Nobel, Nobel - oder: Forschung in Deutschland
Ja, ich höre die Häme (die in Deutschland gern für Kritik gehalten wird), dass mit Ertl und Grünberg Männer ausgezeichnet werden, deren preiswürdige Leistungen aus dem "vergangenen Jahrhundert" stammen und deren Erkenntnisse vor allem von asiatischen und amerikanischen Konzernen vermarktet werden.
Allerdings ist es (leider) normal, dass zwischen einer bahnbrechenden Entdeckung und einen für diese Entdeckung verliehenen Nobelpreis mehrere Jahrzehnte vergehen. Und dafür, dass deutsche Unternehmen gerne Chancen "verschlafen" bzw. an ihnen vorbeiplanen, können deutsche Forscher herzlich wenig.
Entgegen einer von interessierten Seite gern verbreiteten Legende zählt der Forschungsstandort Deutschland tatsächlich zur Weltspitze. Der Massenexodus von Spitzenkräften in die USA, der berüchtigte "Brain Drain", wird zwar gerne als Schreckensszenario an die Wand gemalt, wenn es darum geht, die Universitätsausbildung zu "straffen" und (angebliche) Elite-Universitäten zu fordern, aber er ist in dieser Form eine Legende. Ja, es stimmt, dass jährlich tausende deutsche Wissenschaftler in das hochentwickelte Forschungsland USA wechseln. Das ist meines Erachtens aber eher ein Form von Mobilität, vom Austausch von geistigem Potenzial, wenn man so will. Nicht wenige der "Auswanderer" kehren später zurück, wie z. B. die Zahlen der Deutschen Forschungsgemeinschaft belegen, mit Erfahrungen, Know-How und Kontakten, der Frucht der "langjährige Auslandserfahrung". Sie kehren gern zurück, denn auch ohne Elite-Unis ist Deutschland in vielen Bereichen der Naturwissenschaften ausgezeichnet aufgestellt; dank Max-Planck-Gesellschaft, den Fraunhofer-Instituten und der
Helmholtz-Gesellschaft sind Grundlagenforschung und angewandte
Forschung hierzulande gut vernetzt. Es ist außerdem nicht so, dass Deutschland für ausländische Wissenschaftler uninteressant wäre - auch wenn die deutsche Einwanderer-Abwehr-Bürokratie viele Jungforschern abschrecken dürfte.
Also alles im grünen Bereich? Nein! Die
Hochschullandschaft ist in weiten Teilen in einem unübersehbar miesem Zustand; es gibt Bereiche, vor allen in den Geisteswissenschaften, die regelrecht kaputtgespart wurden. Trotz allem Effizienzgerede ersticken Wissenschaftler an den Unis, aber auch an Forschungszentren, in Bürokratie.
Das lässt sich allerdings, wenn man will, reparieren. Schwieriger wird es, wenn es um grundsätzliche Orientierung der Bildung (einschließlich der Schulbildung) geht. Ertl und Grünberg einer Generation an, in der eine breite Grundlagenausbildung noch als selbstverständliche Grundlage für Spitzenleistungen galt. Bis in die 1970er Jahre, als nach konservativen Horrorszenerien die "68er" längst alles mit ihrem "alte Werte" zersetzen Einfluss die Unis unterwandert hatten, galt das unbestritten.
Die "Zersetzung" setzte erst ein, als, politisch gewollt und von Teilen der "Wirtschaft" gefordert, auch im Wissenschaftsbetrieb ein Klima entstand, in dem immer schnellere Ergebnisse gefordert wurden ("Serienreife in drei Jahren oder die Sache ist gestorben!") und wirtschaftliche Anwendbarkeit zunehmend der einzige Maßstab für "gute" Forschung würde. (Wobei: auch bei heute in fast allen Festplatten genutzten, nun nobelpreisgekrönten, GMR, war am Anfang zwar "irgendwie" klar, dass sich damit enorm leistungsfähige Magnetsensoren bauen ließen, aber wie die Anwendungen später aussehen würden - sie stecken auch heute noch in den Anfängen - war ganz und gar nicht klar. Und das erste "verkaufbare" Produkt, die Multi-Gigabyte-Festplatte in kompakter Größe bei günstigem Preis, erforderte fast zehn Jahre Entwicklungsarbeit. So langfristig planen viele Unternehmen gar nicht mehr!)
Unübersehbar ist jedenfalls, dass man in Deutschland kräftig an der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern kürzte. Die Hast, mit der zur Zeit die früheren Diplom- und Magisterstudiengänge an den Universitäten auf Bachelor und Master umgestellt werden, ist auch eine Folge des "raueren" Klimas.
Zurück zum "Brain Drain". Nicht zu übersehen ist, dass man als "fertiger" Wissenschaftler in Deutschland oft keine Gelegenheit bekommt, auch in Deutschland forschen zu "dürfen". Bei den angewandten Wissenschaften und erst recht nicht bei den Ingenieuren ist das kein Problem, es gibt sogar einen nicht zu übersehenden Ingenieurmangel.
Das Problem hier ist, dass man z. B. Physik zwar studieren kann, aber nachher nicht dauerhaft als Physiker arbeiten kann. Physik zu studieren und dann als Programmierer zu arbeiten oder in einer Unternehmensberatung zu landen, ist - krass gesagt - Verschwendung. Dann ist es schon ein "kleineres Übel", ins Ausland zu gehen. Erst recht gilt dieses Problem für die oft übersehenen und gern als "unwichtig" abgetanen Geisteswissenschaften.
Mit anderen Worten wir brauchen nicht "schnell" mehr Wissenschaftler im Land. Sondern gut und breit ausgebildete Wissenschaftler, von Schmalspurdenkern und Fachidioten sind keine bahnbrechende Neuerungen zu erwarten. Und vor allem mehr Stellen für Wissenschafter. Auch und gerade in der "freien Wirtschaft". Womit wir wieder bei den technische Entwicklungen verschlafenden deutschen Großunternehmen wären (der deutsche "Mittelstand" ist erfreulich innovationfreudig, kann sich aber keine aufwändigen Forschungsabteilungen leisten): Forschung, die sich vielleicht erst in vielen Jahren rechnet, gilt als reiner Kostenfaktor. Die, nach dem Grundsatz "klassisch deutscher Holzhammer-BWL" "Wir müssen Kosten abbauen, koste es, was es wolle", dann auch gerne "eingespart" wird.
Allerdings ist es (leider) normal, dass zwischen einer bahnbrechenden Entdeckung und einen für diese Entdeckung verliehenen Nobelpreis mehrere Jahrzehnte vergehen. Und dafür, dass deutsche Unternehmen gerne Chancen "verschlafen" bzw. an ihnen vorbeiplanen, können deutsche Forscher herzlich wenig.
Entgegen einer von interessierten Seite gern verbreiteten Legende zählt der Forschungsstandort Deutschland tatsächlich zur Weltspitze. Der Massenexodus von Spitzenkräften in die USA, der berüchtigte "Brain Drain", wird zwar gerne als Schreckensszenario an die Wand gemalt, wenn es darum geht, die Universitätsausbildung zu "straffen" und (angebliche) Elite-Universitäten zu fordern, aber er ist in dieser Form eine Legende. Ja, es stimmt, dass jährlich tausende deutsche Wissenschaftler in das hochentwickelte Forschungsland USA wechseln. Das ist meines Erachtens aber eher ein Form von Mobilität, vom Austausch von geistigem Potenzial, wenn man so will. Nicht wenige der "Auswanderer" kehren später zurück, wie z. B. die Zahlen der Deutschen Forschungsgemeinschaft belegen, mit Erfahrungen, Know-How und Kontakten, der Frucht der "langjährige Auslandserfahrung". Sie kehren gern zurück, denn auch ohne Elite-Unis ist Deutschland in vielen Bereichen der Naturwissenschaften ausgezeichnet aufgestellt; dank Max-Planck-Gesellschaft, den Fraunhofer-Instituten und der
Helmholtz-Gesellschaft sind Grundlagenforschung und angewandte
Forschung hierzulande gut vernetzt. Es ist außerdem nicht so, dass Deutschland für ausländische Wissenschaftler uninteressant wäre - auch wenn die deutsche Einwanderer-Abwehr-Bürokratie viele Jungforschern abschrecken dürfte.
Also alles im grünen Bereich? Nein! Die
Hochschullandschaft ist in weiten Teilen in einem unübersehbar miesem Zustand; es gibt Bereiche, vor allen in den Geisteswissenschaften, die regelrecht kaputtgespart wurden. Trotz allem Effizienzgerede ersticken Wissenschaftler an den Unis, aber auch an Forschungszentren, in Bürokratie.
Das lässt sich allerdings, wenn man will, reparieren. Schwieriger wird es, wenn es um grundsätzliche Orientierung der Bildung (einschließlich der Schulbildung) geht. Ertl und Grünberg einer Generation an, in der eine breite Grundlagenausbildung noch als selbstverständliche Grundlage für Spitzenleistungen galt. Bis in die 1970er Jahre, als nach konservativen Horrorszenerien die "68er" längst alles mit ihrem "alte Werte" zersetzen Einfluss die Unis unterwandert hatten, galt das unbestritten.
Die "Zersetzung" setzte erst ein, als, politisch gewollt und von Teilen der "Wirtschaft" gefordert, auch im Wissenschaftsbetrieb ein Klima entstand, in dem immer schnellere Ergebnisse gefordert wurden ("Serienreife in drei Jahren oder die Sache ist gestorben!") und wirtschaftliche Anwendbarkeit zunehmend der einzige Maßstab für "gute" Forschung würde. (Wobei: auch bei heute in fast allen Festplatten genutzten, nun nobelpreisgekrönten, GMR, war am Anfang zwar "irgendwie" klar, dass sich damit enorm leistungsfähige Magnetsensoren bauen ließen, aber wie die Anwendungen später aussehen würden - sie stecken auch heute noch in den Anfängen - war ganz und gar nicht klar. Und das erste "verkaufbare" Produkt, die Multi-Gigabyte-Festplatte in kompakter Größe bei günstigem Preis, erforderte fast zehn Jahre Entwicklungsarbeit. So langfristig planen viele Unternehmen gar nicht mehr!)
Unübersehbar ist jedenfalls, dass man in Deutschland kräftig an der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern kürzte. Die Hast, mit der zur Zeit die früheren Diplom- und Magisterstudiengänge an den Universitäten auf Bachelor und Master umgestellt werden, ist auch eine Folge des "raueren" Klimas.
Zurück zum "Brain Drain". Nicht zu übersehen ist, dass man als "fertiger" Wissenschaftler in Deutschland oft keine Gelegenheit bekommt, auch in Deutschland forschen zu "dürfen". Bei den angewandten Wissenschaften und erst recht nicht bei den Ingenieuren ist das kein Problem, es gibt sogar einen nicht zu übersehenden Ingenieurmangel.
Das Problem hier ist, dass man z. B. Physik zwar studieren kann, aber nachher nicht dauerhaft als Physiker arbeiten kann. Physik zu studieren und dann als Programmierer zu arbeiten oder in einer Unternehmensberatung zu landen, ist - krass gesagt - Verschwendung. Dann ist es schon ein "kleineres Übel", ins Ausland zu gehen. Erst recht gilt dieses Problem für die oft übersehenen und gern als "unwichtig" abgetanen Geisteswissenschaften.
Mit anderen Worten wir brauchen nicht "schnell" mehr Wissenschaftler im Land. Sondern gut und breit ausgebildete Wissenschaftler, von Schmalspurdenkern und Fachidioten sind keine bahnbrechende Neuerungen zu erwarten. Und vor allem mehr Stellen für Wissenschafter. Auch und gerade in der "freien Wirtschaft". Womit wir wieder bei den technische Entwicklungen verschlafenden deutschen Großunternehmen wären (der deutsche "Mittelstand" ist erfreulich innovationfreudig, kann sich aber keine aufwändigen Forschungsabteilungen leisten): Forschung, die sich vielleicht erst in vielen Jahren rechnet, gilt als reiner Kostenfaktor. Die, nach dem Grundsatz "klassisch deutscher Holzhammer-BWL" "Wir müssen Kosten abbauen, koste es, was es wolle", dann auch gerne "eingespart" wird.
MMarheinecke - Mittwoch, 10. Oktober 2007
Sehr interessant, und Du beantwortest einige Fragen, die ich mir heute gestellt hatte - und sprichst einige Gedanken aus, die ich mir auch gemacht habe.