Was ist Arbeit?
Abgesehen von eindeutig definierten physikalischen Arbeit ist der Begriff "Arbeit" schwer fassbar. Abstrakte Definitionen, wie die, dass Arbeit das bewusste schöpferische Handeln des Menschen sei, kollidieren mit jedenfalls heftig mit Alltagserfahrungen, die sich in Sprichwörtern wie "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" niederschlagen. (Darauf, dass in diesem Spruch auch ein Stück "protestantische Arbeitsethik" steckt, in dem Arbeit nur dann wirklich "Arbeit" ist, wenn sie auf Selbstüberwindung, Disziplin und Askese beruht, sei nur am Rande verwiesen.) Jedenfalls erscheint auch mir eine Abgrenzung von "Arbeit" zum "reinem Zeitvertreib", "Spiel" und "Erholung" einerseits, und kriminellen Aktivitäten andererseits sinnvoll zu sein. Auch wenn es eher fließende Übergänge als scharfe Grenzen zwischen diesen Aktivitäten gibt.
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist "Arbeit" gleichbedeutend mit "bezahlter Erwerbstätigkeit". Begriffe wie "Arbeitslosigkeit", "Arbeitssuche", "Arbeitsfähigkeit" oder "Arbeitsmarkt" sind nur in diesem Sprachgebrauch sinnvoll. Dass dabei z. B. die unbezahlte Hausarbeit und die Arbeit im Ehrenamt außen vor stünden, ist so oft thematisiert worden, dass ich es nicht weiter ausführen brauche.
Jedenfalls neigt auch die politische Linke dazu, "Arbeit" auf die "Produktionsarbeit" (unter Einschluss allerdings auch unentgeltlicher "produktiver Tätigkeiten") zu beschränken - und sie zugleich, fast wie in der protestantischen Arbeitsethik, weltanschaulich zu überhöhen: Selbstverwirklichung sei nur in der Arbeit möglich, und ein moralisches Leben ist ein arbeitsames Leben. Die Tugend Fleiß (die strenggenommen eine Sekundärtugend ist, also eine abgeleitete Tugend, die nie davon getrennt gesehen werden kann, zu welchem Zweck und aus welchem Grund jemand fleißig ist) wird in dieser Sicht zum moralischen K.O.-Kriterium: wer "faul" ist, ist automatisch ein moralisch schlechter Mensch.
Bei konservativen Sozialdemokraten der "alten Schule" gipfelt das schon mal in Aussprüchen wie dem falsch zitierten biblischen Ausspruch: "Wer nicht arbeitet, der soll nicht essen". Über die Aussage: "Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums und aller Kultur" im Programm der deutschen Arbeiterpartei (der Vorgängerin der SPD), die der Arbeit eine "übernatürliche Schöpferkraft" zuschreibt, mokierte sich schon Karl Marx - was nicht daran ändert, dass solche Ansichten auch bei Marxisten weit verbreitet sind.
In dieser Vorstellungswelt ist ein bedingungsloses Grundeinkommen (auch wenn es in allen mir bekannten Entwürfen nur das Existenzminimum abdeckt) ein Anreiz zur Faulheit und daher moralisch verwerflich.
Im Zusammenhang mit der Entscheidung der Piratenpartei Bundesparteitag in Offenbach für ein bedingungsloses Grundeinkommen" rückt eine andere, zwar nicht neue, aber sinnvolle Auffassung von Arbeit ins Licht einer breiten Öffentlichkeit:
Während die Pflege von Familienangehörigen und auch ehrenamtliche Tätigkeiten wahrscheinlich von einer breiten Mehrheit der Deutschen als "gesellschaftliche nützliche Arbeit" angesehen würde, wage ich sehr zu bezweifeln, dass auch das Werk eines Amateurkünstlers gemeinhin als "gesellschaftlich nützliche Arbeit" angesehen würde.
Interessant wird die Kopplung des Begriffs "Arbeit" an eine, auch großzügig definiert, gesellschaftliche Nützlichkeit, wenn man sie auch einige durchaus gesellschaftliche angesehenen Erwerbstätigkeiten anwendet.
Meiner Ansicht, dass ein berufsmäßiger Spekulant auf der selben Stufe wie ein Berufsspieler stünde, würde wohl noch auf breite Zustimmung stoßen (wobei ich übrigens Spielen um Geld ebenso wie Spekulation für ethisch unproblematisch halte, solange dabei niemand geschädigt wird - aber Arbeit ist es in beiden Fällen nicht, auch wenn einiges Geschick und einige Mühe dazu gehört, gut zu Spielen oder zu Spekulieren).
Die bisher schlechtestes und anstrengenste Erwerbstätigkeit, der ich je nachgegangen bin, nämlich der als "outbound"-telefonierender Call-Center-Agent, sprich, als jemand, der unter einem Vorwand ungefragt Menschen anruft, um ihnen etwas aufzuschwatzen, ist demnach keine Arbeit. Das würden zahllose sich sehr anstrengende Call-Center-Agenten sicher anders sehen, und ich würde mich hüten, dieses Beispiel für "Nicht-Arbeit" zu nennen, wenn ich niemals in einem Call-Center gegen eine erbärmlich schlechte Bezahlung Leute am Telefon übers Ohr gehauen hätte. Meiner Ansicht nach fällt diese Tätigkeit in den Bereich legalisierte Kriminalität.
Ich neige jedenfalls dazu, den alten CDU-Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft" umzudrehen: "Arbeit ist das, was sozial ist".
Ist es Arbeit, wenn ich einen Roman schreibe? In dem Moment, in dem ich ihn veröffentliche: Ja! Und zwar unabhängig davon, ob ich damit Geld verdienen (Erwerbstätigkeit) oder nicht.
Von der Frage, inwieweit der Roman gesellschaftlich nützlich ist, sehe ich bewusst ab - es reicht aus, dass die Leser davon einen Nutzen haben, wenn sie ihn lesen.
Schreibe ich den Roman nur für mein Privatvergnügen bzw. für die viel genannte Schublade, dann ist die Anstrengung des Schreibens keine Arbeit, sondern nur Zeitvertreib.
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist "Arbeit" gleichbedeutend mit "bezahlter Erwerbstätigkeit". Begriffe wie "Arbeitslosigkeit", "Arbeitssuche", "Arbeitsfähigkeit" oder "Arbeitsmarkt" sind nur in diesem Sprachgebrauch sinnvoll. Dass dabei z. B. die unbezahlte Hausarbeit und die Arbeit im Ehrenamt außen vor stünden, ist so oft thematisiert worden, dass ich es nicht weiter ausführen brauche.
Jedenfalls neigt auch die politische Linke dazu, "Arbeit" auf die "Produktionsarbeit" (unter Einschluss allerdings auch unentgeltlicher "produktiver Tätigkeiten") zu beschränken - und sie zugleich, fast wie in der protestantischen Arbeitsethik, weltanschaulich zu überhöhen: Selbstverwirklichung sei nur in der Arbeit möglich, und ein moralisches Leben ist ein arbeitsames Leben. Die Tugend Fleiß (die strenggenommen eine Sekundärtugend ist, also eine abgeleitete Tugend, die nie davon getrennt gesehen werden kann, zu welchem Zweck und aus welchem Grund jemand fleißig ist) wird in dieser Sicht zum moralischen K.O.-Kriterium: wer "faul" ist, ist automatisch ein moralisch schlechter Mensch.
Bei konservativen Sozialdemokraten der "alten Schule" gipfelt das schon mal in Aussprüchen wie dem falsch zitierten biblischen Ausspruch: "Wer nicht arbeitet, der soll nicht essen". Über die Aussage: "Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums und aller Kultur" im Programm der deutschen Arbeiterpartei (der Vorgängerin der SPD), die der Arbeit eine "übernatürliche Schöpferkraft" zuschreibt, mokierte sich schon Karl Marx - was nicht daran ändert, dass solche Ansichten auch bei Marxisten weit verbreitet sind.
In dieser Vorstellungswelt ist ein bedingungsloses Grundeinkommen (auch wenn es in allen mir bekannten Entwürfen nur das Existenzminimum abdeckt) ein Anreiz zur Faulheit und daher moralisch verwerflich.
Im Zusammenhang mit der Entscheidung der Piratenpartei Bundesparteitag in Offenbach für ein bedingungsloses Grundeinkommen" rückt eine andere, zwar nicht neue, aber sinnvolle Auffassung von Arbeit ins Licht einer breiten Öffentlichkeit:
"Wir können uns erstens eine Vollbeschäftigung nicht mehr leisten, und zweitens brauchen wir sie auch nicht mehr", sagte Weisband zur Begründung eines Grundeinkommens für alle. "Wir bezeichnen alles als Arbeit, was für die Gesellschaft nützlich ist." Dazu gehöre auch die Pflege von Familienangehörigen und die Gestaltung von Kunst.Piraten schielen auf Bundestagswahl 2013 (Stern.de)
Während die Pflege von Familienangehörigen und auch ehrenamtliche Tätigkeiten wahrscheinlich von einer breiten Mehrheit der Deutschen als "gesellschaftliche nützliche Arbeit" angesehen würde, wage ich sehr zu bezweifeln, dass auch das Werk eines Amateurkünstlers gemeinhin als "gesellschaftlich nützliche Arbeit" angesehen würde.
Interessant wird die Kopplung des Begriffs "Arbeit" an eine, auch großzügig definiert, gesellschaftliche Nützlichkeit, wenn man sie auch einige durchaus gesellschaftliche angesehenen Erwerbstätigkeiten anwendet.
Meiner Ansicht, dass ein berufsmäßiger Spekulant auf der selben Stufe wie ein Berufsspieler stünde, würde wohl noch auf breite Zustimmung stoßen (wobei ich übrigens Spielen um Geld ebenso wie Spekulation für ethisch unproblematisch halte, solange dabei niemand geschädigt wird - aber Arbeit ist es in beiden Fällen nicht, auch wenn einiges Geschick und einige Mühe dazu gehört, gut zu Spielen oder zu Spekulieren).
Die bisher schlechtestes und anstrengenste Erwerbstätigkeit, der ich je nachgegangen bin, nämlich der als "outbound"-telefonierender Call-Center-Agent, sprich, als jemand, der unter einem Vorwand ungefragt Menschen anruft, um ihnen etwas aufzuschwatzen, ist demnach keine Arbeit. Das würden zahllose sich sehr anstrengende Call-Center-Agenten sicher anders sehen, und ich würde mich hüten, dieses Beispiel für "Nicht-Arbeit" zu nennen, wenn ich niemals in einem Call-Center gegen eine erbärmlich schlechte Bezahlung Leute am Telefon übers Ohr gehauen hätte. Meiner Ansicht nach fällt diese Tätigkeit in den Bereich legalisierte Kriminalität.
Ich neige jedenfalls dazu, den alten CDU-Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft" umzudrehen: "Arbeit ist das, was sozial ist".
Ist es Arbeit, wenn ich einen Roman schreibe? In dem Moment, in dem ich ihn veröffentliche: Ja! Und zwar unabhängig davon, ob ich damit Geld verdienen (Erwerbstätigkeit) oder nicht.
Von der Frage, inwieweit der Roman gesellschaftlich nützlich ist, sehe ich bewusst ab - es reicht aus, dass die Leser davon einen Nutzen haben, wenn sie ihn lesen.
Schreibe ich den Roman nur für mein Privatvergnügen bzw. für die viel genannte Schublade, dann ist die Anstrengung des Schreibens keine Arbeit, sondern nur Zeitvertreib.
MMarheinecke - Sonntag, 4. Dezember 2011
Zwei Anmerkungen
Was ist denn "Nutzen"? Wer zieht "Nutzen" aus Pflege, Erziehung, KInderbetreuung, familiärem und/oder gesellschaftlichem Engagement?
Das Schreiben eines Buches kann - IMHO - auch dem Schreiber "nutzen", selbst wenn es nicht veröffentlicht wird. Und dieser "Nutzen" mag auch über die Person hinaus wirken, oder?
Generell würde ich es begrüßen, wenn man den Faktor "Nutzen" nicht mit Arbeit in Verbindung bringen würde. Ich stelle die Behauptung auf, dass ein markanter Teil der heutigen "Arbeitswelt" überhaupt keinen Nutzen bringt oder hat, außer dem Umstand, dass damit ein bereits völlig marodes System noch eine Weile am Leben erhalten wird.
Zweitens:
Mich würde mal interessieren, wie Spekulation funktionieren soll, ohne dass jemand geschädigt wird. Ich überlege und überlege, aber mir fällt nichts ein....
Nutzen und Arbeit
Wenn ich bei mit Zuhause aufräume, sauber mache und Koche, dann ist diese Hausarbeit keine Arbeit, denn davon habe nur ich etwas. Wenn ich diese Aufgaben innerhalb einer Familie oder einer Lebensgemeinschaft übernehme, dann leiste ich Arbeit (streng genommen abzüglich des Anteils, den ich für mich selbst erbringe).
Für den Diskurs über das bedingungslose Grundeinkommen ist da jedoch nur insofern wichtig, als das getrost davon ausgegangen werden kann, dass praktisch kein Mensch nicht arbeitet, dass also das Argument, dass ein BGE "Faulheit belohnen" würde, wenig stichhaltig ist. Ein Problem beim ALG II ist ja z. B., dass so viel Aufwand betrieben wird, um Missbrauch zu verhindern, dass es rein pragmatisch gesehen günstiger wäre, den vorhandenen Missbrauch (der im Vergleich z. B. zur Steuerhinterziehung gering ist) nicht zu ahnden. Geht man realistischerweise davon aus, dass es nur wenige wirklich stinkfaule Schmarotzer gibt, die gar nichts für Andere leisten, obwohl sie es könnten, dann ist ein BGE dem vorhandenen System der Grundsicherung klar überlegen. (Die "Zusammenlegung" von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe führte übrigens dazu, dass es heute in Deutschland drei Leistungen der Grundsicherung gibt: ALG II, Sozialgeld und Sozialhilfe - laut Sozialgesetzbuch!) Dem stimme ich zu!
Bei Spekulation sehe ich es wie beim Pokern: Es gehört zu den Spielregeln, dass es Verlierer gibt. Es darf aber niemand unfreiwillig zum Mitpokern gezwungen werden, und es darf ein Verlierer nicht existenziell gefährdet werden. Was bedeutet, dass z. B. Nahrungsmittelspekulation völlig unethisch ist, während Wetten auf Kursgewinne an der Börse akzeptabel sind. Jedenfalls solange ein Unternehmen, dessen Manager sich verspekuliert haben, nicht andere, in der Regel den Staat und damit die Steuerzahler, dazu erpressen, für diese Managementfehler einzustehen. Die Möglichkeit einer Bank oder einer Versicherung, den Staat erpressen zu können, nennt man "Systemrelevanz".