Doping ist systemimmanent

Ralf Meutgens, Fachjournalist für Radsport, sagte 2007 gegenüber Spiegel online
Doping ist systemimmanent, eine Reinigung würde den Austausch nahezu aller im professionellen Radsport agierenden Personen voraussetzen.
Wie hoch ist die Dopingquote im professionellen Radsport - mal so eine "Hausnummer"? Ich vermute, dass die Dopingquote bei 100% liegt - wer nicht "stofft", der braucht erst gar nicht anzutreten. Unterschiede gibt es bei den Methoden und - allenfalls - beim Umfang des Dopings.

Ich hatte auch einmal die Illusion, es handele sich bei dopenden Radsportlern um "schwarze Schafe". Es war ein Kommentar von Köppnick eigentlich zum Thema Super Size me, der mir diese Illusion nahm:
Bei extremen sportlichen Beansprungen wie der Tour de France kann man ohne Anabolika nicht vorn mitfahren. (Das ist keine Behauptung von mir, sondern eine Schlussfolgerung, die vor etwa 10 Jahren, also vor dem Beginn der heutigen Skandale, auf einem Sportmedizinerkongress diskutiert wurde. Möchte man eine saubere Tour de France, muss man die Streckenlängen verringern oder nur jeden zweiten Tag fahren o.ä..
Der Radsport ist dabei nur ein besonders herausragendes Beispiel: inzwischen gehe ich davon aus, dass, bei welcher Sportart auch immer, auf Leistungsebene fast immer "nachgeholfen" wird.

Ein anderes, offensichtliches, Beispiel für eine Sportart, in der selbst im Amateurbereich von flächendeckendem Doping auszugehen ist, ist selbstverständlich Bodybuilding.
Tatsächlich wurde beim Bodybuilding sowohl im Profi- als auch dem Amateurbereich eine hohe Zahl von dopingbedingten Todesfällen wissenschaftlich dokumentiert (Luitpold Kistler: Todesfälle bei Anabolikamissbrauch - Todesursache, Befunde und rechtsmedizinische Aspekte. Dissertation, 2006).
Im Bodybuilding muss man buchstäblich die Augen verschließen, um zu übersehen, in welchen Umfang "gestofft" wird. Man vergleiche nur Fotos von Spitzen-Bodybuildern aus den 1950er Jahren mit solchen jüngeren Datums. Einen anderen Vergleichsmaßstab geben "Natural Bodybuilder", die bewusst auf Doping verzichten (auch wenn ich mir leider ziemlich sicher bin, dass, wenn es nicht gerade um "Roids" (anabole Steroide) geht, selbst dieser Bereich nicht völlig "sauber" sein dürfte).
Beim Bodybuilding ist auch das genetische Limit offensichtlicher als bei anderen Sportarten. Die um die 130 kg der "Mr. Olympia" Teilnehmer - bei einem Körperfettanteil von unter 6 % - liegen z. B. weit außerhalb des genetisch Möglichen. Schon ein 1,70 m großer Athlet mit rund 90 kg in Wettkampfform, also mit einem Körperfettanteil von ca. 4-6%, liegt außerhalb dessen, was ein ausgewachsener Mann selbst bei herausragender Genetik und besten Umfeldbedingungen auf natürliche Weise aus seinem Körper herausholen kann! Ein FFMI (Fettfreier-Masse-Index) über 25 ist nur für genetisch Bevorzugte ohne Doping zu erreichen, ab einem FFMI von 27 kann man sich völlig sicher sein: der Mann "stofft". (Siehe: Natural Bodybuilding - Genetisches Limit). Dieses genetische Limit gilt natürlich auch für andere Sportarten - viele Sportler in Sportarten, in denen viel Muskelkraft bei bei gleichzeitig möglichst geringen Fettanteil nötig ist, dürften sich mit ihrem FFMI deutlich jenseits des genetisch Plausiblem bewegen.

Allerdings ist Bodybuilding in der öffentlichen Wahrnehmung die große Ausnahme, denn grundsätzlich gelten die meisten Sportarten als "sauber" und die überführten Dopingsünder als vereinzelte "schwarze Schafe". Bodybuilding ist der einzige Sport, in dem die veröffentlichten Meinung durchgehend davon ausgeht, das Doping der Regelfall sei.

Bei z. B. Leichtathleten ist Doping nicht so offensichtlich. Es sei denn, es kommt zu so seltsamen Vorgängen wie bei den Olympischen Spielen 2008: Den "WundersprinterInnen aus Jamaica" gelang gleich zwei Mal ein "Asterix-Einlauf". Im Comic Asterix bei den Olympische Spielen spielen Asterix und Miraculix der römischen Mannschaft heimlich Zaubertrank zu. Die mit Zaubertrank gedopten Römer laufen alle gleichzeitig über die Ziellinie. SpOn am 15.08.2008:
Der 200-Meter-Olympiasiebte von Athen kam im zehnten Vorlauf als Vierter in 10,46 Sekunden erst nach Auswertung der Tausendstelsekunden in den Zwischenlauf am gleichen Tag. Dabei waren drei Sprinter auf die Hundertstelsekunde gleich schnell gewesen.
(Hockeys Blog: Asterix in China.)
Gleichzeitige Zieleinläufe können eigentlich nur unterhalb der individuellen Leistungsgrenzen, z. B. im Training vorkommen, bei Wettkämpfen wäre die "der Jackpot im Lotto". Der Grund: das individuelle Leistungsvermögen hängt von so vielen Faktoren ab, dass es praktisch ausgeschlossen ist, dass zwei Läufer, die das Maximum aus ihre Tagesform herausholen, genau gleich schnell sind. Geschweige denn drei. Wenn man aber unter dem Maximum läuft, dann können gleiche Leistungen vorkommen. Und wenn Läufer gar absichtlich langsamer laufen, als sie könnten, dann werden sich die Läufer unwillkürlich in ihrer Geschwindigkeit angleichen. Aber auch in Vorläufen läuft normalerweise keiner "im Schongang", auch wenn die Athleten erst im Endlauf das Letzte aus sich herausholen. Absichtlich langsamer als möglich laufen ist nur möglich, wenn die "Reserven" groß sind.
Ich habe mir den 100-m Lauf von Usain Bolt nochmal in Zeitlupe angesehen. Nach weniger als 6 Sekunden ging er in Führung.
Bei 7,9 Sekunden schaute er bereits um sich und bei 8,0 Sekunden riss er die Arme hoch - noch gut 20 Meter vom Ziel entfernt!
Noch eine Beobachtung: Im Endlauf geben Sprinter normalerweise alles, und sie sind nach dem Endlauf normalerweise fix und fertig, total erschöpft. Bolt wirkte, im Vergleich zu den anderen Läufer, auffällig frisch. Ich vermute, dass er auch auf eine Zeit unter 9,5 Sekunden hätte kommen können - aber solche Leistungsexplosionen machen misstrauisch.
Aber das hat bestimmt mit seiner ganz besonderen Genetik zu tun ... (Es gab da einige Kommentare, die geradezu rassistisch waren - etwa, dass er von Sklaven abstammt, die geradezu auf körperliche Höchstleistung gezüchtet worden wären.) Wenn schon Genetik, dann vermute ich da eher Gen-Doping.

Ein oft übersehenes Problem ist die Grauzone zwischen Versorgung einer Verletzung, dem "Fitspritzen" von verletzten Sportlern und leistungssteigernden Medikamenten: Verletzungen im Fußball: Sportärzte und Hütchenspieler

Doping ist systemimmanent, nicht nur für das System "Leistungssport", sondern für unsere Gesellschaft als Ganzes.
Im Sport wird lediglich das besonders deutlich, was im normalen Berufsleben eher im Verborgenen geschieht: Die Instrumentalisierung und Zurichtung des Menschen für seine Funktion. Und natürlich die geradezu verzweifelte Selbstoptimierung - ob jemand Privatleben, Lebensstil, Freundeskreis usw. einer "normalen" beruflichen Karriere oder der als Leistungssportler unterordnet, ist allenfalls im Ausmaß unterschiedlich, nicht in der dahinter stehenden Mentalität.

Man kann Doping als eine besondere Spielart der Korruption sehen. Korruption ist im "reifen" Kapitalismus markradikaler Bauart (fälschlich "Neoliberalismus" genannt) systemimmanent - es geht nichts mehr auf offene und ehrliche Weise. (Eine genaue Parallele übrigens zum "real existierenden Sozialismus" im Ostblock vor 1989. Der war korrupt bis in die Haarspitzen.) Im "System Doping" ist der Sportler, der "Leistungsträger" nur das letzte, wichtigste, aber durchaus austauschbare Glied einer langen Kette. Funktionäre, Politiker, Lobbyisten, Sponsoren, PR-Manager, Journalisten, Betreuer und Ärzte: Alle wollen am Erfolg teilhaben. Auch die Fans sind Teil des korrupten Systems - wenn niemand sich für Höchstleistungen, die nur mit Doping zu erreichen sind, begeistern könnte, bräche das System zusammen.

Die Versuchung und der Druck, "nachzuhelfen", wird immer größer, im Sport, im Beruf, in der Ausbildung. Die moderne Medizin stellt immer mehr Medikamente und Medizin-Techniken zu Verfügung, die nicht mehr ausschließlich therapeutisch, sondern optimierend auf den Körper und die Psyche einwirken. Das "Enhancement", etwa das "Neuro-Enhancement", ist nichts anderes als Doping. Es ist meiner Ansicht nach grob verharmlosend, wenn etwa der Einsatz von Amphetaminen ("Speed") mit einem starken Kaffee oder einem Glas Club-Mate gleichgesetzt wird, weil auch das ja schon "Selbstoptimierung" sei. Es gibt eine Grenze, und die heißt: "Der Zweck heiligt die Mittel". Wenn es auf die Risiken und Nebenwirkungen der (Arznei-)Mittel nicht mehr ankommt, um den Zweck zu erreichen, ist sie überschritten. (Das kann sogar beim Kaffee passieren, ist aber schwierig. Mit Koffeintabletten ist diese Grenze leichter zu überschreiten. Mit Speed ist es gefährlich einfach, die Grenze zum Raubbau am eigenen Körper zu ignorieren.)
Eine Gefahr bei Doping, auch und gerade dem "Braindoping", ist die über noch über Selbstinstrumentalisierung hinausgehende Selbstverdinglichung. Wer die pharmazeutische oder technische "Verbesserung" seines Körpers und seines Verstandes für gerechtfertigt hält, sieht sich selbst so, als ob er eine Maschine sei.

Es wäre schön, wenn Sport nur noch aus Spaß an der Freude betrieben würde. Ohne Hintergedanken. Klar, Bewegung ist gesund (wenn man's nicht übertreibt), aber schon Sport mit dem alleinigen Zweck der Fitness ist, denke ich, eine traurige Angelegenheit. Vor einigen Jahren behauptete einer dieser "Schluss mit Lustig"-Propagandisten, dass es verfehlt sei, körperliche Betätigung als Spaß zu sehen: niemand würde schließlich erwarten, dass Zähneputzen Spaß bringen sollte. Das täte man allein der Gesundheit zuliebe, und das wäre auch die richtige Einstellung zum Freizeitsport. Anders gesagt: Sport als Training, um Gesundheitsschäden vorzubeugen, und um beruflich leistungsfähiger zu werden. Spaß ist dabei nicht wichtig, im Gegenteil: wer sich jeden Morgen mit viel Willenskraft und zusammengebissenen Zähnen zum Joggen zwingt, würde es richtig machen.
Jari (Gast) - 22. Okt, 17:45

Leistungs- und Disziplinargesellschaft

Doping ist in modernen Gesellschaften systemimmanent, da die funktional-differenzierte Gesellschaft dem Einzelnen seine soziale Stellung nach seiner "Leistung" zuweist. Mit Leistung ist hier gemeint, wie gut jemand im Kontext der Produktivitätssteigerung funktioniert. Wer nicht funktioniert wird mit sozialem Abstieg bestraft, wer funktioniert wird mit sozialem Aufstieg belohnt.
Jeder hat mit Doping die Möglichkeit seine Karriere zu beschleunigen oder die Pflicht zum Doping, um nicht hinter die gedopten Konkurrenten zurückzufallen.
Wer nicht in seine Ausbildung investiert und damit am Arbeitsmarkt an Wert verliert, wird durch sozialen Abstieg bestraft. Wir sind Humankapital - wer nicht funktioniert, ist wertlos.

Das System kennt nur Konkurrenz. Solidarität ist leider nicht systemimmanent.

Köppnick - 24. Okt, 17:05

Man könnte das Doping-"Problem" nur lösen, indem man Doping freigibt. Dann müsste man sich aber von zwei sorgfältig gepflegten Illusionen trennen:
  • Leistungssportler sind ein Vorbild für die Jugend, weil Sport gesund ist.
  • Der sportliche Wettkampf ist ein Modell für den Wettbewerb in der Gesellschaft auf vielen anderen Gebieten.
Besser passt als Analogon zum Leistungssportler der zugedröhnte Künstler, der mit 27 an einer Überdosis stirbt und erst so zur Ikone wird. Für den ist sein Dope am Ende auch die conditio sine qua non.

MMarheinecke - 24. Okt, 17:51

Unlösbares Doping-Problem

Der sportliche Wettkampf ist schon ein Modell (im Sinne eines schlechten Vorbildes) für den Wettbewerb auf vielen anderen Gebieten.
Das Doping-Problem (im Sport) könnte nur gelöst werden, wenn der Hochleistungssport abgeschafft wird. Was ich für utopisch halte. Selbst eine Teillösung, wie im "Natural Bodybuilding", ist im kommerziellen Sport und vor allem in stark mit nationalem Prestige beladenen internationalen Wettbewerben m. E. kaum zu verwirklichen.
Besser passt als Analogon zum Leistungssportler der zugedröhnte Künstler, der mit 27 an einer Überdosis stirbt und erst so zur Ikone wird.
Die Analogie funktioniert nicht. Denn den wenigsten Künstler "werfen was ein", um ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen. (Ausnahme: Speed bei Musikern, die viele Live-Auftritte haben.)
Es gibt Nachwuchssportler, die Dopen, um z. B. so schnell wie Julian Bolt zu laufen oder wie Lance Armstrong zu fahren, aber ich kann mir keinen jungen Gitarristen vorstellen, der meint, unbedingt wie Jimi Hendrix Heroin und LSD nehmen zu müssen, um sein Instrument ähnlich virtuos beherrschen zu können.
Es ist auch strittig, inwieweit früh verstorbene "Ikonen" wie Kurt Cobain (der sich mit einer Schrotflinte erschoss) oder Jim Morrison wirklich "Drogentote" waren. Hendrix' "Drogentod" bestand darin, dass er Alkohol und Schlaftabletten genommen hatte und an seinem Erbrochenen erstickt war. Dass sich ein Künstler den "goldenen Schuss" gibt, kommt eher selten vor. Ich vermute bei vielen früh verstorbenen Künstlern (verdeckten) Suizid, und als Motiv für massiven Drogenkonsum psychische Probleme (im einfachsten Fall: "Sorgen / Depression im Alkohol ersäufen").
Köppnick - 24. Okt, 19:26

Wahrscheinlich hast du mit der Kritik an meiner Analogie Recht. Obwohl ich auch bei den Drogen der Künstler den Druck sehe, dem sie sich ausgesetzt fühlen, und den Wunsch, sich ihm zu entziehen - oder ihm umgekehrt besser gerecht zu werden.

Aber bei deinem von dir selbst als illusorisch bezeichneten Vorschlag, den Hochleistungssport zu verbieten, ist mir ein anderer Vorschlag aus Andreas Eschbachs Buch "Ein König für Deutschland" wieder eingefallen: Die Werbung verbieten, weil sie dazu führt, dass Menschen sich schlechter fühlen. Ihnen wird durch Werbung eingeredet, sie wären nicht glücklich, wenn sie nicht Produkt X besitzen würden. Beides, das Doping im Wettbewerb und die Werbung, sind offenbar intrinsische Merkmale unseres Gesellschaftssystems, nicht abzuschaffen, ohne dieses grundlegend infrage zu stellen.
Sigurd (Gast) - 3. Nov, 20:03

Interessanter Beitrag!

Ich muss da zu aber noch was anmerken. Ich nehme an, daß du von der Materie was verstehst.
Das ist nicht selbstverständlich: selbst Sportreporter haben oft keinen blassen Schimmer. Ich vermute, die wollen einfach keine Ahnung von Doping haben.
Ich betreibe selber Bodybuilding (natural). Über natural BB wissen die wenigsten Bescheid, und über die Medien ist darüber leider wenig zu erfahren. Deshalb bin ich ja froh, daß du keinen kompletten Blödsinn darüber schreibst. Ich muss aber trotzdem da ein paar Kleinigkeiten zurecht rücken.

Ich muß dir leider recht geben, im Bodybuilding wird flächendeckend gedoped. Mit Prozentangaben bin ich immer etwas vorsichtig. Ich würde sagen: die Mehrheit bei nationalen und internationalen Profi-Wettkämpfen ist eindeutig gedopt und man sieht es ihnen ja direkt an, daß die "nachgeholfen" haben. Tragisch finde ich, daß sogar schon bei regionalen und Amateur-Wettkämpfen Dopingmittel (vor allem Anabolika) genommen werden. Oft in Hammer-Dosierungen! (Außer in NBB-Wettbewerben natürlich.) Mit hässlichen Nebenwirkungen, die auch jeder, der zur BB-Szene gehört, kennt. Spricht man die Stoffer darauf an, antworten die einem glatt: "Ich bin Sportler und kein Gesundheitsfreak". Ich weiß schon warum ich diesen Doping-Quatsch nicht mitmache.
Nicht einverstanden bin ich mit deiner Vermutung: wenn es nicht gerade um "Roids" (anabole Steroide) geht, dürfte selbst natural Bodybuilding nicht völlig "sauber" sein. Das stimmt nicht!
Ich kann deine Skepsis verstehen. Denn es gibt so viele Bodybuilding-Champions, die behaupten, sie wären clean und dann doch irgend wann mal einem Doping-Test hängen bleiben.
Erst mal verlassen wir uns nicht nur auf Urintests, sondern alle Wettkampfteilnehmer müssen vorher einen Polygraphentest machen. Damit kann erwischt man auch Dopingfälle, in denen keine Substanzen nachweisbar sind. Silikon-Implantate in den Waden und Ölinjektionen, die locker in die Muskulatur gespritzt werden, können im Urin und auch im Blut nicht festgestellt werden. Wachstumshormone sind, meines Wissens, sogar im Blut nicht nachweisbar. Das steht alles auf unserer schwarzen Liste und wird beim polygraphischen Test mit bestimmten Fragen getestet. Noch ein Vorteil: mit dem Polygraphen kann man im Nachhinnein auch "Kuren" nachweisen, bei denen die Substanzen längst abgebaut sind. Ein Urin-Test beweist nur, daß ein Athlet einige Tage vorher clean war. Bei einem Blut-Test kann man einige Substanzen vielleicht ein Jahr später noch feststellen, das wars dann!
Dann gibt es im Natural Bodybuilding wirklich harte Strafen: beim ersten Mal gleich fünf Jahre Sperre, beim zweiten Mal sogar lebenslänglich. Würde man das zum Beispiel auch im Radsport so halten, wäre sogar der "sauber" zu kriegen!

Dann wäre ich vorsichtig mit der Behauptung, ein FFMI über 25 ist nur für ganz wenige genetisch Bevorzugte ohne Doping zu erreichen. Ganz klar, und da sind wir uns wohl einig: 120 Kilo bei bei 5 % Körperfettanteil und 1,75 m Körpergröße geht einfach nicht! Die meisten Natural Bodybuilder liegen im Wettkampf so zwischen 75 und 90 kg. Diese "Grenze" von einem FFMI von 25 - 26 hat man nämlich so ermittelt: einfach die Fotos von Bodybuilding-Champions aus den 50-Er Jahren genommen, deren Körperfettanteil geschätzt, und gemerkt: bis auf ganz wenige Ausnahmen kamen die nicht über eine FFMI von 25 - 26 hinaus. Wenn du mich fragst: da ist sehr viel Luft für Vermutungen drin. Außerdem haben sich auch die Trainings- und Ernährungsmethoden seit damals verbessert, und vor allem: heute machen sehr viel mehr Leute Bodybuilding als damals. Sagen wir mal, einer unter 10000 hat eine Super-Genetik, die es ihm bei entsprechendem Training möglich macht, auf einen FFMI von über 27 zu kommen. Bei den wenigen Bodybuildern damals ging die Wahrscheinlichkeit tatsächlich gegen Null, daß da viele von der Natur so Begünstigte dabei waren.
Mein bester Wettkampf-FFMI lag bei 26,4. Also wäre ich nach dieser "Grenze" stark dopingverdächtigt. Andere Natural BB liegen mit ihrem FFMI sogar noch höher.
Ich trainiere seit über 20 Jahren. Ich halte eine strikten Ernährungsplan ein. Meine genetischen Voraussetzungen sind gut. Meine Eltern waren beide erfolgreiche Sportler. Meine Schwester ist erfolgreiche Bodybulderin und "natural" bis auf diese komischen Brustimplantate, die sie sich unnötigerweise hat einsetzen lassen ^^. Sogar mein Bruder ist überdurchschnittlich stark, obwohl der praktisch gar nichts dafür tut und seine Bauchmuskeln unter einer soliden Bierwampe versteckt.

MMarheinecke - 4. Nov, 09:56

Polygraphentest

Danke für Deinen ausführlichen und informativen Kommentar!So etwas habe ich als Blogger gerne. :)

Zum Problem: Wie sauber ist Natural Bodybuilding? Es ist mir schon klar: jemand, der massiv anabole Steroide nimmt, wird es wohl nicht wagen, dort anzutreten. Aber kleinere Verstöße gegen die Dopingregeln zu entlarven, oder die von Dir erwähnten unerlaubten Hilfsmittel (Implantate, Injektionen) halte ich trotz Polygraph ("Lügendetektor") für sehr schwierig.
Polygraphen messen keine "Lügen" (daher ist der populäre Begriff "Lügendetektor" falsch) sondern lediglich Veränderungen der körperlichen Erregung, die auf Nervosität oder andere Emotionen zurückzuführen sind.
Es ist daher also möglich, den Polygraphentest zu manipulieren. Ein Trick (bekannt aus Spionage-Romanen, klingt aber sehr plausibel, wenn man den Polygraphen als "Erregungsmesser" sieht): bei den Kontrollfragen die Erregung erhöhen, dann fällt eine Erregungs-Erhöhung beim den ernst gemeinten Fragen nicht auf. Dann: die meisten ernsthaften Sportler (wohl auch Bodybuilder) beherrschen Entspannungstechniken, wie die Progressive Muskelrelaxation - und manchmal dürfte schon eine tiefe Entspannung ausreichen, dass das Polygramm "unauffällig" ist. Außerdem dürften die Fragen beim Dopingtest vorhersehbar sein - also überlegt sich Freund Dopingsünder schon vorher, was er sagen wird und redet sich fest ein, das sei wahr. Kommt die Frage, bleibt er völlig gelassen, und Hautwiderstand, Blutdruck, Pulsfrequenz usw. normal.

Ich kann Deinen Optimismus, mit engen Kontrollen und harten Strafen wäre ein Sport "sauber" zu bekommen, nicht teilen. Dein Zitat: "Ich bin Sportler und kein Gesundheitsfreak" zeigt ja schon, wie weit manche Sportler für den Erfolg zu gehen bereit sind. Das Problem liegt in den Strukturen, im System.

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