Donnerstag, 12. April 2007

"Ich werde immer etwas Lustiges sagen, auch unter den entsetzlichsten Umständen"

Gestern erlag der amerikanische Schriftsteller Kurt Vonnegut im Alter von 84 Jahren seinen schweren Kopfverletzungen, die er sich bei einem Sturz zugezogen hatte.
Seine Spezialität waren sarkastisch-schwarzhumorige, extrem kritische, oft aber auch bewußt triviale Kurzgeschichten, Dramen und Romane. Damit wird man normalerweise nicht berühmt, schon gar nicht, wenn man hauptsächlich Science Fiction schreibt.

Sein verdienter Ruhm gründet sich auf den genialen Roman "Schlachthof 5": Die teils autobiographisch gefärbte, teils phantatisch-"psychedelische" Geschichte des US-Kriegsgefangenen Billy Pilgrim, der in die Wirren der Bombardierung Dresdens gerät.
Sie erschien auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges und machte Vonnegut zum Idol der US-amerikanischen Gegenkultur.

Es gibt viele gefährliche und problematische Wege, an die Bombadierung Dresdens 1945 zu erinnern.
Zum Beispiel die "deutsche Erinnerungskultur" im Stile der "Dresden" Fernseh-Schmonzette und in der "offizieller Gedenkveranstaltungen": eine Mischung aus Selbstmitleid, Verdrängung, Schuldprojektion, verpackt in Sentimentät, die mit echter Trauer nichts zu tun hat.
Oder - noch schlimmer - die Aufrechen- , Vergleichs-, Relativierungs- und Verharmlosungskultur eines lange Zeit bei Deutschen höchst populären deutsche Vernichtungskriegs nicht "nur" von Rechtextremisten, sondern auch in "der Mitte der Gesellschaft": "Die anderen haben aber auch - guck mal nach Dresden ´45 ..."
Oder - weniger schlimm, aber gründlich verquast - die "antideutsche" Position: "Keine Träne um Dresden" oder sehr "deutsch" in der Argumentation: "Über 80% der Deutschen waren für Hitler - es traf also keine Unschuldigen".

Eine angemessene Reaktion ist schwarzer Humor. So schwarz, dass man beim Lachen zugleich entsetzt in Tränen der Wut und Trauer losbrüllen möchte.
Wie der Humor von Kurt Vonnegut in seinen Dresden Roman "Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzug". Vonnegut erlebte die Zerstörung Dresdens als kriegsgefangener US-Soldat:
Dresden war die erste wirklich schöne Stadt, die ich gesehen habe. Ich hatte keine Ahnung, daß es so etwas überhaupt gibt. Und ich hatte sie kaum gesehen, da hatte man sie schon zerstört. Nebenbei gesagt: Die Deutschen scheren sich einen Dreck um die Zerstörung dieser oder irgendeiner anderen Stadt. Es ist ganz schön komisch, daß ich mir darüber Gedanken gemacht habe, während es ihnen völlig wurscht ist. Ich glaube, es macht ihnen nichts aus, alles wieder neu aufzubauen.
Aus einem Interview mit Charles Pratt, in: Gestalter der Zukunft, Hohenheim, 1982
(Vonnegut war immer wieder durch die in seine Augen erstaunliche Verdrängungsleistung der Nachkriegsdeutschen und ihrem Unwillen zur nicht-selbstmitleidigigen Reflexion erstaunt. Man sollte "Schlachthof 5" und "Die Unfähigkeit zu Trauern" des Ehepaars Mitscherlich in einem Schuber anbieten.)

Der Mensch sei letztlich unfähig, sein Tun zu begreifen und aus der Geschichte zu lernen, so eine seiner Thesen. Was ihm weder den bissigen Humor noch die die Lust am Disput nahm: In Romanen, Kurzgeschichten und Essays zeigte sich der Freidenker und Religionsskeptiker immer wieder als brillanter Sozialkritiker. Zuletzt machte er als scharfzüngiger Kritiker der Bush-Regierung von sich reden.

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