Illuminismus (Teil 1) - die Illuminaten-Panik

Um die Illuminaten ranken sich zahlreiche Verschwörungstheorien. Bis heute. Wie schwer es ist, diesen Theorien aus dem Weg zu gehen, mußte das US-amerikanische "Information Awareness Office" erfahren, das sich - vermutlich unbeabsichtigt - ein Logo gab, das allzu genau in das Weltbild der Verschwörungstheoretiker passte:
IAO-Logo
Auch wenn das IAO der DARPA keine Illuminaten-Organisation ist, heißt das noch lange nicht, dass ich auch nur einen Hauch von Verständnis für diese tief in die Bürgerrechte eingreifende Überwachungsbehörde und ihre Nachfolger und europäischen Gegenstücke hätte.

Der historische Illuminatenorden, auch "Bayrische Illuminaten" genannt, ist gut erforscht. Ich verweise der Einfachheit halber an den (zur Zeit der Abfassung dieses Artikels) sehr informativen Eintrag in der "Wikipedia" (ungeachtet der Tatsache, dass selbst "gemäßigte" Verschwörungstheoretiker der Wikipedia äußerst misstrauen): Illuminatenorden - und allen, die sich für Verschwörungstheorien interessieren, sei das "Verschwörungen"-Wiki empfohlen: Illuminaten und Illuminatenorden.

Tatsächlich war der radikal-aufklärerische Illuminatenorden Adam Weißhaupts zu seiner Zeit "umstürzlerisch" - er war gegen die absolutistischen Monarchien gerichtet und gegen den Einfluß der Jesuiten. Von daher war der Orden Ziel des Mißtrauens der Obrigkeiten. Nach dem Verbot des Ordens und der Veröffentlichung bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmter Papiere des Ordens brach eine erste Illuminatenhysterie aus - überall witterte man nun die Umtriebe des radikalaufklärerischen Geheimbunds. 1785 erklärte sogar Papst Pius VI. in zwei Briefen (vom 18. Juni und 12. November) an den Bischof von Freising die Mitgliedschaft im Orden als unvereinbar mit dem katholischen Glauben.
Eine zweite, deutlich heftigere Welle dieser Hysterie setzte nach der Französischen Revolution ein, als die Furcht vor den Jakobinern mit der älteren vor den Illuminaten zu einer einzigen Angstphantasie verschmolz. Die Französische Revolution erschien nicht wenigen Zeitgenossen als "Umsturz der gottgewollten Ordnung".
Die eigentliche Illuminaten-Verschwörungstheorie entstand einige Jahre später. Unabhängig voneinander versuchten zu Beginn des 19. Jahrhunderts der französische ehemalige Jesuit Abbé Barruel und der schottische Gelehrte John Robison nachzuweisen, dass nur eine Verschwörung (und nicht etwa die andauernde Unterdrückung der Bürger und Bauern, die Verbreitung der Ideen der Aufklärung, vor allem der Idee der Menschen- und Bürgerrechte, Missernten, eine schwelende Wirtschaftskrise und nicht zuletzt schlechtes "Krisenmanagement") die Revolution ausgelöst haben könnte. Die ohnehin beargwöhnten Freimaurer standen im Zentrum des Misstrauens, aber es fehlte ihnen eine zentrale Organisation, die den Umsturz von 1789 organisiert haben könnte. Die erklärtermaßen gegen die "göttliche Ordnung" (absolute Monarchie, Gottesgnadentum des Herrschers, starke Stellung des Klerus als "1. Stand") abeitenden lluminaten boten sich als "böse Drahtzieher" an.
Ihre "Beweise":
  • Fast alle bedeutenden Führer der Französischen Revolution (und auch die amerikanischen Revolutionäre von 1776) waren Freimaurer.
  • In Frankreich gab es kurz vor der Revolution tatsächlich eine Freimaurerloge die sich "Les Illuminés" nannte. Diese Gruppe war aber sehr klein und wenig einflussreich, und ging eher in eine mystische Richtung, hatte also mit der Radikalaufklärung à la Knigge und Weishaupt nichts im Sinn.
  • Johann Christoph Bode, Komponist, einflußreicher Journalist und Verleger, Freund Lessings, Radikalaufklärer, prominenter Freimaurer sowie führende Persönlichkeit bei den Illuminaten, war 1787 nach Paris gereist. Bode war zu einem Freimaurerkonvent eingeladen, der aber bei seiner Ankunft schon beendet war.
Die Illuminaten eigneten sich besonders gut für die Rolle als "böse Drahtzieher" hinter den "harmlos tuenden" Freimauerer, weil sie ein explizit politisches Programm hatten, wohingegen bei Freimaurern etwa konfessionelle, religiöse oder parteipolitische Streitgespräche bis heute unerwünscht sind. Zwar waren die meisten Illuminaten zugleich auch Freimauer, aber der Orden selbst gehörte der Freimaurerei nicht an. In den landesweiten Organisationen der Freimaurer, den Großlogen oder Groß-Orienten, arbeiteten die Illuminaten nicht mit. Tatsache war, dass die Illuminaten versuchten, die Freimaurerei zu unterwandern. Unterwandern, das, was man später den "langen Marsch durch die Institutionen" nannte, war die bevorzugte politische Taktik Weißhaupts und Knigges. Eine Taktik, die die Phantasie ängstlicher Naturen bis heute anregt.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund, weshalb den Verschwörungstheoretikern um 1800 "die Illuminaten" schier allgegenwärtig und völlig rätselhaft, nicht in die "natürliche Ordnung der Dinge" passend erschienen. "Illuminaten", "Erleuchtete" wurden nicht nur den geheimnissvollen Freimauer gleichgestezt, sondern auch den "Illuministen", den Anhängern einer bemerkenswerten "Nebenströmung" der Aufklärung - dem Illuminismus. (Wobei die meisten Illuminaten nicht nur auch Freimauerer, sondern auch Illuministen gewesen sein dürften.)

Es ist, auch in Lehrbüchern und Lexika, üblich, dem überkommenen irrationalen, autoritätsgläubigen, abergläubischen und unkritische "alten Denken" den "Vernuftglauben" der Aufklärer des 17. und 18. Jahrhunderts entgegenzusetzen. Üblich ist es auch, der Spätaufklärung Gegenbewegungen entgegenzustellen. So hätte die extreme Betonung von Ratio und Objektivität der Aufklärung die Romantik hervorgebracht, die Individualität und subjektive Erfahrung betonte und die Menschen in einer Welt, in der Werte und Regeln einzig nach Kriterien der Vernunft bestimmt wurden, als Gefangene gesehen hätte. Auch die nicht-rationalen Bewegungen im "Zeitalter der Aufklärung", wie der Okkultismus und der gegen Ende des 18. Jahrhunderts populäre Mesmerismus, werden gemeinhin als Gegenbewegungen gesehen.
Es gab demzufolge für das Zeit unmittelbar vor der Französischen Religion drei geistige Hauptströmungen: die auf Vernunft und objektive Erkenntnis bauende "nüchterne" Aufklärung, das "konservative christliche Denken" der "althergebrachten" Gesellschaft, das auf religiöse Traditionen vertraute, und schließlich die Gegenströmungen, wie die Romantik.

Nur: schon die Freimaurerei als humanitäre Initiationsgemeinschaft, die sich bewußt des "Irrationalen", der Kraft der Symbole, der mystischen Erfahrung öffnete und eine der treibenden Kräfte der Aufklärung im 18. Jahrhundert war, paßt nicht in dieses simple, zwischen "Rationalisten" und "Irrationalisten" unterscheidende Schema. Ebensowenig kann man den "Sturm und Drang" als Gegenbewegung zur Aufklärung sehen. Eher ging es dieser u. a. von Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller vertretenen literarischen Epoche darum, die bloße Vernunft, die "kalte Ratio" zu ergänzen.

Im Geistesleben des 18. Jahrhunderts vermischten sich tatsächlich zwei scheinbar gegensätzliche Strömungen. Einerseits die Emanzipation von Wissenschaft und Philosophie aus den Fesseln religiöser Bevormundung, anderseits ein Hang zur Mystik, ja zur Magie. Manchmal bestand das Nebeneinander mystischer und wissenschaftliche Neigung in ein und derselben Person.
Die geistige Heimat vieler dieser Grenzgänger zwischen den geistigen Strömungen war eine heute weitgehend vergessenen, aber machtvollen Unterströmung der Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts, der bereits erwähnte Illuminismus.
Einer zu Unrecht vergessenen Strömung, denn nicht zuletzt durch den Illuminismus wurden auch die modernen Naturwissenschaften und die technischen Entwicklungen in den Kulturbegriff einbezogen.

Wegen ihres sich den üblichen Schublade verweigernden "Grenzgängercharakters" und weil es so viele "geheimnisvolle Persönlichkeiten" unter ihnen gab, die sich sagar mit Magie beschäftigten, wurde die Illuministen oft beargwöhnt.

Mehr zur Philosophie und Geschichte des lluminismus im 2. Teil dieser Reihe: Gelehrte zwischen den Welten
Rayson (Gast) - 12. Nov, 21:28

Ich will ja nicht nur mosern ;-)

Super, was du da alles zusammenträgst!

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