Wie viele starben durch "Tschernobyl"?
In allen 20 Jahren, die seit der Katastrophe im AKW Tschernobyl vergangen sind, gibt es eine Konstante: Es herrscht völlige Verwirrung über die Anzahl der Strahlentoten. Während die IAEA und mit ihr die WHO von insgesamt 4.000 zusätzlichen Krebstoten durch den Reaktorunfall ausgehen, kursieren nach wie vor Schätzungen, die auf 140.000 Tote kommen.
Greenpeace rechnet mit 90.000 Todesopfern durch Tschernobyl
Das ist an sich kein Wunder. Es gibt nämlich zweierlei Wirkungen von radioaktiven Strahlungen: die deterministischen bzw. akuten und die stochastischen bzw. chronischen. Die deterministische Wirkungen sind jene, die sich sicher Einstellen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden, vor allem Verbrennungen und das als "Strahlenkrankheit" bekannte Syndrom. Sie treten innerhalb von Minuten bis zu Tagen nach der Strahlenwirkung auf. Beim Unfall von Tschernobyl starben "nur" 28 Menschen an dieser akuten Strahlenwirkung: im Wesendlichen das dienstuende Reaktorpersonal und einige Katastrophenhelfer der ersten Stunde.
Ganz anders sieht es bei den stochastischen Wirkungen aus, bei Genmutationen, bösartigen Tumoren, Leukämie, und Mißbildungen an Neugeborenen. Für sie gibt es im Prinzip keine Schwellenwerte. Es sind zufällige Wirkungen, bei denen sich im Einzelfall nicht feststellen läßt, ob sie aufgrund der zusätzlichen Strahlung durch den Tschernobyl-Unfall, durch andere künstliche Strahlenquellen (Röntgen, Fallout von Kernwaffenversuchen usw.), natürliche Strahlung, aus anderen Gründen oder "spontan", ohne äußere Ursachen, auftreten. Allein mit epidemiologischen Erhebungen an großen Bevölkerungsgruppen läßt sich Abschätzen, wie viele zusätzliche Schäden durch den Unfall auftraten.
In einige Fällen ist das Ergebnis relativ eindeutig. In den besonders betroffenen Gebieten der Ukraine und Weißrusslands gab es eine dramatische Zunahme der Fälle von Schilddrüsenkrebs, vor allem bei Kindern. In den ersten 10 Jahren nach Tschernobyl wurden mehr als 600 Fälle bei Kindern behandelt, eine fast 100-fache Zunahme. Bei anderen Krebserkrankungen ist das Ergebnis nicht so eindeutig, z. B. bei der Leukämie. So gab es in der hochbelasteten Gomel-Region in den ersten acht Jahren nach dem Unfall 103 Leukamiefälle, in den acht Jahren vor dem Unfall genau 100 Fälle. Es wäre naiv, zu behaupten, es hätte durch die zusätzliche Strahlenbelastung drei zusätzliche Leukämiefälle gegeben. Wegen der natürlichen Schwankungsbreite könnten es auch zwei oder 10 sein - oder es könnte theoretisch sogar einen Rückgang gegeben haben. Beweisen läßt sich das nicht!
In stark belasteten Regionen sind die epidemiologischen Daten anscheinend eindeutig, z. B. stieg in der bereits erwähnten Gomel-Region die Gesamtzahl der Krebserkrankungen in den Jahren 1990 - 2000 um 58 % an. (Alllerdings ist auch diese Zahl mit Vorsicht zu genießen, denn medizinische Untersuchungen waren "auf dem platten Land" vor der Katastrophe nicht gerade häufig, während es nacher aufwändige Reihenuntersuchungen gab, so dass die "Vorher-" und die "Nachher"-Zahlen nicht wirklich vergleichbar sind.)
Hingegen ist in allen weniger stark oder nur schwach belasteten Regionen - z. B. in Deutschland - ein Anstieg der Krebshäufigkeit oder der Krebssterblichkeit nicht nachweisbar. Das heißt, es kann gut sein, dass es bei uns überhaupt keine zusätztlichen Krebstoten durch Tschernobyl gibt - aber theoretisch könnten es auch hunderte sein, die einfach in den Schwankungen der Statistik untergehen.
Deshalb sind alle Angaben darüber, wieviele Menschen bereits infolge der Tschernobyl-Katastrophe gestorben sind und wie viele Menschen insgesamt deshalb sterben werden, grobe Schätzungen, die auf ganz bestimmten Voraussetzungen aufbauen. Die Angaben der IAEA (4000 Tote unter der am meisten belasteten Bevölkerungsgruppe) sind ebenso "seriös" wie Studien, die von 10.000 oder 25.000 Toten ausgehen. Jediglich Horrorzahlen von hunderttausenden Toten können wohl ausgeschlossen werden.
Kommentar in der taz: Tschernobyl-Tote, wie es gerade gefällt
"Tschernobyl" ist mehr als kühle StatistiK. Ein sehr bewegender und teilweise überraschender Bericht aus der Sperrzone um das havarierte AKW in der "Zeit": Es gibt ein Leben nach Tschernobyl
Greenpeace rechnet mit 90.000 Todesopfern durch Tschernobyl
Das ist an sich kein Wunder. Es gibt nämlich zweierlei Wirkungen von radioaktiven Strahlungen: die deterministischen bzw. akuten und die stochastischen bzw. chronischen. Die deterministische Wirkungen sind jene, die sich sicher Einstellen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden, vor allem Verbrennungen und das als "Strahlenkrankheit" bekannte Syndrom. Sie treten innerhalb von Minuten bis zu Tagen nach der Strahlenwirkung auf. Beim Unfall von Tschernobyl starben "nur" 28 Menschen an dieser akuten Strahlenwirkung: im Wesendlichen das dienstuende Reaktorpersonal und einige Katastrophenhelfer der ersten Stunde.
Ganz anders sieht es bei den stochastischen Wirkungen aus, bei Genmutationen, bösartigen Tumoren, Leukämie, und Mißbildungen an Neugeborenen. Für sie gibt es im Prinzip keine Schwellenwerte. Es sind zufällige Wirkungen, bei denen sich im Einzelfall nicht feststellen läßt, ob sie aufgrund der zusätzlichen Strahlung durch den Tschernobyl-Unfall, durch andere künstliche Strahlenquellen (Röntgen, Fallout von Kernwaffenversuchen usw.), natürliche Strahlung, aus anderen Gründen oder "spontan", ohne äußere Ursachen, auftreten. Allein mit epidemiologischen Erhebungen an großen Bevölkerungsgruppen läßt sich Abschätzen, wie viele zusätzliche Schäden durch den Unfall auftraten.
In einige Fällen ist das Ergebnis relativ eindeutig. In den besonders betroffenen Gebieten der Ukraine und Weißrusslands gab es eine dramatische Zunahme der Fälle von Schilddrüsenkrebs, vor allem bei Kindern. In den ersten 10 Jahren nach Tschernobyl wurden mehr als 600 Fälle bei Kindern behandelt, eine fast 100-fache Zunahme. Bei anderen Krebserkrankungen ist das Ergebnis nicht so eindeutig, z. B. bei der Leukämie. So gab es in der hochbelasteten Gomel-Region in den ersten acht Jahren nach dem Unfall 103 Leukamiefälle, in den acht Jahren vor dem Unfall genau 100 Fälle. Es wäre naiv, zu behaupten, es hätte durch die zusätzliche Strahlenbelastung drei zusätzliche Leukämiefälle gegeben. Wegen der natürlichen Schwankungsbreite könnten es auch zwei oder 10 sein - oder es könnte theoretisch sogar einen Rückgang gegeben haben. Beweisen läßt sich das nicht!
In stark belasteten Regionen sind die epidemiologischen Daten anscheinend eindeutig, z. B. stieg in der bereits erwähnten Gomel-Region die Gesamtzahl der Krebserkrankungen in den Jahren 1990 - 2000 um 58 % an. (Alllerdings ist auch diese Zahl mit Vorsicht zu genießen, denn medizinische Untersuchungen waren "auf dem platten Land" vor der Katastrophe nicht gerade häufig, während es nacher aufwändige Reihenuntersuchungen gab, so dass die "Vorher-" und die "Nachher"-Zahlen nicht wirklich vergleichbar sind.)
Hingegen ist in allen weniger stark oder nur schwach belasteten Regionen - z. B. in Deutschland - ein Anstieg der Krebshäufigkeit oder der Krebssterblichkeit nicht nachweisbar. Das heißt, es kann gut sein, dass es bei uns überhaupt keine zusätztlichen Krebstoten durch Tschernobyl gibt - aber theoretisch könnten es auch hunderte sein, die einfach in den Schwankungen der Statistik untergehen.
Deshalb sind alle Angaben darüber, wieviele Menschen bereits infolge der Tschernobyl-Katastrophe gestorben sind und wie viele Menschen insgesamt deshalb sterben werden, grobe Schätzungen, die auf ganz bestimmten Voraussetzungen aufbauen. Die Angaben der IAEA (4000 Tote unter der am meisten belasteten Bevölkerungsgruppe) sind ebenso "seriös" wie Studien, die von 10.000 oder 25.000 Toten ausgehen. Jediglich Horrorzahlen von hunderttausenden Toten können wohl ausgeschlossen werden.
Kommentar in der taz: Tschernobyl-Tote, wie es gerade gefällt
"Tschernobyl" ist mehr als kühle StatistiK. Ein sehr bewegender und teilweise überraschender Bericht aus der Sperrzone um das havarierte AKW in der "Zeit": Es gibt ein Leben nach Tschernobyl
MMarheinecke - Dienstag, 18. April 2006
Welt vor dem Abrund
Das wussten auch die damals Verantwortlichen weshalb sie bewusst Menschenopfer brachten die eigentlich zu Helden wurden weil sie einen noch um viel gewaltigeren Ausstoß an Radioaktivität welcher komplette Weisrussland die Ukraine und halb Europa unbewohnbar gemacht hätte mit aller Anstrengung zu verhindern versuchten und auch mit Erfolg. Diese Frauen und Männer (LiquidatorInnen) haben durch den Einsatz ihres eigenen Lebens zumindest Schadensminimierung wenn nicht sogar die halbe Welt gerettet.
Leider haben sie auch dazu auch notwendigerweise beigetragen das die Atomlobby zynisch davon spricht: "Dass ja alles gar nicht so schlimm war."
Der Unfall von Tschernobyl ist ja wirklich schlimm, aber die Welt wusste gar nicht am welchen Abgrund sie da in Wahrheit standen.