Warum geben so viele Musiker das Musikmachen wieder auf?
Nicht ganz überraschend sind, wie die Musikwissenschaftlerin Dr.
Anja Herold in ihrer Doktorarbeit herausfand, die hohen Ansprüche an die technische Beherrschung des Instrumentes für viele Musiker der Hauptgrund, über kurz oder lang mit dem Spielen wieder aufzuhören. Wenn die Musik nicht mehr lustvoll "gespielt" wird, wird das notwendige Üben nicht mehr als "Spaß", sondern als "Last" empfunden.
Interessanter finde ich, was Frau Herold über diesen eher trivale, aber bezeichnenderweise kaum untersuchten, Zusammenhang (die Musikwissenschaft beschäftigt sich lieber mit der Erfolgreichen, nicht den Erfolglosen) hinaus herausgefunden hat:
"Das Meistern der instrumentaltechnischen Schwierigkeiten macht zu Anfang einen entscheidenden Reiz aus. Später allerdings stehen technische Probleme gepaart mit Ungeduld und hohen Leistungsansprüchen dem lustvollen Spiel immer mehr im Weg."
Das kenne ich von meinem Gitarrenstunden her: weil ich mit (wie ich fand) große Aufwand des Übens kaum "Erfolge" erzielte, verlor ich bald die Lust. Mein (jüngerer) Bruder klampfte munter drauflos, erzielte irgendwann Ergebnisse, die ihn so faszinierten, dass er fleißig und geradezu besessen übte.
Die Arbeit bestätigt meine Beobachtung: "Besonders deutlich war dies beim Thema "Improvisation": Die Ansicht, dass man erst alle Tonleitern beherrschen müsse und erst dann anfangen dürfe zu improvisieren, ist weit verbreitet. So kommt es oft gar nicht mehr zur Improvisation (...)" - Ich "dürfte" nicht einfach drauflosspielen, was zum Teil dem Gittarenuntericht und seiner Systematik, zum Teil aber auch meinen hohen Ansprüchen an mich selbst, zum größten Teil aber dem Umfeld (Eltern, andere Erwachsene, Lehrern) geschuldet war. Mein Bruder war "noch Kind" als er anfing, auf meiner Gitarre zu klimpern, ich schon "ein großer Junge", der nicht mehr einfach spielerisch "rumklimpern" durfte, sondern brav und sauber seine Lektionen zu lernen hatte.
Ich stimme Frau Dr. Herold deshalb zu, wenn sie den Grund für diese Entwicklung unter anderem in der traditionellen Musikvermittlung mit ihrer Trennung von Körper und Geist, Arbeit und Spiel sieht.
Nicht ganz mag ich ihr darin folgen, wenn sie die Wertmaßstäbe der westlichen Kultur, in der Musiker an hohen Standards gemessen werde und Musizieren einen hohen Lernaufwand verlange, für den "Musikerfrust" verantwortlich macht.
In vielen Fällen ist es wahrscheinlich eher die geringe Wertschätzung der Musik als "Leistungsfach", oder gar als potenzieller Beruf, der musizierenden Schülern zum Problem wird. Das musste z. B. mein Bruder erfahren: irgendwann mal wurde sein Übungsfleiß und sein Ehrgeiz als Musiker unter "Rosinen im Kopf", als unnötige Ablenkung von Schule, Ausbildung und "Brotberuf", eingeordnet. Eine Erfahrung, die ich auch bei anderen jungen Menschen mit anderen Interessen bemerkt habe: wird ein Interesse (Musik, Sport, bildende Kunst, aber auch Interesse an Tieren, an Technik, sogar an Literatur) so groß, dass die Eltern / Lehrer fürchten, es könne mehr als ein "Hobby" werden (und eventuell zulasten des schulischen Erfolgs gehen), dann wird es von "den Erwachsenen" nicht mehr unterstützt. Ausnahme: sehr tolerante Eltern / Lehrer oder solche, die sich eine berufliche Karriere im Interessengebiet des Jugendlichen gut vorstellen können.
Es sind vor allem die Eltern, die die Karrieren ihrer Kinder zu steuern versuchen: Einer meiner Mitschüler - Arztsohn - war z. B. begeisterter Mofa-Schrauber, aber seine Eltern waren von der Vorstellung, ihr Sohn könne einen "technischen Beruf" ergreifen, geradezu schockiert. Selbst als er Jahre später seinen "Dr. Ing." im Fahrzeugbau machte, war sein Vater immer noch angesäuert. Ein "Dr. Ing." ist eben kein richtiger Doktor.
Ich vermute deshalb, dass Frau Dr. Herold Menschen befragte, denen solche Steine auf dem möglichen Weg zum "professionellen Musiker" nicht in den Weg gelegt wurden.
Ein weiterer Grund für die Abbrüche liegt nach Ansicht der Musikwissenschaftlerin in dem Verlust kultureller und sozialer Einbettung der Jazz/Rock/Pop-Musikpraxis, die junge Menschen in ihrer "Szene" genossen, die aber im Erwachsenenleben verloren gingen.
Wenn sie allerdings fordert, die kulturelle Vielfalt zu fördern und für eine erhöhte Durchlässigkeit institutioneller und informeller Räume zu sorgen (z. B. durch die Kooperation von Musikschule und freier Musikszene), dann wirkt das auf mich schon beinahe hilflos.
Anja Herold in ihrer Doktorarbeit herausfand, die hohen Ansprüche an die technische Beherrschung des Instrumentes für viele Musiker der Hauptgrund, über kurz oder lang mit dem Spielen wieder aufzuhören. Wenn die Musik nicht mehr lustvoll "gespielt" wird, wird das notwendige Üben nicht mehr als "Spaß", sondern als "Last" empfunden.
Interessanter finde ich, was Frau Herold über diesen eher trivale, aber bezeichnenderweise kaum untersuchten, Zusammenhang (die Musikwissenschaft beschäftigt sich lieber mit der Erfolgreichen, nicht den Erfolglosen) hinaus herausgefunden hat:
"Das Meistern der instrumentaltechnischen Schwierigkeiten macht zu Anfang einen entscheidenden Reiz aus. Später allerdings stehen technische Probleme gepaart mit Ungeduld und hohen Leistungsansprüchen dem lustvollen Spiel immer mehr im Weg."
Das kenne ich von meinem Gitarrenstunden her: weil ich mit (wie ich fand) große Aufwand des Übens kaum "Erfolge" erzielte, verlor ich bald die Lust. Mein (jüngerer) Bruder klampfte munter drauflos, erzielte irgendwann Ergebnisse, die ihn so faszinierten, dass er fleißig und geradezu besessen übte.
Die Arbeit bestätigt meine Beobachtung: "Besonders deutlich war dies beim Thema "Improvisation": Die Ansicht, dass man erst alle Tonleitern beherrschen müsse und erst dann anfangen dürfe zu improvisieren, ist weit verbreitet. So kommt es oft gar nicht mehr zur Improvisation (...)" - Ich "dürfte" nicht einfach drauflosspielen, was zum Teil dem Gittarenuntericht und seiner Systematik, zum Teil aber auch meinen hohen Ansprüchen an mich selbst, zum größten Teil aber dem Umfeld (Eltern, andere Erwachsene, Lehrern) geschuldet war. Mein Bruder war "noch Kind" als er anfing, auf meiner Gitarre zu klimpern, ich schon "ein großer Junge", der nicht mehr einfach spielerisch "rumklimpern" durfte, sondern brav und sauber seine Lektionen zu lernen hatte.
Ich stimme Frau Dr. Herold deshalb zu, wenn sie den Grund für diese Entwicklung unter anderem in der traditionellen Musikvermittlung mit ihrer Trennung von Körper und Geist, Arbeit und Spiel sieht.
Nicht ganz mag ich ihr darin folgen, wenn sie die Wertmaßstäbe der westlichen Kultur, in der Musiker an hohen Standards gemessen werde und Musizieren einen hohen Lernaufwand verlange, für den "Musikerfrust" verantwortlich macht.
In vielen Fällen ist es wahrscheinlich eher die geringe Wertschätzung der Musik als "Leistungsfach", oder gar als potenzieller Beruf, der musizierenden Schülern zum Problem wird. Das musste z. B. mein Bruder erfahren: irgendwann mal wurde sein Übungsfleiß und sein Ehrgeiz als Musiker unter "Rosinen im Kopf", als unnötige Ablenkung von Schule, Ausbildung und "Brotberuf", eingeordnet. Eine Erfahrung, die ich auch bei anderen jungen Menschen mit anderen Interessen bemerkt habe: wird ein Interesse (Musik, Sport, bildende Kunst, aber auch Interesse an Tieren, an Technik, sogar an Literatur) so groß, dass die Eltern / Lehrer fürchten, es könne mehr als ein "Hobby" werden (und eventuell zulasten des schulischen Erfolgs gehen), dann wird es von "den Erwachsenen" nicht mehr unterstützt. Ausnahme: sehr tolerante Eltern / Lehrer oder solche, die sich eine berufliche Karriere im Interessengebiet des Jugendlichen gut vorstellen können.
Es sind vor allem die Eltern, die die Karrieren ihrer Kinder zu steuern versuchen: Einer meiner Mitschüler - Arztsohn - war z. B. begeisterter Mofa-Schrauber, aber seine Eltern waren von der Vorstellung, ihr Sohn könne einen "technischen Beruf" ergreifen, geradezu schockiert. Selbst als er Jahre später seinen "Dr. Ing." im Fahrzeugbau machte, war sein Vater immer noch angesäuert. Ein "Dr. Ing." ist eben kein richtiger Doktor.
Ich vermute deshalb, dass Frau Dr. Herold Menschen befragte, denen solche Steine auf dem möglichen Weg zum "professionellen Musiker" nicht in den Weg gelegt wurden.
Ein weiterer Grund für die Abbrüche liegt nach Ansicht der Musikwissenschaftlerin in dem Verlust kultureller und sozialer Einbettung der Jazz/Rock/Pop-Musikpraxis, die junge Menschen in ihrer "Szene" genossen, die aber im Erwachsenenleben verloren gingen.
Wenn sie allerdings fordert, die kulturelle Vielfalt zu fördern und für eine erhöhte Durchlässigkeit institutioneller und informeller Räume zu sorgen (z. B. durch die Kooperation von Musikschule und freier Musikszene), dann wirkt das auf mich schon beinahe hilflos.
MMarheinecke - Mittwoch, 27. Juni 2007