Donnerstag, 10. Januar 2008

"Willst du wer sein und weißt nicht wie? Probier's doch einfach mit Magie!"

Bei einer bestimmten, bisher von mir erfolgreich ignorierten Fernsehshow namens “The next Uri Geller - Unglaubliche Phänomene live” fallen mir die beiden obenstehenden Zeilen aus dem Song Aus dem prallen Heidenleben ein. Allerdings geht es bei der ProSieben-Show nicht um ichschwache oder gößenwahnsinnige (oder aus Ichschwäche größenwahnsinnige) Neuheiden, oder sich erfolgreich am Leben vorbeimeditierende esobärmliche Esoteriker, sondern um Uri Geller und Menschen, die es ihm gleichtun wollen.

Uri Geller ist für mich eine eher erbärmliche Figur. Jemand, der Gabeln biegt und dabei lügt, dass sich die Balken biegen.
Wie seine Tricks funktionieren, kann man bei der GWUP nachlesen:
Uri Geller: Showman oder PSI-Wunder? Zwar ist meiner Ansicht nach bei manchen skeptischen Ansichten, die bei der GWUP vertreten werden, etwas Skepsis angebracht, aber Gellers Magie ist längst als fauler Zauber entlarvt: Er wurde mehrfach beim Tricksen ertappt.
Die meisten der aufgeführten Tricks lassen sich mit etwas Übung gut nachahmen. Das soll aber keine Ermutigung sein bei leichtgläubigen Zeitgenossen als "Wundertäter" zu posieren, besser eignen sich Zauberkunststückchen dieser Art für Parties, Betriebsfeiern, Kindergeburtstage. Wo niemand auf die Idee käme, man hätte auf einmal wirklich "paranormale" Fähigkeiten.

Wäre Geller nun einfach nur "Showman", ein etwas unkonventioneller Bühnenmagier - es wäre nicht weiter der Rede wert. Wäre er aber jemand, der wirklich glauben würde, er hätte an sich paranormale oder magische Fähigkeiten entdeckt, hätte er seine Show nicht unverändert über 30 Jahre durchgezogen.
Was Gellers zum Ärgernis macht, ist, dass er behauptet, "gottgegebene Fähigkeiten" paranormaler Art zu haben.

Nun wil Uri Geller also den verbogenen Löffel abgeben. Gut, soll er machen. Es ist sogar wahrscheinlich, dass er während der zehnteiligen Show einen Nachfolger findet, der sowohl ein besserer Trickkünstler als auch ein besserer Showman ist, denn auf beiden Gebieten ist er nicht gerade Weltklasse. Seinen Erfolg verdankt er seiner Dreistigkeit - und dem faulen Zauber eines Medienbetriebs, in dem kritische Fragen offensichtlich dann tabu sind, wenn sie eine quotenträchtige "Sensation" stören könnten. Das ist kein neues Phänomen und auch keins, das auf das Privatfernsehen beschränkt ist - Geller hatte den ersten seiner stets von kritischen Fragen unbehelligten deutschen Fernsehauftritte vor 30 Jahren im ZDF.

ProSieben legt noch etwas angewandte Scharlatanerie drauf. In der auf dem selben Sender laufenden "Galileo Mistery" Sendung über "Geister und Gespenster - Was steckt hinter dem Spuk?" (Erstsendung am 4. Januar) werden zunächst einige Spuk-Geschichten entlarvt bzw. wissenschaftlich erklärt. So weit, so gut. Dann, kurz vor dem Ende, wird für fliegende Gegenstände einfach die "Erklärung" Psychokinese bzw. Telekinese und Uri Geller als "Experte" herangezogen. Da der eigentliche Experte der Sendung, der Parapsychologe Walter von Lucadou, die Möglichkeit der Telekinese "nicht ausschließen" will, und der sonstige Eindruck der Sendung sehr rational ist, entsteht beim Zuschauer der Eindruck, an Gellers Kunststücken sei doch "was dran". Wobei in diesem Zusammenhang "ich kann Psychokinese nicht ausschließen" in etwa bedeuten dürfte: "ich habe auch keine Ahnung, was da passiert".

Bei mir entsteht eher Übelkeit, denn bei dieser Form der "Cross-Promotion" bleibt die journalistische Sorgfalt völlig auf der Strecke. (Und ein schaler Nachgeschmack, denn bisher hätte ich nicht gedacht, dass sich "Geisterjäger" von Lucadou für solche "Spielchen" hergibt.) Klar ist: Geller hat offensichtlich eine tiefliegende Abneigung gegen aufmerksame Beobachter und kritische Fragen, also sorgt man, wie einst beim "Großen Preis" und später bei Jauch, für ein unkritisch-staunendes Umfeld.
Mag sein, dass es immer Leichtgläubige gibt, die sich von Typen wie Geller gern hinters Licht führen lassen. Das ist nicht das Problem. Das Problem sind Gellers Helfer, die bei der Zuschauerverdummung mitmachen.

Wer mich näher kennt, der weiß vielleicht, dass ich es auch mit der "Magie" habe, womit ich keine Zauberkunststücke meine. Wie geht das damit zusammen, dass ich nichts von Ritualmagiern mit Fantasietiteln, Liebeszauber-Verkäuferinnen, Kommerz-Hexen, Plastikschamanen und Psi-Kräfte-Vortäuschern halte? Dass mir Magie-Paranoiker, die sich ständig magisch angegriffen fühlen, nur leid tun - es sei denn, sie gehen mir zu sehr mit ihren Geistern auf den Geist?

Ich kann an dieser Stelle versichern, dass es gut geht. Mehr später, in diesem Blog.

Nachtrag: Richtig gruselig wirds bei der Onlineausgabe des Nachrichtencomicsmagazins "Focus": Uri Geller - Der Löffelsammler.
"FOCUS Online: Und später beschlossen Sie, aus Ihren transformierenden Kräften eine Karriere zu machen?"
Ja, ja, so geht "kritischer Qualitätsjournalismus"!

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