Wann endete in Deutschland das Zeitalter der Dampfeisenbahn?
Am 7. Dezember 2010 steht das offizielle Jubiläum "175 Jahre Eisenbahn in Deutschland" an. Dieses Mal etwas heiterer als neulich.
Wie ich in diesem Blog schrieb, ist es schwierig, zu bestimmen, wann das Zeitalter des Segels endete.
Am 7. Dezember 1835 begann offiziell der Betrieb der ersten dampfangetrieben Eisenbahn in "Deutschland" (wenn man den lockeren Staatenbund namens "Deutscher Bund" unbedingt "Deutschland" nennen will). Pferdebahnen und Versuchsbetrieb mit Dampfloks gab es übrigens schon vorher. Schon 1816 wurde von Johann Friedrich Krigar an der Königlich Preußischen Eisengießerei zu Berlin eine betriebsfähige Lokomotive konstruiert, nach dem Vorbild der von John Blenkinsop für die Kohlenbahn Middleton – Leeds konstruierten Maschinen.
Wann endete die "Dampflokzeit" in Deutschland?
Luftpumpe der Bauart Tolkien der Lok 23 042 - Foto: Volkmar Kuhnle
Eine Personenzuglok der Baureihe 23, die 23 105, gebaut bei Arnold Jung und am 2.12.1959 fertiggestellt, war die letzte Dampflokomotive, die von der Deutschen Bundesbahn in Betrieb genommen wurde, und zwar vor genau 51 Jahren, beim Betriebswerk Minden(Westf.) am 7.12.1959. Schon am 18.04.1972 wurde sie wieder außer Dienst gestellt. Am 17. Oktober 2005 wurde sie leider beim Großbrand des Lokomotivschuppens des Verkehrsmuseum Nürnberg schwer beschädigt. Seit Mai 2006 steht sie im Süddeutschen Eisenbahnmuseum in Heilbronn.
Eine Güterzuglok der legendären Baureihe 50, Unterbaureihe 50.40, die 1960 bei LKM gebaute 50 4088, war die letzte Dampflok, die von der Deutschen Reichsbahn der DDR am 1. Januar 1961 in Dienst gestellt wurde. Die 50 4088 war außerdem die letzte Regelspurdampflok, die in Deutschland neu gebaut wurde. Diese Lok ist nicht erhalten.
Die Deutsche Bundesbahn gewöhnte sich, wie es damals in ihrer Werbung hieß, 1977 das Rauchen ab. Am 23. Oktober 1977 fuhr ein Sonderzug von Rheine über Salzbergen, Lingen (Ems), Meppen nach Emden und zurück mit den Loks 042 113-4 und 043 196-5, beides eigentlich Güterzuglolks.
Die 043 196-5, eine Güterzuglok der Baureihe 44, wurde am 26. Oktober 1977 Bw Rheine als letzte Dampflok der DB endgültig abgestellt.
Damit war aber der reguläre Dampfbetrieb - also nicht als Museumsbetrieb - in Westdeutschland noch nicht vorbei. Auf Kohlezechen bleiben viele kleine Tenderloks im Dienst. Erst 1992 wurde der Dampflokbetrieb beim Eschweiler Bergwerksverein in Alsdorf bei Aachen eingestellt. "Feuerlose" Dampfspeicherloks sind übrigens bis heute in feuergefährdeten Ungebungen, etwa Chemiewerken, im Einsatz.
Die Deutsche Reichsbahn der DDR konnte erst 1988 den planmäßigen Dampfbetrieb auf Regelspurgleisen einstellen. Am 29. Oktober 1988 bespannte die Güterzuglok 50 3559-7, eine "50er", zum letzten Mal einen Umlauf Halberstadt–Magdeburg–Thale–Halberstadt als offizielle Abschiedsfahrt.
Die DR hielt allerdings bis Anfang der 1990er Jahre (also auch nach der "Einheit") weiterhin einzelne Normalspurloks als Reserve vor, die auch immer wieder eingesetzt wurden.
Sogar nach der Fusion beider deutscher Staatsbahnen DB und DR zur DB AG Anfang 1994 gab immer noch planmäßige Dampfbespannungen, vornehmlich im Raum Berlin. Auch die DB musste also erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, sich das Rauchen endgültig abzugewöhnen.
Ein rekonstruierte, d. h. umgebaute und modernisierte Güterzuglok der Baureihe 52, die 52 8134 (EDV-Nummer bei der DB AG: 052 134-4) zog am 6.November 1994 den Eilzug 3159 von Rheinsberg nach Berlin-Lichtenberg. Am 13. November 1994 wurde sie außer Dienst gestellt. Damit endete das "reguläre" Dampfzeitalter bei der DB AG.
Aber damit war die "Dampfzeit" noch nicht wirklich vorbei.
Auf einigen Schmalspurbahnen z. B bei der Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB), der Mecklenburgische Bäderbahn (MBB) (der "Molli"), der Rügenschen Kleinbahn ("Rasender Roland"), und vor allem auf den sächsischen Kleinbahnen, etwa der Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft (SDG) oder der Zittauer Schmalspurbahn, sind auch heute noch Dampfloks im fahrplanmäßigen Einsatz. Das sind wohl gemerkt keine Museumsbahnen.
2008/9 baute das Dampflokwerk Meinigen sogar eine neue Schmalspurdampflokomotive der Baureihe 99.32 für die Mecklenburgische Bäderbahn Molli, als erster Dampflokneubau einer regulären Streckenlok in Deutschland seit 1960. (Bis 1988 wurden in Meinigen auch Dampfspeicherloks als Werksloks für die chemische Industrie gefertigt.) (Bericht bei Spiegel online: Bäderbahn Molli erhält neue Dampflok - mit den SpOn-üblichen kleinen Fehlern).
Aber auch auf Regelspur ist die Dampfzeit in Deutschland nicht ganz zu Ende. Viele Museums-Dampflokomotiven sind für den Einsatz auf dem Netz der DB AG zugelassen, einige gehören auch zu privaten kommerziellen Eisenbahnunternehmen.
Diese Dampfloks werden meistens für Sonderfahrten eingesetzt, einige aber sogar auch für reguläre Transportleistungen. Obwohl eine Dampflok normalerweise im Betrieb teurer ist als eine Diesellok, kann sich ein Dampfokeinsatz unter außergewöhnlichen Umständen auch heute noch finanziell rechnen. Das kann der Fall sein, wenn eine Diesellokomotive erst aufwändig überführt werden müsste, und eine Dampflokomotive nahebei verfügbar ist, oder wenn Zugleistungen nur unregelmäßig anfallen, so dass eine angemietete Diesellok lange Zeit stillstehen müsste.
Ein spektakuläres Beispiel: Im Sommer 2010 wurde die Güterzugdampflokomotive 50 3610 der WFL vor Kohlezügen im zwischen Horka und Hoyerswerda eingesetzt. Die Strecke zwischen Horka und Hoyerswerda ist immer noch nicht elektrifiziert, so dass für die vom oberschlesischen Kohlerevier aus Polen kommenden Kohlezüge normalerweise Diesellokomotiven verwendet werden müssen. Diese Züge verkehren nur sehr unregelmäßig, sie werden sozusagen im Fahrplan dazwischengequetscht, weshalb die Lok für längere Zeit vorgehalten werden muss. Das ist bei einer gemieteten Diesellok der erforderlichen Leistungsklasse, die auch auch anderswo eingesetzt werden könnte, während sie in Horka auf den Zug aus Polen wartet, nicht eben billig. Die Dampflokomotive war ohne weiteres verfügbar und konnte auch längere Zeit vor Ort abgestellt bleiben, da sie ja anderswo nicht benötigt wurde.
Hier ein sehr schönes Video, das die alte 50 3610 zusammen mit der nachschiebenden 202 264 der VWL, einer auch fast schon "historischen" mittelschweren Diesellok des Typs V 100, vor einem Kokszug zeigt:
Das Dampflokzeitalter ist also streng genommen noch nicht vorbei.
Wie ich in diesem Blog schrieb, ist es schwierig, zu bestimmen, wann das Zeitalter des Segels endete.
Am 7. Dezember 1835 begann offiziell der Betrieb der ersten dampfangetrieben Eisenbahn in "Deutschland" (wenn man den lockeren Staatenbund namens "Deutscher Bund" unbedingt "Deutschland" nennen will). Pferdebahnen und Versuchsbetrieb mit Dampfloks gab es übrigens schon vorher. Schon 1816 wurde von Johann Friedrich Krigar an der Königlich Preußischen Eisengießerei zu Berlin eine betriebsfähige Lokomotive konstruiert, nach dem Vorbild der von John Blenkinsop für die Kohlenbahn Middleton – Leeds konstruierten Maschinen.
Wann endete die "Dampflokzeit" in Deutschland?
Luftpumpe der Bauart Tolkien der Lok 23 042 - Foto: Volkmar Kuhnle
Eine Personenzuglok der Baureihe 23, die 23 105, gebaut bei Arnold Jung und am 2.12.1959 fertiggestellt, war die letzte Dampflokomotive, die von der Deutschen Bundesbahn in Betrieb genommen wurde, und zwar vor genau 51 Jahren, beim Betriebswerk Minden(Westf.) am 7.12.1959. Schon am 18.04.1972 wurde sie wieder außer Dienst gestellt. Am 17. Oktober 2005 wurde sie leider beim Großbrand des Lokomotivschuppens des Verkehrsmuseum Nürnberg schwer beschädigt. Seit Mai 2006 steht sie im Süddeutschen Eisenbahnmuseum in Heilbronn.
Eine Güterzuglok der legendären Baureihe 50, Unterbaureihe 50.40, die 1960 bei LKM gebaute 50 4088, war die letzte Dampflok, die von der Deutschen Reichsbahn der DDR am 1. Januar 1961 in Dienst gestellt wurde. Die 50 4088 war außerdem die letzte Regelspurdampflok, die in Deutschland neu gebaut wurde. Diese Lok ist nicht erhalten.
Die Deutsche Bundesbahn gewöhnte sich, wie es damals in ihrer Werbung hieß, 1977 das Rauchen ab. Am 23. Oktober 1977 fuhr ein Sonderzug von Rheine über Salzbergen, Lingen (Ems), Meppen nach Emden und zurück mit den Loks 042 113-4 und 043 196-5, beides eigentlich Güterzuglolks.
Die 043 196-5, eine Güterzuglok der Baureihe 44, wurde am 26. Oktober 1977 Bw Rheine als letzte Dampflok der DB endgültig abgestellt.
Damit war aber der reguläre Dampfbetrieb - also nicht als Museumsbetrieb - in Westdeutschland noch nicht vorbei. Auf Kohlezechen bleiben viele kleine Tenderloks im Dienst. Erst 1992 wurde der Dampflokbetrieb beim Eschweiler Bergwerksverein in Alsdorf bei Aachen eingestellt. "Feuerlose" Dampfspeicherloks sind übrigens bis heute in feuergefährdeten Ungebungen, etwa Chemiewerken, im Einsatz.
Die Deutsche Reichsbahn der DDR konnte erst 1988 den planmäßigen Dampfbetrieb auf Regelspurgleisen einstellen. Am 29. Oktober 1988 bespannte die Güterzuglok 50 3559-7, eine "50er", zum letzten Mal einen Umlauf Halberstadt–Magdeburg–Thale–Halberstadt als offizielle Abschiedsfahrt.
Die DR hielt allerdings bis Anfang der 1990er Jahre (also auch nach der "Einheit") weiterhin einzelne Normalspurloks als Reserve vor, die auch immer wieder eingesetzt wurden.
Sogar nach der Fusion beider deutscher Staatsbahnen DB und DR zur DB AG Anfang 1994 gab immer noch planmäßige Dampfbespannungen, vornehmlich im Raum Berlin. Auch die DB musste also erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, sich das Rauchen endgültig abzugewöhnen.
Ein rekonstruierte, d. h. umgebaute und modernisierte Güterzuglok der Baureihe 52, die 52 8134 (EDV-Nummer bei der DB AG: 052 134-4) zog am 6.November 1994 den Eilzug 3159 von Rheinsberg nach Berlin-Lichtenberg. Am 13. November 1994 wurde sie außer Dienst gestellt. Damit endete das "reguläre" Dampfzeitalter bei der DB AG.
Aber damit war die "Dampfzeit" noch nicht wirklich vorbei.
Auf einigen Schmalspurbahnen z. B bei der Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB), der Mecklenburgische Bäderbahn (MBB) (der "Molli"), der Rügenschen Kleinbahn ("Rasender Roland"), und vor allem auf den sächsischen Kleinbahnen, etwa der Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft (SDG) oder der Zittauer Schmalspurbahn, sind auch heute noch Dampfloks im fahrplanmäßigen Einsatz. Das sind wohl gemerkt keine Museumsbahnen.
2008/9 baute das Dampflokwerk Meinigen sogar eine neue Schmalspurdampflokomotive der Baureihe 99.32 für die Mecklenburgische Bäderbahn Molli, als erster Dampflokneubau einer regulären Streckenlok in Deutschland seit 1960. (Bis 1988 wurden in Meinigen auch Dampfspeicherloks als Werksloks für die chemische Industrie gefertigt.) (Bericht bei Spiegel online: Bäderbahn Molli erhält neue Dampflok - mit den SpOn-üblichen kleinen Fehlern).
Aber auch auf Regelspur ist die Dampfzeit in Deutschland nicht ganz zu Ende. Viele Museums-Dampflokomotiven sind für den Einsatz auf dem Netz der DB AG zugelassen, einige gehören auch zu privaten kommerziellen Eisenbahnunternehmen.
Diese Dampfloks werden meistens für Sonderfahrten eingesetzt, einige aber sogar auch für reguläre Transportleistungen. Obwohl eine Dampflok normalerweise im Betrieb teurer ist als eine Diesellok, kann sich ein Dampfokeinsatz unter außergewöhnlichen Umständen auch heute noch finanziell rechnen. Das kann der Fall sein, wenn eine Diesellokomotive erst aufwändig überführt werden müsste, und eine Dampflokomotive nahebei verfügbar ist, oder wenn Zugleistungen nur unregelmäßig anfallen, so dass eine angemietete Diesellok lange Zeit stillstehen müsste.
Ein spektakuläres Beispiel: Im Sommer 2010 wurde die Güterzugdampflokomotive 50 3610 der WFL vor Kohlezügen im zwischen Horka und Hoyerswerda eingesetzt. Die Strecke zwischen Horka und Hoyerswerda ist immer noch nicht elektrifiziert, so dass für die vom oberschlesischen Kohlerevier aus Polen kommenden Kohlezüge normalerweise Diesellokomotiven verwendet werden müssen. Diese Züge verkehren nur sehr unregelmäßig, sie werden sozusagen im Fahrplan dazwischengequetscht, weshalb die Lok für längere Zeit vorgehalten werden muss. Das ist bei einer gemieteten Diesellok der erforderlichen Leistungsklasse, die auch auch anderswo eingesetzt werden könnte, während sie in Horka auf den Zug aus Polen wartet, nicht eben billig. Die Dampflokomotive war ohne weiteres verfügbar und konnte auch längere Zeit vor Ort abgestellt bleiben, da sie ja anderswo nicht benötigt wurde.
Hier ein sehr schönes Video, das die alte 50 3610 zusammen mit der nachschiebenden 202 264 der VWL, einer auch fast schon "historischen" mittelschweren Diesellok des Typs V 100, vor einem Kokszug zeigt:
Das Dampflokzeitalter ist also streng genommen noch nicht vorbei.
MMarheinecke - Dienstag, 7. Dezember 2010
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