Samstag, 10. Juli 2010

Mehr Heinrich Brüning als Ludwig Erhard

Die notdürftig als Wirtschafts-Öchsperten getarnten Lobbyhanseln von der "Initiative" "neue" "soziale" "Markt-" Wirtschaft (INSM) schlagen mal wieder heftig zu, wie ich von "Weissgarnix" weiß: Die dümmsten Kälber… .

Die Öchsperten von der INSM machen in ihrer Anzeige mit einem Zitat von Ludwig Erhard auf, um für eine in einer noch längst nicht durchgestandenen Krise gefährliche prozyklische Sparpolitik Reklame zu machen:
Jede Ausgabe des Staates beruht auf einem Verzicht des Volkes
Ich habe auf die Schnelle leider nicht herausbekommen, in welchem Kontext Erhard das geäußert hat. Ich vermute, dass der "Vater der sozialen Marktwirtschaft" damit gegen schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme argumentierte. Nur dass die in Deutschland zur Zeit gar nicht auf der Tagesordnung stehen. Erhard war zwar ein in der Wolle gefärbter Marktwirtschaftler, der (vielleicht zurecht) nichts von deficit spending hielt. Aber so viel ich weiß hütete er sich vor einer Spar- und Deflationspolitik, wie sie Heinrich Brüning als Reichskanzler in der Wirtschaftkrise Anfang der 1930er Jahre betrieben hatte. Brüning hoffte, mit einer Politik der Senkung staatlicher Leistungen und der Absenkung von Löhnen und Gehältern den deutschen Export zu erhöhen. Das Dumme war aber, dass auch Deutschlands Handelspartner Sparpolitik betrieben - und deshalb gar nicht importieren konnten. Diese prozyklische Politik - Bremsen, wenn es sowieso schon langsam läuft - scheiterte, sie verschärfte letztlich nur die Wirtschaftskrise in Deutschland, weil die Inlandsnachfrage völlig zusammenbrach. (Und war Wasser auf die Mühlen der Nazis, die, einmal an der Macht, eine Verschuldungspolitik ungeheuren Ausmaßes für die Aufrüstung betrieben.)

Dass das Zitat in dem Kontext, in den den von der INSM gestellt wurde, geradezu perfide ist, hat Weissgarnix überzeugend dargelegt.
Das ist aber just genau das, was die INSM fordert: Dass der Staat sein Ausgaben zurückführt, dass er Schulden tilgt. Dass Einnahmen und Geld verschwinden – bei Lehrern, Krankenschwestern, Beamten, Soldaten, Richtern und Transferleistungsempfängern. Und den ganzen kleinen Klein- und Mittelbetrieben, die auf kommunaler oder Landesebene Arbeiten für die Öffentliche Hand erledigen. Zufällig nicht die Klientel der INSM – too bad.

Besonders perfide an der INSM-Kampagne ist, dass für das vollformatige Foto genau jener Teil des “Volkes” ausgewählt wurde, der in nicht geringem Umfang auf Einkommen aus Staatshand angewiesen ist: Kinder, Kleingewerbler, Bürger mit Migrationshintergrund.
Mir fällt im Zusammenhang mit Erhard und der Sozialen Marktwirtschaft eher ein anderes Zitat ein, der Titel seines populären Buches Wohlstand für alle (1957).

Ich könnte mir glatt vorstellen, dass ein Politiker, der heute als Hauptziel der Wirtschaftspolitik "Wohlstand für alle" nennen würde, von der "neoliberalen" "Initiative" "Neue" "Soziale" "Markt"-Wirtschaft glatt mit Vorwürfen wie "linker Träumer", "Gleichmacher" oder "Ist das gerecht gegenüber den Leistungsträgern?" bedacht würde. "Wohlstand für alle!" - Wo kämen wir denn da hin?!?

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