Dienstag, 11. März 2008

... und noch ein Schnüffelgesetz kassiert

Das Bundesverfassungsgericht hat die automatische Erfassung von Autokennzeichen in Hessen und Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt. Der massenhafte Abgleich von Nummerschildern, die etwa an Mautbrücken automatisch erfasst werden, mit Fahndungsdatenbanken sei nicht zulässig. (Zur Erinnerung: in Hessen wurden ca. 1 Million Kennzeichen gescannt, stolze Trefferquote 0,3 Promille, meistens Autobesitzer, die ihre Versicherungsbeiträge nicht gezahlt hatten. Aber immerhin: es sollen auch drei gestohlene Fahrzeuge ins Netz gegangen sein - was in den Augen der Befürworter die Kontrollen voll und ganz rechtfertigte.) Die Gesetze verletzen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung - zum Beispiel könnten mit den gespeicherten Kennzeichen mühelos Bewegungsprofile erstellt werden. tagesschau.de: Kennzeichenerfassung verstößt gegen Grundgesetz.

Allerdings: es gibt noch Einiges zu tun, jedenfalls solange das noch im Raum steht: Die Kennzeichenerfassung kommt trotzdem.

Das BVerfG ist grundsätzlich eher zurückhaltend in seinen Urteilen. Wenn also "auf einmal" eine ganze Reihe Gesetze aus dem Bereich "Innere Sicherheit" glatt verfassungswidrig sind, zeigt das, dass da etwas oberfaul ist - vor allem stimmt es bedenklich, dass diese Gesetze zuvor glatt durch die Parlamente gingen. Was Bände über die Paranoia vieler Sicherheitsexperten und Innenpolitiker (Dr. "Seltsam" Schäuble ist da nur ein Beispiel unter vielen) und die Mentalität des gewöhnlichen Abgeordneten und "Parteisoldaten" verrät.
SPD-Fraktionsfisch
Eine Dose deutsche Parlamentarier (Quelle: selbstgemachtes Foto)

Fairerweise sollte man keine Legenden stricken

Es ist nicht weiter erstaunlich, dass die katholische "Tagespost" über das religionskritische Kinderbuch "Wo bitte gehts zu Gott? frage das kleine Ferkel" nicht erfreut ist und auch am kläglichen Scheitern des Indizierungsantrag einiges auszusetzen hat: Atheisten schüren Angst vor Gott -
Das Buch „Wo bitte gehts zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ ist voller Verachtung gegen Religionen
.
Das sie verärgert sind, sei den Redakteuren der "Tagespost" zugestanden. Es ist auch legitim und nachvollziehbar, wenn sich ein gläubiger Katholik von dem Kinderbuch angegriffen oder beleidigt fühlt.

Wofür ich aber keinerlei Verständnis habe, sind Aussagen, die historisch unhaltbare Legenden verbreiten:
„,Ohne Gott hatten wir keine Angst!‘, sagte der Igel. ,Stimmt!‘, meinte das Ferkel. ,Aber hat dir die Angst gefehlt?‘ ,Nee!‘, antwortete der kleine Igel.“ Fairerweise hätte der Autor darauf hinweisen müssen, dass die Menschen in den ältesten Kulturen nur in Angst lebten und das Christentum diese Angst durch die Liebe Gottes nehmen konnte.
Die Vorstellung, dass die Menschen in den "ältesten Kulturen" in ständiger Angst gelebt hätten, ist absurd. Vielleicht beruht diese Ansicht auf der Vorstellung, Heiden hätten Angst vor dem Tod, da sie nicht auf Erlösung nach dem Tod durch Jesus Christus hoffen können. Nichtchristen sehen das allerdings anders - und der Glaube an die Hölle fördert durchaus die Angst vor dem Tode. Vielleicht beruht sie auch auf dem durch die Bibel genährte Klischee, in den frühen Hochkulturen hätte stets Willkür und Unterdrückung geherrscht - wobei vergessen wird, dass die Bibel diese Kulturen aus der Perspektive einer unterdrückten Minderheit, der der Israeliten, schildert. Auch unterschlägt sie, dass auch die in der Bibel vorteilhaft geschilderten Kulturen, z. B. die der Perser, und nicht zuletzt die Kultur des alten Israel selbst "alte Kulturen" sind. Die Vorstellung, etwa die griechische Komödie oder die römischen Satiren seien aus dem Klima einer allgemeinen Angst entstanden, ist so bizarr, dass sie vermutlich nicht einmal ein katholischer Apologet in Erwägung ziehen würde. Und wäre diese Vorstellung wahr, die ältesten Kulturen hätten nur in Angst gelebt: müssten dann nicht auch alle heutigen nichtchristlichen Kulturen von Angst durchdrungen sein? Wer das glaubt, der glaubt vermutlich auch daran, dass geweihte Priester trockenes Backwerk in menschliches Fleisch und mittelmäßigen Wein in menschliches Blut umwandeln könnten ...
Und auch in einer atheistischen Gesellschaft regiert die Angst, weil niemand mehr vor der Willkür des Staates sicher sein kann.
Wohlwollend ausgedrückt: eine steile These. Wenn das Christentum im Allgemeinen und die katholische Kirche im Besonderen stets an der Seite des unterdrückten Untertanens und nie an der Seite der unterdrückerischen Machthaber gestanden hätte, ließe sich eventuell darüber reden - vorausgesetzt allerdings, es gäbe keine nichtreligiösen Bürgerrechtler, und Aufklärung, Demokratie und Rechtsstaat wären exklusiv christliche Errungenschaften. Und wenn der Satz aus Paulus´Brief an die Römer, dass "jede Obrigkeit von Gott" sei (tatsächlich:jede!), nicht so oft beim Wort genommen worden wäre.
Aber weiter:
Wie intolerant und manipulierend der Atheismus ist, zeigt schon der Schluss des Buchs. Die beiden Tiere reißen das Plakat „Wer Gott nicht kennt, dem fehlt etwas“ von der Wand und basteln Papierflugzeuge daraus. Wer Kindern dieses Buch zumutet, überlässt sie dem kämpferischen Atheismus, der keine freie Meinung zulässt.
Nach den "frommen Lügen", die diesem Schlusssatz vorangingen, entbehrt er nicht einer gewissen Heuchelei.

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