Eine Erfindung, die die Welt verändert

Vielleicht wird durch einen technischen Durchbruch der Alptraum aller Geheimdienste bald wahr: eine Verbindung, die aus physikalischen Gründen nicht unbemerkt abgehört werden kann:
Durchbruch in der Quantenkommunikation. Die Quantenkommunikation ermöglicht es, vertrauliche Informationen, z. B. Kreditkartennummern, mit absoluter Sicherheit zu übermitteln. (Genauer gesagt bedient man sich hierzu der Quantenkryptographie.) Will man mithilfe der Quantenmechanik verschlüsselten Daten über große Entfernungen übertragen, muss man der unvermeidbaren Abschwächung des übermittelten Signals entgegenwirken. Deswegen werden zur Herstellung einer Verbindung Zwischenstationen, so genannte Quanten-Repeater, benötigt, die einen speziellen Speicher besitzen. Die bisher mögliche Speicherzeit begrenzte die Kommunikationsdistanz auf wenige Kilometer.

Nun haben Physiker um Professor Jian-Wei Pan von der Universität Heidelberg zusammen mit Kollegen der University of Science and Technology of China und der Technischen Universität (TU) Wien diesen Quantenspeicher so verbessert, dass eine Quantenkommunikation auch über größere Distanzen möglich ist. Die Wissenschaftler erwarten, dass durch die weitere Verbesserung ihres Speichers in den kommenden Jahren die maximalen Übertragungsdistanzen so weit gesteigert werden, dass ein sicheres Kommunikationsnetz mit Quanten-Repeatern für ganz Europa möglich wird.

Welche Konsequenzen ein überall verfügbares, absolut abhörsicheres Kommunikationsnetz haben wird, kann man heute nur vermuten. Schon die allgemein verfügbare, sehr sichere "starke Kryptographie", die Programmen wie PGP zugrundeliegt, bereitet den Behörden Sorgen.
Eine Reaktion auf verschlüsselte Kommunikation ist die
Quellen-Telekommunikations-Überwachung, bei der ein auf dem Computer, mit dem z. B. über Skype telefoniert wird, heimlich ein Programm installiert, welches die Kommunikation vor der Verschlüsselung mitschneidet. Auch der viel diskutierte (und wahrscheinlich technisch nicht realisierbare) "Bundestrojaner" entspringt dem Wunsch, die (praktisch nicht brechbare) Verschlüsselung zu umgehen.
Letzten Endes beruht auch die Quantenkryptographie auf herkömmlichen starken Schlüsselverfahren, beseitigt aber die Schwachstelle: den Schlüsseltausch. Die Sicherheit der verschiedenen Verfahren der Quantenkryptografie entsteht dadurch, dass ein Angreifer, der die Schlüsselübertragung abhört, bemerkt wird. Stellt man fest, dass die Übertragung belauscht wurde, verwirft man den übertragenen Schlüssel und beginnt die Schlüsselerzeugung und -übertragung neu. Auch Man-in-The-Middle-Angriffe, die z. B. beim Online-Banking mittels TAN ein Risiko darstellen, und die - vielleicht - eine Möglichkeit darstellen könnten, Software zur "Online-Überwachung" ohne Wohnungseinbruch zu installieren, können in der Quantenkryptografie ausgeschlossen werden.

Ob die Quantenkryptographie das faktische Ende des Überwachungsstaats bedeutet, oder im Gegenteil die Entwicklung hin zum Polizeistaat beschleunigt, lässt sich leider nicht sagen.

Eines ist aber gewiss: es wird unsere Welt verändern. (Und die Schäubles dieser Welt noch mehr verwirren.)

Noch etwas - nicht die Welt, aber unseren Alltag veränderte diese "kleine" große Erfindung: Vor genau 40 Jahren wurde die
X-Y-Positionsanzeigesteuerung für die Bewegung per Hand über eine beliebige Oberfläche zur Verschiebung eines Positionsanzeigers auf dem Bildschirm
vorgestellt.
Köppnick - 10. Dez, 20:52

Es wird sich tatsächlich etwas ändern. Meine drei Szenarien:
  1. Der Aufwand für alltägliche Anwendungen bleibt auf absehbare Zeit zu groß.
  2. Kommunikation über derartige Kanäle wird technisch unterbunden. Zwar kann man die Störung eines Kanals bemerken, der Zweck der Verbindung, Kommunikation, wird dabei aber sicher verhindert.
  3. Entsprechende Systeme werden verboten. Nicht die mit den Systemen begangenen Verbrechen werden bestraft, sondern die Nutzung der Systeme selbst.
Der Kampf für und gegen solche Systeme wird neue Formen der Kriminalität auf der einen und der Verbrechensbekämpfung auf der anderen Seite hervorbringen. Quantenkryptografie wird die Welt sicher verändern, aber vielleicht nicht zum Besseren.

Wirr-Licht - 11. Dez, 12:19

klassische kryptographie

denke ich (PGP oder ähnliche verfahren) wird wahrscheinlich der standard bleiben

MMarheinecke - 11. Dez, 18:27

Damit hast Du wohl auf absehbare Zeit recht.
Tatsächlich steht heute auch "Normalanwendern" eine Kryptographie zur Verfügung, die für alle praktischen Belange als "unbrechbar" anzusehen ist - man kann rein vom Aufwand her nicht für das "Knacken" etwa einer beschlagnahmten Festplatte jedesmal die Rechenleistung eine Supercomputers über mehrere Monate in Anspruch nehmen (und auch das wäre, wenn der Anwender vorsichtig war, wohl vergeblich). Das könnte sich ändern, wenn z. B. beim BKA ein funktionierender Quantencomputer stünde, der die Arbeit, für die eine Supercomputer herkömmlicher Bauart Jahrhunderte brauchen würde, in akzeptabler Zeit erledigen würde. Allerdings ist Quantenkryptographie einfacher zu realisieren als ein Quantencomputer - womit das "Wettrennen" wieder verloren wäre.

Tatsächlich leben wir real schon lange in einer Welt, in der praktisch unbrechbare Kryptographie längst allgemein verfügbar ist. Nur haben es viele Verantwortliche noch nicht mitbekommen - sonst wären etliche der "Datenklauskandale" nicht möglich gewesen, bzw. wäre es nicht mehr möglich, die Verantwortung auf einfache Call-Center-Mitarbeiter oder irgendwelche bösen Hacker abzuwälzen - und es wäre auch nicht so tragisch, wenn wieder mal ein Mitarbeiter eine CD-ROM oder einen USB-Stick mit sensiblen Daten in der Bahn liegen lässt.
Verbieten lässt sich die starke Kryptographie nicht mehr, dafür ist sie schon zu weit verbreitet. Auch für die Einführung von Systemen mit "Hintertür" ist das "Zeitfenster" schon verstrichen.

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