Montag, 26. Mai 2008

Hexenjagd

Der Bericht auf der Website des "humanistischen Pressedienstes" über eine traurige Realität Hexen- und Zaubererjagd im 21. Jahrhundert beginnt mit bezeichnenden Worten:
Manchmal müssen Journalisten über Ereignisse berichten, die dermaßen unbegreiflich sind, dass sie befürchten, die LeserInnen, ZuhörerInnen oder ZuschauerInnen am Wahrheitsgehalt zweifeln werden.
Ich muss gestehen: mich wundert, angesichts dessen, was ich über die große europäische Hexenverfolgung (nicht etwa im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit) weiß, und was mir über heutige Hexenverfolgungen, vor allem in Indien und in Ost- und Südafrika, bekannt ist, nur eines: Dass es nicht viel häufiger Meldungen dieser Art gibt.

Im Westen Kenias wurden fünfzehn Menschen, Männer und Frauen, ermordet und verbrannt, weil ein "Lynchmob" von ca. 300 Anhängern sie der Hexerei beschuldigte. Ihr "Beweis" für magische Kräfte war eigentlich "nur" eine groteske Vermutung, die allerdings vielen "Beweisen" für Hexerei in der von Wolfgang Behringer herausgegebenen kommentierten Textsammlung "Hexen und Hexenprozesse in Deutschland" zum Verwechseln ähnelt: Die "klugen Kinder" würden durch diese "Hexen" Leute „dumm". Das reichte für das Massaker.
Solche Massaker kommen leider immer wieder vor - mit hoher Dunkelziffer. Wenn sie doch einmal die internationalen Medien erreichen, dann gehen sie erfahrungsgemäß schnell unter.
Es ist allzu billig, hier von "afrikanischem Aberglauben" oder "Hexenwahn" zu sprechen. Der Schritt von einem magischen Weltbild, in dem Schadenzauber für möglich gehalten wird (aber es auch für jeden Schadenzauber einen Gegenzauber gibt), zur Hexenverfolgung ist meines Erachtens weit. (Hierzu verweise ich auf einen Text zum Thema "Hexenverfolgung", die ich für einigen Jahre schrieb: Die Erfindung des Hexereideliktes.)

Ziemlich kurz scheint hingegen der Schritt von der "Hexenverfolgung von unten" zur "Hexenverfolgung von Staats wegen" zu sein. Eine im Volk weit verbreitete Angst vor "Hexerei", der einfache Menschen sich "wehrlos" ausgeliefert fühlen, ein defektes Justizsystem und religiöser Fanatismus der Mächtigen reichen aus.

Dieser Fall aus Saudi-Arabien könnte aus der frühen Neuzeit und aus Behringers Textsammlung stammen:
Im Februar diesen Jahres verbreitete die BBC die Hintergründe eines schier unfassbaren Gerichtsurteils in Saudi-Arabien. Fawza Fahil, eine geschiedene 35-jährige Frau hatte in ihrem Haus einen Bindfaden mit sieben Knoten, ein geschlachtetes Huhn und einen impotenten Nachbarn. Der potenzgestörte Mann rief daraufhin die Religionspolizei weil er behauptete, die Frau habe ihn durch „Magie" seiner Manneskraft beraubt. Frau Fahil wurde daraufhin zum Tode durch Enthaupten verurteilt. Das Gerichtsurteil ist durch alle Instanzen bestätigt worden. Letzter Hoffnungsschimmer ist eine Begnadigung durch König Abdullah.
Zur Erinnerung, weil es von unseren Politikern und unseren Medien ungern ausgesprochen wird: Saudi Arabien ist eine absolute Monarchie, in der König Abdullah eine Machtfülle genießt, von der "Sonnenkönig" Louis XIV. nur träumen konnte. Entsprechend finster sieht es mit den Menschenrechten aus. Aber Saudi Arabien hat, im Gegensatz zu anderen notorischen Unrechtsstaaten, wie Nordkorea und Myanmar, gewaltige Erdölvorkommen.
Nicht "typisch frühneuzeitlich", sondern typisch frühes 21. Jahrhundert ist, wie der "Fall" im "aufgeklärten Westen" behandelt wird:
Kritiker sprechen von einem „akribisch geplanten Justizmord". Der Menschenrechtsbeauftragte der Partei DIE LINKEN im Bundestag, Michael Leutert, hat sich der Sache angenommen - viel Hoffnung hat er jedoch auch nicht. Besonders traurig ist: nicht ein einziges Land der EU, die fortwährend über Menschenrechte und deren Einhaltung spricht, hat Frau Fahil Asyl angeboten. Genutzt hätte es wahrscheinlich ohnehin nicht viel. Dem Nachrichtensender n-tv gegenüber sagte ein Sprecher der saudischen Botschaft in Berlin, man lehne eine solche „Einmischung in innere Angelegenheiten" kategorisch ab.
Abgesehen vom Opportunismus gilt in solchen Fällen das Prinzip "was nicht sein darf, kann nicht wahr sein".

Nur am Rande: Ein Prinzip, aus dem auch z. B. ein offen verfassungswidriger Vorschlag eines CDU-Vorstandsmitgliedes medial zu einer Art "Dummenjungenstreich" wird Die CDU, ein dummer Bengel und das Klassenwahlrecht - wohl, weil ernst gemeinte und ernst zu nehmenden offen verfassungswidriger Vorschläge gefälligst nur von der NPD gemacht zu werden haben. Oder äußerstenfalls noch, wenn es nach einige Rechts"liberalen" und Rechts"konservativen" geht, von den LINKEN.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Geheimauftrag MARIA STUART...
Krisenfall Meuterei Der dritte Roman der Reihe "Geheimauftrag...
MMarheinecke - 9. Apr, 19:42
Urlaubs-... Bräune
Das "Coppertone Girl", Symbol der Sonnenkosmetik-Marke...
MMarheinecke - 1. Aug, 08:34
Geheimauftrag MARIA STUART...
Ahoi, gerade frisch mit dem Postschiff eingetoffen. Der...
MMarheinecke - 26. Mär, 06:48
Kleine Korrektur. Man...
Kleine Korrektur. Man kann/sollte versuchen die Brille...
creezy - 11. Nov, 11:29
strukturell antisemitisch
Inhaltlich stimme ich Deinem Text zwar zu, aber den...
dummerle - 5. Jun, 11:12

Suche

 

Status

Online seit 7045 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


doof-aber-gut
Gedankenfutter
Geschichte
Geschichte der Technik
Hartz IV
Kulturelles
Medien, Lobby & PR
Medizin
Persönliches
Politisches
Religion, Magie, Mythen
Überwachungsgesellschaft
Umwelt
Wirtschaft
Wissenschaft & Technik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren