Tyrannophilie
ist eine weit verbreitete "Krankheit" bei Künstlern. Hitlers "Lieblingbildhauer" Arno Breker ist ein extremes Beispiel: er schleimte sich bei einem Diktator ein, dessen (miesen) Kunstgeschmack er nicht teilte, unterstürzte ein System, in dem andere Künstler aus irgendwelchen, meist völlig willkürlichen Gründen als "entartet" Berufsverbot erhielten, wenn sie "Glück" hatten - hatte sie keins, wanderte sie wgen ihres Schaffens ins KZ, wenn sie nicht rechtzeitig emigrieren konnten. Er wußte von der Judenverfolgung, von dem ungeheuerlichen Kunstraub der Nazi, von Sklavenarbeit - und kroch weiter dem Diktator in den Hintern, aus "niederen Beweggründen" - Geld, Ruhm, ein bißchen Macht. Und auch nach dem Ende der Nazizeit hängte er sich gern an die Reichen und Mächtigen an, und zwar nicht nur des Geldes wegen, denn für den "Kunstmarkt" produzierte er nicht gern, obwohl einige seiner Werke gut Preise erzielten.
Bloß nicht von irgendwelchen Kunstsammlern oder gar Spekulanten abhängig sein, dann lieber nach der Pfeife mächtiger "Gönner" tanzen! Bloß nicht einsehen wollen, dass auch ein Künstler letzten Endes Waren und Dienstleistungen produziert!
Das durch DDR-Sprachgebrauch leicht beschädigte Wort vom "Kulturschaffenden" trifft die wahre Situation ziemlich genau. "Kunst der Kunst wegen" bezahlt keine Rechnungen. Entweder ich bin bereit, meine Kunst öffentlich zum Verkauf anzubieten - oder meine "Seele", meine Integrität, dem Wohlwollen eines "Gönners" auszuliefern. (Es gibt dazwischen noch Einiges, vom Mäzenatentum bis zur öffentlichen Kulturförderung - was am grundsätzlichen Mechanismus nichts ändert.)
Noch mehr als materielle Güter ist der Applaus das Betäubungsmittel für Künstler und Intellektuelle. Der Diktator muß dem "Kulturschaffenden" schmeicheln, ihm das Gefühl geben, etwas "Besseres" als eben nur ein bloßer "Kulturschaffender" zu sein - dann ist die Kritikfähigkeit dieser berufsbedingt of maßlos eitlen "geistige Elite" zuverlässig choloroformiert.
Schlimmer wird es noch, wenn besagter Künstler - wie z. B. der von mir durchaus geschätzte Savador Dali - auch noch auch ideologischer Überzeugung Ungleichheit und autoritäre Herrschhaft befürwortet. Künstler halten sich gern für etwas Besseres als schnöde "Normalmenschen". Das macht sie anfällig für totalitäre Ideologien.
Noch deutlicher als bei bildenden Künstlern und Musikern wird diese Tyrannophilie bei Schriftstellern. Von Mussolini über Hitler bis Franco, von Stalin über Mao, Castro und Ho Chi Min, ja sogar Pol Pot und Saddam Hussein, ganz zu schweigen von Slobodan Miloschewitsch, Muhammar al Qaddafi, Kim il Sung - sie alle hatten oder haben eineN gewaltigen Fanclub aus an sich kritischen, an sich denkfähigen, an sich gebildeten Intellektuellen.
Sogar brilliante Philosophen wie Heidegger (packtierte mit den Nazis), Bloch (verteidigte lange Zeit den Stalinismus), Satre (fand Mao und Castro gut) oder selbst Foucault (schwärmte zeitweise für Ruhollah Chomeini) sind nicht von tyrannophilen Aussetzern sicher.
Gegen diese Masse an kollektiver Blindheit kann man die wenigen wirklich kritischen (das heißt immer auch: selbstkritischen) Künstler, Schriftsteller, Intellektuellen mit der Lupe suchen.
Bloß nicht von irgendwelchen Kunstsammlern oder gar Spekulanten abhängig sein, dann lieber nach der Pfeife mächtiger "Gönner" tanzen! Bloß nicht einsehen wollen, dass auch ein Künstler letzten Endes Waren und Dienstleistungen produziert!
Das durch DDR-Sprachgebrauch leicht beschädigte Wort vom "Kulturschaffenden" trifft die wahre Situation ziemlich genau. "Kunst der Kunst wegen" bezahlt keine Rechnungen. Entweder ich bin bereit, meine Kunst öffentlich zum Verkauf anzubieten - oder meine "Seele", meine Integrität, dem Wohlwollen eines "Gönners" auszuliefern. (Es gibt dazwischen noch Einiges, vom Mäzenatentum bis zur öffentlichen Kulturförderung - was am grundsätzlichen Mechanismus nichts ändert.)
Noch mehr als materielle Güter ist der Applaus das Betäubungsmittel für Künstler und Intellektuelle. Der Diktator muß dem "Kulturschaffenden" schmeicheln, ihm das Gefühl geben, etwas "Besseres" als eben nur ein bloßer "Kulturschaffender" zu sein - dann ist die Kritikfähigkeit dieser berufsbedingt of maßlos eitlen "geistige Elite" zuverlässig choloroformiert.
Schlimmer wird es noch, wenn besagter Künstler - wie z. B. der von mir durchaus geschätzte Savador Dali - auch noch auch ideologischer Überzeugung Ungleichheit und autoritäre Herrschhaft befürwortet. Künstler halten sich gern für etwas Besseres als schnöde "Normalmenschen". Das macht sie anfällig für totalitäre Ideologien.
Noch deutlicher als bei bildenden Künstlern und Musikern wird diese Tyrannophilie bei Schriftstellern. Von Mussolini über Hitler bis Franco, von Stalin über Mao, Castro und Ho Chi Min, ja sogar Pol Pot und Saddam Hussein, ganz zu schweigen von Slobodan Miloschewitsch, Muhammar al Qaddafi, Kim il Sung - sie alle hatten oder haben eineN gewaltigen Fanclub aus an sich kritischen, an sich denkfähigen, an sich gebildeten Intellektuellen.
Sogar brilliante Philosophen wie Heidegger (packtierte mit den Nazis), Bloch (verteidigte lange Zeit den Stalinismus), Satre (fand Mao und Castro gut) oder selbst Foucault (schwärmte zeitweise für Ruhollah Chomeini) sind nicht von tyrannophilen Aussetzern sicher.
Gegen diese Masse an kollektiver Blindheit kann man die wenigen wirklich kritischen (das heißt immer auch: selbstkritischen) Künstler, Schriftsteller, Intellektuellen mit der Lupe suchen.
MMarheinecke - Samstag, 15. Juli 2006
Fluchtbewegung
Ich glaube, die Anziehungskraft von Tyrannen (nebenbei gefragt: Ist Bush auch einer -obwohl demokratisch gewählt- und sind die neokonservativen in die gleiche "Schublade" zu stecken?) wird m. E. überschätzt. Es handelt sich in der Mehrzahl der genannten (und nicht genannten) Beispiele nicht um einen Personenkult, dem der/die Intellektuelle(n) verfallen sind, sondern dahinter stehen Ideen, die durch Personen repräsentiert (symbolisiert) werden.
Ich glaube nicht, dass beispielsweise Sartre Mao und Castro als Personen gut fand, sondern das, was sie an Ideen und Visionen hatten und kommunizierten. Ich glaube noch nicht einmal, dass Sartre mit der Ausführung dieser Visionen "einverstanden" war; vermutlich hat er sie ausgeblendet, d.h. nicht wahrgenommen.
Ich vermute, diese Art von Angezogenheit durch das andere, durch etwas Visionäres (ohne genau hinzuschauen), ist eine Reaktion auf das, was man vorfindet und als irreversibel oder gar verkommen einstuft und um fast jeden Preis verändert sehen möchte. Als Beispiel mag hier der antidemokratische Impuls vieler deutscher Intellektueller in der sogenannten Weimarer Republik gelten. Das, was sich dort als Demokratie ereignete, war weder bei der Bevölkerung noch diesen Intellektuellen Vorbild oder gar erhaltenswert. Ernst Jünger beispielhaft herausgenommen hat mit Aufsätzen und Traktaten glühend gegen diese Demokratie angeschrieben. Gleichwohl: Die Folgen, also die Nationalsozialisten, waren ihm auch zuwider, obwohl er nie offen Widerstand geleistet hatte. Auch hier mag sehr kurz der Wunsch, die Idee mitgeschwungen haben, an exponierter Position die Geschicke mitzubestimmen. Dies hätte aber ein Engagement bedeutet, welches Jünger wiederum zutiefst zuwider war. Seine Idee des "Arbeiters" war weder in der demokratischen Gesellschaft noch im NS-Staat zu verwirklichen (immerhin hat Jünger früh die Parallelen zwischen der Ideologie der Nazis und des Stalinismus entdeckt).
Ich will die "Tyrannophilie" nicht rechtfertigen. Sie speist sich jedoch wesentlich aus einer Art Überdruss an dem, was vorgefunden wird. Bezogen auf eine westliche, demokratisch organisierte Gesellschaft, in der ein Intellektueller oft nicht durchdringt, nicht gehört wird, wenn er nicht gerade lauter schreit als alle anderen, mag die Hinwendung zu (zweifelhaften) charismatischen Figuren auch eine Art Flucht vor dem nivellierenden Gleichmass einer pluralistischen Gesellschaft zu sehen sein.
Vielleicht ist ein "selbstkritischer Intellektueller" ein Widerspruch in sich. Ein Intellektueller muss Position beziehen; ein Künstler schafft ein Werk. Dies kann nicht mit einer permanenten selbstkritischen Attitüde gelingen. Selbst Kafka, der Prototyp des Grüblers, Selbstzweiflers und Zauderers, hat seine Werke nicht selbst verbrannt, sondern dies verfügt (was ja dann glücklicherweise nicht umgesetzt wurde). Er hätte nie geschrieben, wenn er nicht überzeugt gewesen wäre.
cum grano salis
http://www.blogfrei.de/metalust/2006/07/fuer_den_schah_sein.html
Mit "Tyrannophilie" meine ich übrigens die Vorliebe vieler Künstler und Intellektuelle für autoritäre bis totalitäre Regimes, nicht unbedingt für die Person des Tyrannen. Z. B. ist bekannt, was Breker von Hitlers Kunstverständnis hielt (nicht viel) und sonderlich faziniert von der angeblich charismatischen Person des Diktators war er auch nicht. Von Stalins Speichelleckern dürfte nur sehr, sehr wenige den Mann persönlich auch nur halbwegs sympathisch gefunden haben.
Es gibt durchaus selbstkritische Intellektuelle - zu denen ich übrigens meistens auch Satre zähle (aber halt nicht immer).
Unter der deutschen Schriftstellern fällt mir spontan Hans-Magnus Enzensberger als wirklich kritischer und garantiert nicht-tyrannophiler Geist auf. Unter den "modernen Klassikern" der Literatur möchte ich George Orwell als Feind aller Tyrannei - auch der im politischen "eigenen Lager" - hervorheben. Bei den Philosophen: Karl Popper und Bertrand Russel.
Enzensberger?
Ich halte ihn übrigens überhaupt nicht für "kritisch", sondern für einen zutiefst im Eurozentrismus gefangenen, mit der Zeit immer schlechter werdenden Essayisten, der ab und an mit Hitlervergleichen für feuilletonistischen Wirbel sorgt (und das durchaus mit Erfolg).
Ich habe den Text nicht als Provokation empfunden (das er anderweitig so heftig diskutiert wird, erstaunt mich). Er geht allerdings von einer These aus, die mich -ehrlich gesagt- wenig interessiert, da ich dezidiert der zeitgenössischen Rezeptionskultur ("guter" Künstler = "gutes" Werk / "schlechter" Künstler = "schlechtes" Werk) mindestens ambivalent gegenüberstehe. Wenn das Werk irgendwann vollständig hinter einer (u. U. über Jahre wechselnd interpretierbaren) Biographie verschwindet bzw. nur aus dieser Perspektive beurteilt wird, dann werde ich als Leser / Rezipient manipuliert.
Wenn ich sehe, mit welcher Wonne sich Philologen auf neue biografische Details von Schriftstellern oder Künstlern stürzen und dann meist laut deklamieren, das Werk müsse nun "neu gelesen" werden - vor so viel Deutungshoheit, die man hier beansprucht, schaudert mir.
Im Rahmen der vor einigen Wochen aufgekommenen Handke-Kontroverse um den Heine-Preis erschien im Feuilleton der ZEIT ein Artikel von Ulrich Greiner, einem sehr vorsichtigen und klugen Kritiker, überschrieben mit "Darf gross irren, wer gross dichtet?".
Die Frage impliziert jedoch schon, dass die im Artikel angesprochenen Personen (es sind neben Handke Ezra Pound, natürlich Heidegger, Carl Schmitt [der beide nie Schriftsteller waren, also hier nicht hingehören], Brecht, Doderer, Benn, usw.) irrten.
Was bedeutet aber "irren" überhaupt bei dieser breit gefächerten Gruppe von Dichtern? Der eine wird beschuldigt mit den Faschisten oder gar Nazis sympathisiert zu haben - Brecht wird Nähe zum Kommunismus unterstellt, usw. Und: Die Frage lässt nur noch die gönnerhafte Möglichkeit des "Vergebens" zu (der Artikel ist ein bisschen differenzierter). Gleichzeitig setzt sich der Rezensent, der Beobachter, in die Rolle des Richters (meist ohne Berücksichtigung der Zeit, der Lebensumstände, usw). Das halte ich für sehr bedenklich.