Sonntag, 12. September 2010

Was ist Kreationismus?

Man kann es sich einfach machen und die wikipedia konsultieren: Kreationismus. Darin heißt es:
Der Kreationismus (von lat. creare „erschaffen“) ist die Auffassung, dass die wörtliche Interpretation der Heiligen Schriften der abrahamitischen Religionen (insbesondere 1. Buch Mose) die tatsächliche Entstehung von Leben und Universum beschreibt.
Womit schon einmal deutlich zwei von Kreationisten gern verschleierte Tatsachen ausgesprochen sind:
  1. Kreationismus hängt mit der wörtlichen Interpretation der heiligen Schriften zusammen - dass heißt: es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Kreationismus und Fundamentalismus. Ohne die Bereitschaft, mythologische Texte als naturwissenschaftliche Tatsachen zu betrachten, funktioniert Kreationismus nicht. Das trifft sogar für "weiche" Formen des Kreationismus wie dem "Alte-Erde-Kreationismus" zu.
  2. Es handelt sich um die wörtliche Interpretation der heiligen Schriften der abrahamitische Religionen. Kreationismus (im engeren Sinne) ist tatsächlich eine "Spezialität" der drei großen monotheistischen Religionen.
Intelligent Design ist sozusagen "Kreationismus light" in (pseudo-)wissenschaftlicher Verpackung. Abgesehen davon reduziert sie den im klassischen Kreationismus noch großartigen Schöpfergott auf die Rolle eines Lückenbüßers. I. D. lebt davon, dass es Lücken in der wissenschaftlichen Erkenntnis, zum Beispiel in der neodarwinistischen Evolutionstheorie, gibt. Diese Lücken können, glaubt man I.D.-Anhängern, nur mit dem Wirken eines intelligenten Designers (alias Gott) gefüllt werden,was wiederum die Existenz Gottes (aka eines intelligenten Designers) bewiese. (Wäre ich ein Gott, wäre ich mit dieser Lückenbüßerfunktion ausgesprochen unzufrieden. Außerdem würde mit jeder neuen wissenschaftlichen Erkenntnis mein Zuständigkeitsbereich kleiner. Mal ganz religiös gefragt: was für ein jämmerliches Gottesbild haben I.D.ioten?)

Dieses Video der AG Evolutionsbiologie belegt am Anfang, welche Befunde der Naturwissenschaft den klassischen Kreationismus widerlegen. Sie zeigen dabei auch, auch wenn es wahrscheinlich nicht die Absicht der AG EvoBio war, wie kleinkariert die Gottesvorstellung der klassischen Kreationisten ist: ein Gott wie aus dem Kasperletheater.
Kurz gesagt ist Kreationismus meiner Ansicht nach nicht nur eine schlechte Parodie auf Naturwissenschaft, sondern auch noch erbärmlich schlechte Theologie. (Wie es überhaupt für Fundamentalisten typisch ist, dass sie nicht allzu viel über die eigene Religion wissen.)


Im zweiten Teil werden einige populäre Argumente gegen die Evolutionstheorie entkräftet, die hauptsächlich aus der Feder der kreationistischen Vereinigung "Wort und Wissen" stammend.

Ein Kritikpunkt an diesem informativen Video ist allerdings, dass der zweite Teil auf die Argumente der "Kreationisten light", also I.D-Anhängern abzielt. Da fehlt mir ein Übergang.

Etwas vertieft, auch von der AG EvoBio: Dieses Video geht auf die Argumente des islamischen Kreationisten Harun Yahya ein, die sich auch bei christlichen Evolutionsgegnern finden.
Evolution: Irrtümer und Beweise 1
Irrtum 1: "nur eine Theorie"
Irrtum 2: "Überleben des Stärkeren"
Irrtum 3: "Drang zum Höheren"
Irrtum 4: "Es gibt keine Übergangsformen, und sie müssten Krüppel sein"
Irrtum 5: "Die Evolutionstheorie stützt sich auf Haeckels Fälschungen"
Beweis 1: Verteilung der Fossilien in den Gesteinsschichten.
Beweis 2: Endogene Retroviren
Beweis 3: verkümmerte Organe
Beweis 4: Übergangsfossilien mit "halbfertigen" Organen

Evolution: Irrtümer und Beweise 2
Irrtum 6: "Der Nationalsozialismus war eine Folge der Evolutionslehre"
Irrtum 7: "Fossilien widerlegen die Evolutionslehre"
Irrtum 8: "Die Evolution ist nicht bewiesen"
Irrtum 9: "Irreduzible Komplexität ist ein Problem für die Evolutionstheorie"
Beweis 5: Pseudogen für Vitamin C
Beweis 6: Pseudogene für Geruchsrezeptoren bei Walen

Ergänzung:
Die hervorragende ARTE-Doku über Kreationisten "Von Göttern und Designern" auf YouTube (2008):
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5

Asymetrische Intoleranz

Ein Nebengedanke, verursacht durch den "Zirkus Sarrazini" und die breite Zustimmung, die die nach Sozialdarwinismus und Oberklassen-Arroganz müffelnden "Erklärungsmodelle" offensichtlich erhalten.

Angeblich sind "die Deutschen" (eine, wie alle derartige Verallgemeinerungen, deutlich diskriminierende Formulierung) ja vorschriftengläubig und tun sich schwer damit, sogar offenkundig sinnlose Verbote zu missachten. Ich muss gestehen, dass ich tatsächlich den Eindruck habe, dass viele meiner Landsleute so gestrickt sind (zum Glück gibt es zahlreiche Ausnahmen).
Ich beobachte aber auch, dass die Neigung, z. B.
Verbotsschilder zu beachten, sehr davon abhängt, ob jemand glaubt, zur "Mehrheit" (egal, ob zur zahlenmäßigen Mehrheit, zur "moralischen Mehrheit", zur Mehrheit der "anständigen Leute" usw.) bzw. zu den "Normalen" zu gehören - oder eben nicht.

Als Radfahrer (natürlich meine ich damit: ich fahre mit dem Fahrrad, es gibt ja auch andere) erlebe ich es zwar, dass Radwege zugeparkt sind oder dass Fußgänger erst nach energischem Klingeln den Weg freimachen. Aber im Großen und Ganzen wird respektiert, dass ein Radweg ein für Radfahrer reservierter Weg ist. Ich habe es jedenfalls noch nie erlebt, dass jemand, den ich per Fahrradklingel vom Radweg gescheucht hatte, mir vorwarf, dass die Straße samt Fußweg- und Radweg schließlich allen gehören würde, und nicht nur den Radfahrern.

Etwas anders scheint der Fall bei Reitwegen zu liegen. Eine reitende Freundin erzählte mir, dass mindestens zwei Mal pro Woche Fußgänger, fast immer mit Hund, auf dem Reitweg unterwegs seien. Wenn man sie darauf hinweist, dass ein Reitweg schließlich per amtlichem Schild (weiße Pferdesilhouette auf blauem Grund) für Ross und Reiter reserviert wäre, würden sie "so sicher wie das Amen in der Kirche" herummeckern, dass der Wald schließlich allen gehören würde, nicht nur den Reitern. Wobei in diesem ausgewiesenen Erholungswald stets gut ausgebaute Fußwege parallel zum Reitweg vorhanden sind.

Die Reiterin vermutet, dass die selben Leute sofort per Handy das Ordnungsamt anrufen würden, wenn sie einen Reiter auf dem Fußweg antreffen würden. Was ja nicht grundsätzlich verkehrt ist: Wenn der Reiter jemanden gefährdet, oder wenn er auf stur stellt und uneinsichtig auf dem Fußweg weiterreitet, ist ein Anruf beim Ordnungsamt völlig angemessen - eventuell sogar einer bei der Polizei.

Ein anderes Beispiel sind Menschen, die sich empören und es eklig finden, wenn zwei Männer oder zwei Frauen sich auf "offener Straße" küssen - aber empört wären, wenn sich jemand darüber aufregen würde, wenn sie ihr(e) Ehefrau / Ehemann in der Öffentlichkeit "abknutschen". (Übrigens bin ich nicht schwul.)

Ein weniger mit Fragen der "poltical correctness" behangenes Beispiel: Man vergleiche die Reaktion auf einen mit Badehose Bekleideten am FKK-Strand mit der Reaktion, die ein Nackter am Textilstrand auslöst. Ich habe den Eindruck, dass es erdrückend viel mehr "Badehosensünder" am FKK als "Flitzer" am Textilstrand gibt. (Nein, ich käme nie auf die Idee, nackt an den Textilstrand oder mit Badehose an den FKK zu gehen.)

Natürlich ist das keine deutsche Spezialität. Den größte "Klops" auf dem Gebiet der asymetrischen Toleranz leistet sich zur Zeit die Schweiz. Dem per Volksentscheid beschlossenen Minarettverbot steht (natürlich?) kein Kirchturmbauverbot gegenüber.

Selbstverständlich kenne ich auch rechthaberische, arrogante und rücksichtslose Vertreter von Minderheiten. Das sind meistens Überzeugungstäter, nicht selten mit missionarischem Anspruch - gerade bei religiösen und weltanschaulichen Minderheiten gibt es die unschön häufig. Und es gibt Provokateure: Die meisten "Nackt-am-Textilstrand-Geher" rechne ich zu dieser Gruppe.

Aber das Schema bleibt, dass das Gefühl zur "Mehrheit" zu gehören, "normal" zu sein, dazu verleitet, anderen Menschen Vorschriften zu machen und sogar selbst Verbote zu übertreten.

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