Ein im Prinzip guter SpOn-Artikel

Auf Udos Law Blog fand ich einen Hinweis auf den SpOn-Artikel Deutschlands Mitte schrumpft dramatisch - Top-Verdiener legen zu.
Udo Vetter fasste das deprimierende Fazit des Artikel in einem Satz zusammen: "Stabil ist die Lage nur ganz unten".
Wer einmal aus der Mittelschicht "abgestürzt" ist, der hat es schwer, wieder "nach oben" zu kommen. Und es wird immer schwieriger: 66 Prozent der Menschen aus der Unterschicht sind auch vier Jahre später noch "ganz unten". Vor einigen Jahren blieben "nur" 54 Prozent "unten hängen".

Der desillusionierende Artikel hat einen, in meinen Augen, entscheidenden Fehler - nämlich diesen Satz:
Unter dem Druck der Globalisierung hat sich die soziale Lage der Republik sehr viel unvorteilhafter entwickelt als bislang bekannt.
Was mich stört, ist, dass wieder einmal der "Druck der Globalisierung" wie etwas schicksalhaft-unabwendbares von außen kommt. Tatsächlich sind die deutschen Verhältnisse größtenteils "hausgemacht".
Nein, ich will nicht in die Litanei jener einstimmen, die für alles die "Neoliberalen" verantwortlich machen - auch wenn Albrecht Müllers Diagnosen in seinem Bestseller "Die Reformlüge" einiges für sich haben - die Diagnosen, denn seiner Therapie, einer Rückkehr zur keynesianischen Interventionspolitik, traue ich auch nicht über den Weg, weil sie genauso von den Interessen einer Elite gelenkt ist, wie die Rezepte z. B. der INSM.
Egal, ob "staatsgläubig" oder "marktgläubig" - der Weg in die Unfreiheit erscheint vorgezeichnet, aber anders, als ihn sich Hayek seinerzeit vorstellte (obwohl, bei anderer Konstellation, als wir sie z. Z. bei uns haben, seine Befürchtungen immer noch aktuell sind) - in die Unfreiheit eines Neofeudalismus, in dem eine kleine "Elite" und ihre Interessen identisch mit der "Staatsraison" sind.
flatter (Gast) - 3. Mär, 23:44

Amüsant finde ich allerdings die Formulierung: "Deutschlands Mittelschicht erodiert laut SPIEGEL-Informationen in atemberaubendem Tempo". Sogar der Spiegel hat diese Informationen gefunden. Erstaunlich!

Köppnick - 4. Mär, 06:48

Für mich steht ebenfalls nicht fest, dass die Globalisierung zwangsläufig zur Verarmung großer Teile der Bevölkerung führen muss. Die Konsequenzen der jetzigen Entwicklung finden sich in einem weiteren Spiegelartikel, der heute morgen nur zwei Positionen weiter unten steht: Geheimpakt der roten Damen.

Die spannende Frage der nächsten Jahre bis Jahrzehnte ist jetzt für mich, ob Demokratie tatsächlich funktioniert. D.h. ob sich Zustände, die für große Teile der Bevölkerung immer schlechter werden, tatsächlich gewaltfrei ändern lassen.

Ganz offensichtlich sind Teile der alten politischen Klasse nicht in der Lage, funktionierende Konzepte anzubieten - weil sie selbst noch nicht stark genug betroffen sind. Mit Interesse verfolge ich die Änderungen in der Argumentation gegen die Linke. Zuerst war es die SED-Vergangenheit, jetzt ist es Populismus. Das ist der letzte Versuch, sich um die Auseinandersetzung mit den Thesen (und den Konzepten!) zu drücken. Auch diese Frontlinie wird auf Dauer nicht zu halten sein.

blackconti - 4. Mär, 13:44

Nicht die Globalisierung führt zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten, sondern die Gier und der Egoismus der Profiteure und die mangelnde Bereitschaft, oder Kraft, hier regulierend einzugreifen. Geld ist genügend vorhanden, bündelt sich aber mit zunehmender Geschwindigkeit in den Händen einer Minderheit, die letztendlich nicht einmal bereit ist den gesetzlich vorgeschriebenen Anteil an die Gemeinschaft abzuführen.

Gelingt es dem demokratischen Staat nicht schnellstmöglich wieder das Gefühl von Gerechtigkeit herzustellen, von Chancen- aber auch wirtschaftlicher Gerechtigkeit, so gerät das demokratische System in Gefahr. Nicht durch die Linkspartei, welche ja das Unbehagen mit dem momentanen Zustand in demokratische Bahnen kanalisiert, sondern durch die sogenannten Volksparteien, welche mittlerweile von Lobbyisten und Interessenvertretern des Kapitals so durchsetzt sind, dass von dort kaum Vernunft und Augenmaß zu erwarten ist. Allerdings deutet die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der die Frontlinien zur Linkspartei nun fallen, darauf hin, dass zumindest Teile der SPD die Zeichen der Zeit erkannt haben.
MMarheinecke - 4. Mär, 13:00

Was mir gerade auffiel.

Ich beschrieb die uns ins Haus stehende Gesellschaftsform als "neofeudalistisch". Das ist missverständlich, denn ein Feudalsystem beruht auf der Vergabe ("Lehen") von Landbesitz. Tatsächlich werden in der "neuen" Gesellschaftsordnung eher (immaterielle) Privilegien verliehen, statt Land z. B. Verwertungsrechte. Die Analogie zum Feudalsystem ist aber insofern richtig, da in beiden Fällen die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten von der "Gande" der Herrschaftselite abhängt, dass ein informelles Geben-und-Nehmen-Verhältnis gegenüber "regulären" vertraglichen Regelungen vorherrscht und dass die Wirtschaftspolitik "merkantilistisch" auf eine mit den Interessen der Elite identischen "Staatsraison" ausgerichtet ist.

Manfred (Gast) - 7. Mär, 12:57

Ja, Ja - der Udo

Dabei scheint es ihm selbst nicht gut zu gehen: http://zappi.wordpress.com/2007/01/18/der-anwalt-udo-vetter/

MMarheinecke - 7. Mär, 13:04

Ist mir bekannt (gähn!)

Schließlich habe ich Zappi und Udos Law Blog im Feedreader. Und ich habe auch meine Meinung dazu - und auch zum Thema "Großzitate" ohne Urheberangabe, geschweige Zustimmung, vulgo: Contentklau. Abgesehen davon: Was hat das mit dem Thema "Sozialer Abstieg / Erosion der Mittelschicht" zu tun?

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