht werden kann. Das Gegenteil von Marktwirtschaft ist Planwirtschaft. Die Substitution des Begriffs Kapitalismus durch den der Marktwirtschaft, wie in der Volkswirtschaftslehre üblich, ist reiner Euphemismus.

Das ökonomische System des Dritten Reiches war eine kapitalistische Planwirtschaft. Ein solches System ist für die privaten Besitzer sehr attraktiv, weil es ihre Profite nämlich von den Zufällen eines freien Warenaustausches befreit und sie eben planmäßig garantiert. Das System der sozialistischen Staaten war eine sozialistische Planwirtschaft. Hier regelt sich der Zugang zur Macht nicht über das Geld, sondern eben anders. Über allen vier denkbaren ökonomischen Kombinationen von Kapitalismus und Sozialismus sowie Markt- und Planwirtschaft kann man demokratische oder diktatorische politische Systeme errichten, die sich voneinander dadurch unterscheiden, wie breit die Streuung der tatsächlichen Macht ist. Allerdings ist eine gewisse Affinität zwischen Planwirtschaft und Diktatur gegeben, wenn man sich die geschichtlichen Realisierungen der einzelnen Varianten so ansieht, aber theoretisch ganz sicher ist es wohl nicht.

che2001 - 6. Nov, 23:26

Köppnick, dem Meisten, was Du da sagst, stimme ich zu. Zum Staatskapitalismu möchte ich allerdings eins ausführen: dieser Begriff ist eher soziologisch als streng ökonomisch. Im Gegensatz zu ihrem eigenen Anspruch wurden die sozialistischen Staaten ja nicht von einer sich selbst befreit habenden Arbeiterklasse regiert, sondern von einer Schicht kleinbürgerlicher Bürokraten mit sehr bald geradezu aristokratischen Privilegien. Ebenso wurde in den Fabriken weiterhin nach kapitalistischer Arbeitsdiziplin gearbeitet - man sollte dabei nicht so sehr den Schlendrian in der Spätzeit der DDR im Auge haben als die Stachanow-Arbeiter unter Stalin. Der sogenannte Realsozialismus bedeutete also keine Emanzipation des Proletariats, sondern Fortbestand bürgerlicher Klassenherschaft, wenn auch ohne Privateigentum - bzw.Monopolismus mit dem Staat als einzigem Eigentümer. Der Begriff Staatskapitalismus ist keine Subsumption unter den Begriff Kapitalismus im allgemeinen, sondern eine Abgrenzung nach links, gegenüber libertären Sozialismusformen wie auch gegen eine Sozialismusvorstellung streng nach Marx.
che2001 - 7. Nov, 13:35

@Dass Kapitalismus (in aller Kürze) Privateigentum plus Marktwirtschaft ist, dürfte die außerhalb marxistischer Kreise weithin akzeptierte Definition sein - nein, das ist auch die innerhalb marxistischer Kreise akzeptierte Definition, nur kommt in den von Marx inspirierten Ansätzen dann noch die ganze Wertproblematik hinzu, wobei man natürlich auch sagen kann, dass im Ostblock über weite Strecken kaum Mehrwert produziert wurde, und dass es ohne Tauschwert keinen Markt und ohne Markt keinen Tauschwert gäbe. Der Kasernenhofkommunismus (Realsozialismus) war kein Kapitalismus (wobei er sehr wohl, siehe Waffen- und Rohstoffexporte, auf dem Weltmarkt in der Absicht, Profit zu machen, mit dem westlichen Kapital konkurrierte, unkapitalistisch war er zunächst mal hinsichtlich von Eigentumsverhältnissen, Marktstruktur und Akkumulationsprozess), er hatte aber bürgerlich-autoritäre Züge, die ihn als ein Regime kennzeichnen, das sogar in weit höherem Maße als der westliche Spätkapitalismus Normen des frühen Industriezeitalters (preußische Disziplin, Pflichtbewusstsein, Normkonformismus) kultivierte, ebenso wie das erzkapitalistische Modell der taylorisierten Fabrik (selbst wenn diese völlig unrentabel produzierte) und nicht die freie Assoziation der Werktätigen das zentrale Produktionsmodell dieses Regimes war. Der problematische Begriff "Staatskapitalismus", den ich nicht gerne verwende, kennzeichnet diese autoritär-bürgerlichen Züge des Realsozialismus (den ich lieber Kasernenhofkommunismus nenne) und die Tatsache, dass das nach innen zentrale kapitalistische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzende System über den staatlichen Außenhandel trotzdem auf dem Weltmarkt nach kapitalistischen Wettbewerbsregeln konkurrierte (dass das nicht gutgehen konnte, ist auch klar.).


Endlich: Man sollte nicht den Fehler machen, den Kasernenhofkommunismus an den letzten 15 Jahren der DDR zu messen. Bis in die frühen 70er gab es auch dort Kleinbetriebe mit bis zu 5 Beschäftigten und Familienbetriebe, vorzugsweise in den Bereichen Gastronomie und Handwerk, und diese Kleinunternehmer bildeten den dynamischsten Teil der DDR-Gesellschaft. Sie produzierten durchaus für einen Markt. Es war einer der verhängnisvollsten Fehler Honeckers, diese Unternehmen zwangszuverstaatlichen. In Ungarn gab es ohnehin eine sozialistische Marktwirtschaft ("Gulaschkommunismus"), von Jugoslawien ganz zu schweigen, und im ländlichen Sibirien wussten sich die Bauern nie anders zu helfen, als legal, illegal,scheißegal, auf eigene Kappe zu handeln.

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