Samstag, 2. Oktober 2010

Blaualgen produzieren Propangas (als Treibstoff)

Ein Problem bei der Kraftstoffgewinnung aus Biomasse - Bioalkohol, Biodiesel usw. - ist die jämmerlich geringe Ausbeute an Sonnenenergie. Hinzu kommt, dass bei der heute noch üblichen Verfahren sozusagen potenzielle Lebensmittel verbrannt werden - Pflanzenöl oder Zucker, der zu Alkohol vergoren wird. Damit treten Autos in Konkurrenz zur menschliche Ernährung.
Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre es, ausschließlich sekundäre Pflanzenstoffen, z. B. Stroh, für die Energiegewinnung zu nutzen. Aber das wäre nur eine Nischenlösung, die auch ihre Probleme hätte.

Wirklich nachhaltig wäre meiner Ansicht nach Elektromobilität, wobei der Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Darunter verstehe ich übrigens nicht nur Elektroautos. Für eine nachhaltige Volkswirtschaft wäre es sinnvoll, z. B. den Personen- und Güterverkehr weitgehend auf ein engmaschiges, voll elektrifiziertes Schienennetz zu verlagern - ähnlich dem der Schweiz.

Aber es gibt Bereiche, in denen ein Elektroantrieb wegen der verhältnismäßig geringen Energiedichte von Akkumulatoren nicht infrage käme. Im Luftverkehr zum Beispiel. Oder wo er erhebliche Schwächen hätte, beim Autoverkehr über weite Strecken in dünn besiedelten Gegenden zum Beispiel.

Eine interessante Möglichkeit, Propangas (das bekannte "Flüssiggas" für Autos) nicht nur CO2-neutral, sondern sogar CO2 reduzierend zu gewinnen, wäre die direkte Herstellung von Propan mittels Cyanobakterien, besser bekannt als "Blaualgen". "Direkt" heißt, dass die Cyonobakterien mit Hilfe von Sonnenlicht, Wasser und CO2 aus der Luft Propangas erzeugen, während bei indirekten Verfahren die Algen geerntet und fermentiert werden, wobei z. B. Methangas aus der Biomasse gewonnen wird.

Mit dem am 1. Oktober dieses Jahres gestarteten europäischen "DirectFuel"-Projekt soll ein photobiologischer Prozess zur direkten Herstellung von Propan entwickelt werden.
Biologische Energiewandlungsprozesse eignen sich besonders dazu, jene Kohlenwasserstoffe zu gewinnen, mit denen unsere Verbrennungsmotoren laufen. Chemische Syntheseverfahren für Kohlenwasserstoffe sind seit Jahrzehnten bekannt und erprobt, sind aber aufwendig und energieintensiv. Die Cyanobakterien würden weder chemische Fabriken noch, abgesehen vielleicht von Rührwerken, zusätzliche Energie zum Sonnenlicht benötigen.

Die in der Natur vorhandenen Möglichkeiten für diese Umwandlung sind leider begrenzt. Hauptziel des "DirectFuel"-Projekts ist es deshalb, neue metabolische Synthesewege zu konstruieren, die die gewünschten Eigenschaften besitzen. (Es ginge also nicht ohne gentechnisch veränderte Cyanobakterien.)
Propan wurde als ausgewählt, da es bei Raumtemperatur unter normalem Druck gasförmig ist, jedoch mit nur geringem Druck leicht verflüssigt werden kann. Daher kann es als Produkt, das für die Herstellung von Kraftstoff geeignet ist, ohne direkten Eingriff in den biologischen Produktionsprozess "geerntet" werden. Auf alle sonst mit der Gewinnung von Biokraftstoffen verbundenen Extraktionsschritte kann verzichtet werden. Es kann jedoch trotzdem leicht und direkt in einen hochverdichteten Zustand überführt werden.
Propan wird seit mehr als einem halben Jahrhundert als Kraftstoff für Autos verwendet, auch Gasturbinen für Flugzeuge können mit Propan betrieben werden. Auch die Infrastruktur für die Verteilung ist schon vorhanden: In Deutschland gibt es zum Beispiel schon heute mehr als 5.000 Tankstellen, die Flüssiggas anbieten. Der Prozess ist hocheffizient und zur direkten Anwendung geeignet.

Weitere Informationen (auf Englisch):
Cyanolab

DirectFuel

Alarmismus und Konfliktscheu

Wenn ich mir so ansehe, welchen Weg die einstige Protestpartei "Die Grünen" genommen haben - bis zur totaler Rückgratlosigkeit, wie zur Zeit in Hamburg zu besichtigen - da frage ich mich oft, ob dahinter wirklich nur Opportunismus und "Verbürgerlichung" stecken.

In den "guten alten Tagen", vor über 20 Jahren, das zeichneten sich die (deutschen) "Grünen" vor anderen Parteien durch zwei Dinge aus: keiner Partei war so alarmistisch - und keine so harmoniesüchtig. Letzteres stand in einem gewissen Kontrast zu den innerparteilichen Konflikten, die aber, so sah ich es jedenfalls, das Bedürfnis nach Liebe, Freundschaft und Harmonie noch befeuerten.

Irgendwann in den 90ern muss das Streben nach Harmonie in Konfliktscheu umgekippt sein. Es war meiner Ansicht nach eher die Scheu vor der Auseinandersetzung mit dem Koalitionspartner SPD, als der Opportunismus und der Machtinstinkt Joschka Fischers, der zum Bruch mit der pazifistischen Tradition der "Grünen" führte - und zur Zustimmung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Konfliktscheu ist alles andere als Friedensliebe.
Hingegen würde der einstige Alarmismus der "Grünen" mittlerweile gemäßigt wirken, denn seit gut 10 Jahren wird Politik in Deutschland vorzugsweise mit Schreckensszenarien gemacht - mit tatkräftiger Hilfe der Medien. Wobei es keineswegs die größten Gefahren sind, die am meisten Alarmstimmung hervorrufen - eher umgekehrt: seit Jahren gab es keinen Terroranschlag in Deutschland, von einen "Millardengeschäft mit Kinderpornographie im Internet" kann keine Rede sein, die Kriminalitätsrate ist niedriger als in den 90ern, die "demographischen Zwänge" einer "alternden Gesellschaft" sind beim näheren Hinsehen gar nicht so zwangsläufig, wie es gern dargestellt wird, und vieles mehr. Dass andere, reale, Probleme unter den Teppich gekehrt werden, gehört zur Stimmungsmache dazu. In manchen Fällen scheint der Alarmismus sogar dazu da zu sein, von den realen Problemen abzulenken - besonders durchsichtiges Beispiel: angeblich "immer gewaltätiger" werdenden Linksextremisten gegen tatsächlich immer gewalttätig gebliebene Rechtsextremisten.

Im Moment sind die "Grünen" wieder im politischen Aufwind - was, angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung ohne Not das längst "gegessene" Thema "Restlaufzeiten von Kernkraftwerken" reaktivierte - einschließlich "Erkundungen" im Salzstock von Gorleben. Damit reaktivierte sie auch die Anti-Atom-Proteste - von denen die "Grünen" stark profitierten. Fast ohne schrillen Alarmismus übrigens - die Wirklichkeit der merkelschen "Energierevolution" macht Horrorszenarien weitgehend überflüssig.

Dank der geradezu selbstmörderischen Machtpolitik des sich wie ein Diktator aufführenden Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Mappus ist es gar nicht einmal so absurd, sich für 2011 einen "Grünen" Ministerpäsidenten im Südwesten vorzustellen.
Allerdings erwarte ich von einer noch hypothetischen Regierung Özdemir keine Wunder. Der "anatolischer Schwabe" ist nämlich ein klassischer Kompromisskandidat, sogar mit "Migrationshintergrund", ohne nennenswerte Ecken und Kanten. Denkbar schlechte Aussichten für eine Reformpolitik, die diesen Namen verdient.

Noch etwas zum Alarmismus.
Ein älterer, aber nach wie vor aktueller Artikel vom Psychoanalytiker Peter Schneider über zwangsneurotische Marotten, die zunehmend als politische Forderungen daherkommen (aus dem Schweizer "Tagesanzeiger"): Erlaubt ist, was nicht stört - aber alles stört".
Obwohl es heißt, dass das, was in der Schweiz schon als eine heftige Kontroverse gälte, in der Bundesrepublik Deutschland als Schmusestunde durchginge, und das Schweizer Harmoniebedürfnis fast so berühmt ist wie die Banken, das Offiziersmesser, der Käse oder die Schokolade, scheint die Mentalität hinsichtlich des Alarmismus nicht allzu verschieden zu sein:
Mochte man sich in den Sechzigerjahren noch mit Herbert Marcuse Sorgen um die Gefahren einer «repressiven Entsublimierung» - die systemkonforme Entbindung und Zurichtung vormals verbotener Lüste - machen, so stehen wir heute eher vor dem Phänomen einer entsublimierten Repression: um die geradezu neurotische Lust an der Konformität.

Man sagt «Null-Toleranz», und die Augen der Menschen beginnen zu leuchten. Es gibt keine politische Partei unseres Landes, die sich nicht - vor allem in Fragen der Erziehung - an dem Überbiet-Wettbewerb der Etablierung neuer Regelungen und Restriktionen beteiligen würde. Was der minoritären Rechten das Minarett-Verbot, ist der links-liberal-bürgerlichen Mehrheit der gemischte Schwimmunterricht.
Das gilt - unübersehbar - auch für Deutschland.

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