Montag, 24. September 2007

Die verschwiegene Demo ...

An und für sich werde ich die Großdemonstration "Freiheit statt Angst" in angenehmer Erinnerung behalten, und nicht nur wegen des schönen Spätsommerwetters: zahlreiche Teilnehmer (über 8000 nach Polizeiangaben, 15000 nach Angeben der Organisatoren), gute Organisation und - trotz eines meines Erachtens unnötigen Zugriffs der Polizei auf den geschlossen marschierenden "linksradikalen Block". Denn dieser Block war allenfalls mit dem Mundwerk aggressiv, ein gewaltbereiter "schwarzer Block" sieht anders aus (ich spreche da durchaus aus Erfahrung). Von anderen Demo-Teilnehmern erfuhr ich, dass das "Spielchen" zwischen den Schwarzvermummten und den Weissbehelmten beinahe bei jeder größeren Demo ähnlich abläuft, und dieses Mal vergleichsweise glimpflich abging. (Ähnliche Gewalt-"Spielchen" kenne ich auch aus Hamburg, z. B. war es nach dem "Schanzenfest" wieder mal soweit - 15 Verletzte.)
Erfreulich an dieser Demomonstration war auf jeden Fall, dass sich ein über viele ideologische Grenzen hinweg reichendens Protestpotential gebildet hat, und dass es möglich ist, auch für ein vergleichsweise "abstraktes" Problem tausende Demonstranten auf die Straße zu bringen.

Unerfreulich: die Demonstration ging in der Massenmedien beinahe unter. Das wäre fast "das Übliche" - nämlich, dass über Demos ohne "Sensationswert" (sprich "Krawall"), zumal wenn sie "unbequeme Fragen" aufwerfen (sprich: wenn mal tatsächlich recherchiert und nachgehakt werden muss) eher wenig berichtet wird. Dafür, dass die Journalisten stark selbst betroffen sind - es geht ja auch um den Informantenschutz bei Recherchen - und das z. B. Journalistenverbände mitdemonstrierten - erstaunt das spärliche Echo dann aber doch.

Da die Berichterstattung so spärlich war (die 20 Uhr "Tagesschau" berichtete z. B. gar nicht darüber), werden viele Menschen gar nicht mitbekommen haben, dass in Berlin mindestens 8000 Teilnehmern gegen den Abbau von Bürgerrechten demonstriert haben.
Da eine gewisse Absicht zu unterstellen, liegt ziemlich nahe, nicht im Sinne einer Verschwörungstheorie, sondern im Sinne einer sich freiwillig "regierungstreu" gleichschaltenden Presse, etwa in dem Sinne, dass Maßnahmen zur "Terrorabwehr" nicht kritisiert werden, da, wenn dann doch ein Anschlag vom Ausmaß der Londoner U-Bahn-Attentate stattfindet, jeder, der nicht uneingeschränkt "dafür" war, als Komplize oder Sympathisant dastehen könnte.
Sowohl seitens der Politik wie der meisten Medien wird nicht mit offenen Karten gespielt, sowohl der Hinweis auf die Gefahren (Schäuble beruft sich auf nie bei Namen genannte "Experten") wie die Begründung für die geplanten Abwehrmaßnahmen bleiben im Diffusen. Frau Bundeskanzlerin Merkel weiß z. B. genau, dass Online-Durchsuchungen bei darauf vorbereiteten Straftätern ins Leere laufen würden. (Woher ich das wissen will? Ganz einfach: Geheimsachen werden im Bundeskanzleramt grundsätzlich nur auf einem PC ohne Internetanschluss bearbeitet und verschlüsselt bzw. entschlüsselt. Die verschlüsselten Dateien werden dann "von Hand", per USB-Stick, vom abgeschotteten Rechner auf den vernetzten Rechner übertragen, so das niemals eine unverschlüsselte Datei mit brisanten Inhalten auf einem "online durchsuchbaren" Rechner liegen wird. Dieses Procedere wurde schon vor über 15 Jahren unter Kanzel Kohl eingeführt. Es gibt keine Grund, weshalb es ein "professioneller" Krimineller anders machen sollte.) Dennoch schließt sie sich öffentlich der Argumentation Innenminister Schäubles an:
"Es kann nicht sein, dass der Computer und die darin liegende Festplatte ein Raum sind, wo der deutsche Rechtsstaat sagt: Da greifen wir nicht zu", sagte Merkel beim Landesparteitag der niedersächsischen CDU am Sonnabend in Oldenburg.
Merkel für Online-Durchsuchungen.
Der deutsche Rechtsstaat darf schon längst zugreifen und z. B. Festplatten bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmen. Anders kann er auch nicht zugreifen, wenn es z. B. ein Terrorist genau so macht wie das Kanzleramt.

Jan Schejbat:
Freiheit-statt-Angst-Demo: Berichterstattung und Teilnehmerzahlen.
Jens Scholz: Demo gegen Überwachung in Berlin: Bloggerstimmen
Sven Scholz: Demo in Berlin

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