Mythische Politik
Nach einem sarkastischen Ausspruch werden Politiker vom Volk gewählt, um Probleme zu lösen, die das Volk ohne Politiker gar nicht hätte.
Dass es sich beim Wahlkampfgetöse um die "Harte Hand" gegen "Jugendliche Gewalttäter" um "brutalstmöglichen Populismus" handelt, dürfte inzwischen bei Allen, die sich nicht nur aus der "Bild" informieren, angekommen sein. Trotzdem stärkt die CDU, bis hinauf zur Kanzlerin, dem Wahlkämpfer Koch den Rücken.
Warum? Weil ein Politiker, der verspricht, gegen eine allgemein gehasste Tätergruppe "hart durchzugreifen", automatisch den Zuspruch eines großen Teils der Bevölkerung erhält. Was nicht (nur) daran liegt, dass der "autoritäre Persönlichkeitstyp" in Deutschland besonders verbreitet wäre.
In den USA hat sich schon lange herausgestellt, dass ein Politiker, der verspricht "Tough on Crime" zu sein, vor allem ansonsten wenig an Politik interessierte Wähler an die die Urnen treibt. Bei notorisch geringer Wahlbeteiligung - ein Dauerproblem in den USA und ein wachsendes Problem in Deutschland - ist der "Angstpopulismus" bzw. "Hasspopulismus" tatsächlich ein "gutes" Rezept zum Machterwerb und Machterhalt. Es ist vor allem der großzügigen Anwendung dieses "Patentrezepts" zu "verdanken", dass die USA inzwischen Weltrekordhalter beim Verhängen von Haftstrafen sind und fragwürdige Einrichtungen wie "Boot Camps" für jugendliche Straftäter in manchen Bundesstaaten flächendeckend anzutreffen sind.
Warum Angst- bzw. Hasspopulismus funktioniert, erläutere ich mal am Beispiel eines Sexualmordes an einem Kind. Dieses Verbrechen erregt bei einem moralisch halbwegs "normalen" Menschen unweigerlich tiefe Abscheu - und ganz intuitiv, aus dem "Bauch heraus" den Impuls nach Vergeltung. Es erfordert ein großen Ausmaß an moralischer Anstrengung, an Vernunft, an geistiger Reife, auf "Rache" zugunsten eines an zivilisierteren moralischen Normen orientierten Verhaltens zu verzichten - was ganz einfach damit beginnt, dass auch für einen dringend Tatverdächtigen die Unschuldsvermutung gilt, oder das der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" auch in solchen Fällen gilt.
Es ist anstrengend, bei bestimmten Verbrechen einen kühlen Kopf zu behalten. Primitiven Rachegelüsten zu folgen, fällt dagegen leicht. Deshalb ist es relativ einfach (da nehme ich mich nicht aus) an solche "niederen Instinkte" zu appellieren.
Politiker wie Koch appellieren also an einen uralten Mythos: den der gerechten Vergeltung. Sie appellieren auch an ein uraltes Verhaltensschema: in Zeiten der Gefahr scharrt sich die Horde um den Anführer. Weshalb ein Politiker dieses Typus alles tun wird, um Angst zu verbreiten und um Feindbilder zu konstruieren. (Mögen sie auch so virtuell sein wie das vor einigen Wochen von Koch angekündigte Burka-Verbot zugrunde liegende. Bisher wurde an hessischen Schulen noch nie eine Schülerin im Ganzkörperschleier gesichtet.)
Hinzu kommt ein geschichtlich gesehen relativ moderner Mythos: der Glaube an die Abschreckung durch harte Strafen.
Nicht zu vergessen ist der Aspekt, dass die Mehrheit der Hass- und Angstpopulisten keineswegs kühl kalkulierende Machtmenschen sind. Sie werden selbst von Angst und Hass getrieben, wenn auch nicht unbedingt von den selben Ängsten und tiefen Abneigungen, an die sie beim Wahlvolk appellieren.
Weil der Appell an den "inneren Schweinehund" so einfach und, da er auf tiefe Schichten unserer Psyche zielt, so wirksam ist, stellt er eine große "inheränte" Gefahr für die Demokratie dar. Demokratie ist, daran sei erinnert, etwas anderes eine Herrschaft, die die Zustimmung einer Bevölkerungsmehrheit genießt. Hitler genoss zwischen 1936 und 1942 die uneingeschränkte Unterstützung einer überwältigenden Mehrheit der Deutschen - und Stalin ist im heutigen Russland immer noch extrem populär.
Es gibt aber noch einen anderen Grund, weshalb gesetzgeberischer Aktionismus bei Politikern und bei nicht wenigen Wählern so beliebt ist: er simuliert Handlungsfähigkeit. Auf vielen Problemfeldern kann "die Politik" wenig ausrichten, zumindest nicht kurzfristig. Ein wirkungsloses (oder gar kontraproduktives) Gesetz zu verabschieden, zeigt dem Wähler: "Wir tuen was" - und signalisiert dem politischen Entscheider, dass er wirklich etwas zu entscheiden hat.
Ein aktuelles Beispiel, aus faz.net: Kampf gegen ein Phantom.
Das Beispiel der Umweltzonen ist auch in andere Hinsicht ein gutes Beispiel: Vielen ihrer Befürworter haben ein anderes, meiner Ansicht nach sinnvolles, aber wahrscheinlich unpopuläres, Ziel auf der Agenda: das Auto als Verkehrsmittel möglichst ganz aus den Innenstädten zu verdrängen. So ein Ziel über den "Verstand" zu vermitteln ist schwierig. Einfacher geht es über Angst.
Dass es sich beim Wahlkampfgetöse um die "Harte Hand" gegen "Jugendliche Gewalttäter" um "brutalstmöglichen Populismus" handelt, dürfte inzwischen bei Allen, die sich nicht nur aus der "Bild" informieren, angekommen sein. Trotzdem stärkt die CDU, bis hinauf zur Kanzlerin, dem Wahlkämpfer Koch den Rücken.
Warum? Weil ein Politiker, der verspricht, gegen eine allgemein gehasste Tätergruppe "hart durchzugreifen", automatisch den Zuspruch eines großen Teils der Bevölkerung erhält. Was nicht (nur) daran liegt, dass der "autoritäre Persönlichkeitstyp" in Deutschland besonders verbreitet wäre.
In den USA hat sich schon lange herausgestellt, dass ein Politiker, der verspricht "Tough on Crime" zu sein, vor allem ansonsten wenig an Politik interessierte Wähler an die die Urnen treibt. Bei notorisch geringer Wahlbeteiligung - ein Dauerproblem in den USA und ein wachsendes Problem in Deutschland - ist der "Angstpopulismus" bzw. "Hasspopulismus" tatsächlich ein "gutes" Rezept zum Machterwerb und Machterhalt. Es ist vor allem der großzügigen Anwendung dieses "Patentrezepts" zu "verdanken", dass die USA inzwischen Weltrekordhalter beim Verhängen von Haftstrafen sind und fragwürdige Einrichtungen wie "Boot Camps" für jugendliche Straftäter in manchen Bundesstaaten flächendeckend anzutreffen sind.
Warum Angst- bzw. Hasspopulismus funktioniert, erläutere ich mal am Beispiel eines Sexualmordes an einem Kind. Dieses Verbrechen erregt bei einem moralisch halbwegs "normalen" Menschen unweigerlich tiefe Abscheu - und ganz intuitiv, aus dem "Bauch heraus" den Impuls nach Vergeltung. Es erfordert ein großen Ausmaß an moralischer Anstrengung, an Vernunft, an geistiger Reife, auf "Rache" zugunsten eines an zivilisierteren moralischen Normen orientierten Verhaltens zu verzichten - was ganz einfach damit beginnt, dass auch für einen dringend Tatverdächtigen die Unschuldsvermutung gilt, oder das der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" auch in solchen Fällen gilt.
Es ist anstrengend, bei bestimmten Verbrechen einen kühlen Kopf zu behalten. Primitiven Rachegelüsten zu folgen, fällt dagegen leicht. Deshalb ist es relativ einfach (da nehme ich mich nicht aus) an solche "niederen Instinkte" zu appellieren.
Politiker wie Koch appellieren also an einen uralten Mythos: den der gerechten Vergeltung. Sie appellieren auch an ein uraltes Verhaltensschema: in Zeiten der Gefahr scharrt sich die Horde um den Anführer. Weshalb ein Politiker dieses Typus alles tun wird, um Angst zu verbreiten und um Feindbilder zu konstruieren. (Mögen sie auch so virtuell sein wie das vor einigen Wochen von Koch angekündigte Burka-Verbot zugrunde liegende. Bisher wurde an hessischen Schulen noch nie eine Schülerin im Ganzkörperschleier gesichtet.)
Hinzu kommt ein geschichtlich gesehen relativ moderner Mythos: der Glaube an die Abschreckung durch harte Strafen.
Nicht zu vergessen ist der Aspekt, dass die Mehrheit der Hass- und Angstpopulisten keineswegs kühl kalkulierende Machtmenschen sind. Sie werden selbst von Angst und Hass getrieben, wenn auch nicht unbedingt von den selben Ängsten und tiefen Abneigungen, an die sie beim Wahlvolk appellieren.
Weil der Appell an den "inneren Schweinehund" so einfach und, da er auf tiefe Schichten unserer Psyche zielt, so wirksam ist, stellt er eine große "inheränte" Gefahr für die Demokratie dar. Demokratie ist, daran sei erinnert, etwas anderes eine Herrschaft, die die Zustimmung einer Bevölkerungsmehrheit genießt. Hitler genoss zwischen 1936 und 1942 die uneingeschränkte Unterstützung einer überwältigenden Mehrheit der Deutschen - und Stalin ist im heutigen Russland immer noch extrem populär.
Es gibt aber noch einen anderen Grund, weshalb gesetzgeberischer Aktionismus bei Politikern und bei nicht wenigen Wählern so beliebt ist: er simuliert Handlungsfähigkeit. Auf vielen Problemfeldern kann "die Politik" wenig ausrichten, zumindest nicht kurzfristig. Ein wirkungsloses (oder gar kontraproduktives) Gesetz zu verabschieden, zeigt dem Wähler: "Wir tuen was" - und signalisiert dem politischen Entscheider, dass er wirklich etwas zu entscheiden hat.
Ein aktuelles Beispiel, aus faz.net: Kampf gegen ein Phantom.
Die Initiatoren der sogenannten Umweltzonen in der Hauptstadt Berlin und in Hannover und Köln haben ein unerwartetes Problem. Denn der gesundheitsschädliche Feinstaub, den Fahrverbote in den Umweltzonen vermindern sollen, hatte bereits vor deren Start zum Teil dramatisch abgenommen.Auch wenn das Feinstaub-Problem damit nicht vom Tisch ist, zeigt sich offensichtlich, dass auch weniger drastischen Maßnahmen als die "Umweltzonen" (deren Nutzen ohnehin umstritten ist, da der Feinstaub sich nicht an Grenzen hält) greifen. Aber "hartes Durchgreifen" ist populär und vor allem: jeder bekommt mit, "das was getan wird".
Das Beispiel der Umweltzonen ist auch in andere Hinsicht ein gutes Beispiel: Vielen ihrer Befürworter haben ein anderes, meiner Ansicht nach sinnvolles, aber wahrscheinlich unpopuläres, Ziel auf der Agenda: das Auto als Verkehrsmittel möglichst ganz aus den Innenstädten zu verdrängen. So ein Ziel über den "Verstand" zu vermitteln ist schwierig. Einfacher geht es über Angst.
MMarheinecke - Sonntag, 6. Januar 2008