Von Epikur, Ende und einem erstaunlichen Gesetzentwurf
Man soll sich nicht den Anschein geben, als treibe man Philosophie, sondern man soll wirklich philosophieren. Es nützt auch nichts, uns den Anschein von Gesundheit zu geben, sondern wir müssen wirklich gesund sein.Epikur, altgriechischer Philosoph, 341 -270 v. u. Z.
Epikur hatte recht. Es gibt eine beachtlich Zahl "Scheinriesen der Weisheit" auf der Welt, und es werden immer mehr. (Ein "Scheinriese" ist jemand, der aus der Entfernung gewaltig groß aussieht, aber aus der Nähe betrachtet nicht größer ist als andere Menschen auch. Eine wundervolle Metapher von Michael Ende.)
"Philosophie treiben" bedeutete zu Epikurs Zeiten etwas anderes als heute. Die antike Philosophie umfasste drei Gebiete: die Physik (Naturlehre, also Naturwissenschaften und Naturphilosophie), die die Logik bzw. Kanonik (Erkenntnislehre) und die Ethik (Verhaltenslehre). Und sie war meist lebenspraktisch, als Lebenshilfe gedacht.
Die Bluffer, Hochstapler und "Klugscheißer" unter jenen, die so tun, als würden sie philosophieren (bzw. selber denken) sind ärgerlich. Aber sie wissen wenigstens, dass sie nur so tun, als ob. Gefährlicher sind die, die wirklich denken, sie würden nachdenken. Z. B. gibt es eine ganze Reihe Politiker und noch mehr Politikberater, die sich den Anschein geben als würden sie "Philosophie betreiben", also z. B. logisch denken oder ethische (auf die Lebensführung gerichtete) Grundsätze beachten. Was schlimm genug wäre, wenn diese Menschen alle wüssten, dass sie das Nachdenken nur simulieren.
Ein verblüffendes Beispiel für die Vernachlässigung sowohl von anerkannten logischen wie ethischen Prinzipien liefert wieder einmal das Bundesinnenministerium:
Innenminister Schäuble will Waffenrecht lockern (netzeitung). Die Logik, einerseits "Killerspiele" (also virtuelle Waffen) zu verbieten, andererseits den Zugang zu realen Waffen zu erleichtern, erschließt sich nur schwer. Zumal Schäuble es einer legal erworbenen Schusswaffe in den Händen eines an paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie (Verfolgungswahn) Erkrankten verdankt, dass er heute im Rollstuhl sitzt. Sportschützen soll es künftig erlaubt sein, bereits mit 18 Jahren eine großkalibrige Waffe zu kaufen. Sportschützen, also Menschen, die anders als etwa Jäger nicht zwingend auf großkalibrige Waffen angewiesen sind.
Natürlich: die in einem Anfall von Aktionismus nach den Amoklauf von Erfurt verabschiedete Waffenrechtsverschärfung blieb ohne Effekt - was bei solchen mehr auf den Effekt ("Wir tun was!") als Effizienz zielenden, eher symbolischen, Maßnahmen auch nicht zu erwarten war. Und ebenso natürlich, wie bei allen Gesetzen, deren Sinn überhaupt nicht einleuchtet, darf auch bei der Waffenrechtslockerung der Hinweis auf "Europa" nicht fehlen. Es gibt , zugegeben, auch gute Ansätze im Entwurf: z. B. eine psychologische Eignungsprüfung, der sich jeder künftige Waffenbesitzer unter 25 unterziehen muss, und die die eher formelle Zuverlässigkeitsprüfung ersetzen soll. Warum aber nur die unter 25-jährigen? Und warum in aller Welt soll ein Sportschütze künftig Waffen besitzen dürfen, mit denen in seinem Schützenverein gar nicht geschossen wird?
Aber auf Logik, Ethik oder gar (auch physikalische) Sachkenntnis kommt es in der Politik wohl nicht wirklich an. Der Anschein, man "treibe Philosophie" reicht. Und Schäuble ist wahrlich nicht der einzige sich selbst überschätzende und von Freunden wie Gegnern überschätzte Politiker. Er ist "Symptom", nicht "die Krankheit".
Auch beim Waffengesetzt, wie bei der "Online-Überwachung", reicht der bloße Anschein von Logik, Ethik und Sachkenntnis anscheinend völlig aus.
MMarheinecke - Sonntag, 2. September 2007