Stimmen aus dem Paralleluniversum
"Wer drei Mal im Jahr Nein sagt, braucht offenbar keine Hilfe", begründete der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Ralf Brauksiepe, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters die Verschärfungspläne.Quelle: tagesschau.de Dreimal Nein führt zur Streichung
Zur Erinnerung: Wer dreimal Spargelstechen oder Hundekoteinsammeln verweigert, kriegt künftig keinen Cent Arbeitslosengeld II mehr - auch nicht für Miete und Heizung. Obdachlosigkeit als Strafe für "Fauheit" (oder für Widerstand gegen Schikanen).
Es ist m. E. fraglich, ob die “Harz IV” Gesetzgebung überhaupt verfassungsgemäß ist. Arbeitslosen soll zügig alles Geld gestrichen werden können
Und so ganz nebenbei, bei sven scholz entdeckt: politischer Winkeladvokatismus mit der freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbstständige -> Bundestag streicht Arbeitslosenversicherung für langjährige Selbstständige Toll, so was nennt man, glaube ich, "Mittelstandsförderung".
Die einzig rationale Erklärung: Politiker, "Witschaftsweise", Unternehmensberater und nicht wenige Journalisten leben in einem Paralleluniversum, in dem es a)prinzipiell genügend Arbeitplätze für jeden gibt, b) Langzeitarbeitslose arbeitsscheu und sehr oft fiese Betrüger sind und c) ungeplante Ausgaben in Milliardenhöhe bei Harz VI allein auf die Schmarotzermentaliät der Langzeitarbeitslosen zurückzuführen sind - und nicht zu vergessen d) "die Wirtschaft" aus einer Handvoll Großunternehmen besteht.
In diesem Paralleluniversum ist es nur logisch, dass die schmarotzenden, faulen Arbeitslosen, die unser Sozialsystem mutwillig ruininieren, mit allen Mitteln zur Arbeit gezwungen werden müssen. Blöd nur, dass die meisten Deutschen nicht in diesem Pralleluniversum leben. "Sinnlos herumgammeln" - Kauder will Arbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten
Nachtrag, 3.6. :
Kaum Missbrauch beim Arbeitslosengeld II (Sach ich doch!)
Experte nennt Hartz-Streit «skandalös»
Datenschützer kritisieren Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetz
Stimmungsmacher der Hartz-Republik
und auch das noch:
Hartz IV-Software: 28 Millionen Euro Schaden
MMarheinecke - Donnerstag, 1. Juni 2006
Du hältst es für angemessen, dass eine Gesellschaft denen ihren Lebensunterhalt finanziert, die sich erklärtermaßen weigern, selbst etwas dazu beizutragen?
Wenn es keine Gelegenheit dazu gibt, ok. Aber solche Gelegenheiten ablehnen?
Der zweite Punkt ist der offensichtlich beabsichtigte "Strafeffekt" der ALG II-Streichung, zwecks Abschreckung. Sieht man sich die Schwere des "Vergehens" im Vergleich zur Sanktion an, kommt man zu dem Ergebnis, dass "sich Drücken" / versuchter "Sozialbetrug" in der Vorstellung der "Entscheider" aus dem "Paralleluniversum" ein schweres Verbrechen sein muss. (Konsequenter wäre es, Arbeitslager für "Arbeitsscheue" zu fordern; ich nehme an, dass nur naheliegende historische Parallelen verhindern, dass dieser Vorschlag bisher gemacht wurde.)
es gibt noch keinen Standpunkt von mir, dem du Recht geben könntest.
Also siehst du die Lage doch so: Wem dreimal eine Möglichkeit angeboten wurde, etwas zu leisten, es aber trotzdem ablehnt, dem sollen die Leistungen gekürzt werden? Wir reden hier ja nicht über spekulative, sondern über konkrete Angebote.
Über einseitige, also vom Bezieher nicht beeinflussbare Streichungen müsste man natürlich anders diskutieren.
Wie man "das Arbeitslosigkeitsproblem löst", ist, das sei noch erwähnt, eine ganz andere Frage auf einer ganz anderen Ebene, die völlig unabhängig von dem von dir behandelten Kontext ist.