Mittwoch, 24. Januar 2007

Illuminismus (Teil 3): die aufgeklärte Romantik

Nach langer Pause ist es an der Zeit, die kleine Reihe über den "Illuminismus" zuende zu bringen.
Der Grund für die lange Pause: ich hatte mich gründlich im Gestrüpp der Philosophiegeschichte verlaufen ...


Mit der Französischen Revolution endete gemäß den meisten Geschichtsbüchern "das Zeitalter der Aufklärung". Was selbstverständlich nicht des "Ende der Aufklärung" oder der aufgeklärten Philosophie bedeutete. Mit der Revolution endete aber tatsächlich der "Esoterik-Boom" der letzten Jahre des "Ancien Regime" - und das Ende des "organisierten" Illuminismus.
Die "illuminierte", "ganzheitliche" geistige Strömung wirkte allerdings weiter - in der nicht ganz zurecht "deutscher Idealismus" genannte philosophischen Richtung und als Teil der Romantik.

Burgruine Waldeck
Burgruine Waldeck Foto: Martin Marheinecke
Einige Zweige der Romantik waren eine Gegenbewegung zur Aufklärung, andere setzten die aufklärische Tradition fort. Besonders gut läßt sich das beim Umgang der Romantiker mit dem "Erbe der Geschichte" zeigen.
In der Romantik verband sich das rational-aufgeklärte Interesse am Geschichte mit der irrationalen Sehnsucht nach einer besseren Vergangenheit und einer gefühlsbetonten, eher nach der Wiedergaben von Stimmungen als äußerer Perfektion strebenden Ästhetik. In nicht-romantischer Sicht ist eine Burgruine ein häßlicher Trümmerhaufen. In der sentimentalen, anti-aufklärerischen Sicht , die einigen Romantikern zueigen ist, wird die Ruine zur Projektionsfläche für Wunschvorstellungen, oft ohne Rücksicht auf historische Fakten: viele "historische" Romane und die meisten "Historiengemälde" der "romantischen Schule" würde man heute ohne Zögern als "Fantasy" bezeichnen. (Wobei die Romantik außerdem die "klassische" Blütezeit der phantastischen Literatur war - die scheinbar unterschiedliche literarischen Genres Kriminalroman, Horror, Fantasy und Science Fiction entsprangen alle der englischen "Gothic Novel", die wiederum auf der deutschen "Schauerromantik" bzw. "schwarzen Romantik" beruhte.)
Etwas vereinfacht kann man sagen: die Neigung, alles "alte Gerümpel" abzureissen, entsprach dem in der Industriellen Revolution entstandenen Fortschrittsglauben, die romantische Mode, historisierende "Traumschlösser" zu bauen und sogar künstliche "Ruinen" zu errichten, der sentimentalen Reaktion auf den nach-aufklärerischen Fortschrittsoptimismus, der Denkmalschutzgedanke entsprang einer "aufgeklärten Romantik".

Zur Philosophie: Immanuel Kant hatte in seiner “Kritik der reinen Vernunft” nachgewiesen, dass metaphysische Erkenntnisse allein durch Vernunft nicht möglich sind. Vernunftmäßiges Denken kann bestimmte Grenzen der Erkenntnis nicht überschreiten.

Das war der Anstoß für den Deutschen Idealismus (der strenggenommen nicht immer "deutsch" war, viele, aber nicht alle Philosophen dieser Richtung waren Deutsche). Er ging, allgemein gesagt, aus der Auseinandersetzung mit Kants Philosophie hervor. Als Hauptmerkmale gelten: die Deutschen Idealisten behaupten die Existenz geistiger Entitäten (Ideen) - (Idealismus), gehen von einer Außenwelt aus, die von den Vorstellungen denkender Subjekte abhängig ist (wobei sich sehr unterschiedliche Vorstellung entwickelten) und waren davon überzeugt, dass sich das menschliche Handeln aus Vernunftprinzipien begründen läßt. Die Philosophie des Deutschen Idealismus ist typischerweise unanschaulich und schwer zugänglich, zur "Schwierigkeit" trägt auch der betont "gelehrten" Stil bei (besonders schwer verständlich: Hegel.) Typisch ist auch die Neigung, umfassende philosophische Systeme zu entwerfen, als zentral gelten die philosophischen Systementwürfe Fichtes, Hegels und Schellings.

Der Deutsche Idealismus neigt, im Unterschied zum Illuminismus, nur wenig zur Mystik, geschweige denn Magie, sondern gibt sich betont rational (oder besser: rationalistisch, im Sinne einer Vernunft-Ideologie). Typisch ist Fichtes Gebrauch logischer Axinome. Hegel lehnte schließlich jede "Unmittelbarkeit" mystischer oder religiöser Art ab - womit sich vom "romantischen" Denken sehr weit entfernt. Eine Gemeinsamkeit mit dem Illuministen sind aber die spekulativen und all-umfassenden Welterklärungssysteme: alles hat seinen Grund, seinen Platz und seine Ordnung, und ist, wenn man klug genug ist, vernunftmäßig zu begreifen. Problematisch war, dass einige Deutsche Idealisten ausgesprochene "Staatsphilosophen" in doppelter Wortbedeutung waren: politische Philosophen und glühende Befürworter des (preußischen) Staates. Ob der Sonderweg, die "deutsche Nation" als "Kulturnation" zu definieren - was historisch ähnlich fatal war, wie die zur gleichen Zeit aufgekommene und damit verbundene Vorstellung eines "einigenden deutschen Blutes", also der "Abstammungsnationalismus" - ohne Fichte, Schellig usw. je beschritten worden wäre, ist fraglich. In "abgesunkener Form" degenierten diese Systeme zu (nationalromantischen) Ideologien, noch weiter abgesunken zu Verschwörungstheorien, mit den zu höheren bestimmten, aber an hinterhältigen "Feinden" scheiternden Deutschen in der permanenten Opferrolle. (Womit sich der Kreis zu den "Illuminaten"-Theorien schließt.)

Es war dann auch ein Kritiker der hegelschen Systemphilosophie, und ein ausgeprägt romantischer Geist, nämlich Arthur Schopenhauer, der wieder die Mystik in die Philosophie einführte.
Schopenhauer griff sogar ausdrücklich auf den Begriff des "Illuminismus" zurück; er verstand darunter jene Formen der Erkenntnis, die Bücher nicht mehr zu vermitteln können. Er befaßte sich als einer der ersten europäischen Philosophen eingehend mit dem Buddhismus, und sah, anders als die deutschen Idealisten, der Welt ein irrationales Prinzip zugrundeliegen. Gemäß Schopenhauer liegt der Wille nicht nur dem Handeln des Menschen zugrunde, sondern er umfasse die gesamte Wirklichkeit, das heißt die organische und die anorganische Natur. Er objektiviert sich in der Erscheinungswelt als Wille zum Leben und zur Fortpflanzung. Diese Lehre vom „Primat des Willens“ bildet die zentrale Idee der Schopenhauer'schen Philosophie.

Die moderne "Esoterik" ist meine Ansicht nach nicht ohne trivalisiertes Schopenhauer´sches Gedankengut zu begreifen, und zwar nicht nur weil er den Buddhismus bei europäischen Intellektuellen "modern" gemacht hatte. Schopenhauer knüpfte, wie die Illuministen des "Ancien Regime", auch an die Magier, Mystiker und Theosophen der Renaissancezeit an - und brachte sie damit ins Gespräch. Wenn es in okkulten Kreisen des späten 19. Jahrhunderts und heute bei modernen Hexen und Magiern heißt: "Wille bestimmt Realität", dann treten sie die die Fußstapfen Schopenhauers. (Wie auch Sigmund Freud, bekanntlich ein scharfer Kritiker des magischen Denkens.) Es darf aber auch nicht verschweigen werden, dass Schopenhauer ein geistiger Wegbereiter des "modernen" Antisemitismus war und dass sein pessimistisches Weltbild die grandiosen Weltuntergangs- und Endzeit-Phantasien, die "Vernichtungs-Romantik", des faschistischen und faschistioden Denkens bis heute indirekt befeuerte.

Teil 2: Gelehrte zwischen den Welten
Teil 1: Die Illuminaten-Panik
Exkurs: Wer hat Angst vor den Illuminaten?

Wichtiges Argument der "Intelligent Design"-Anhänger experimentell entkräftet

"Intelligent Design" ist die These, dass bestimmte Merkmale des Lebens am besten durch eine intelligente Ursache außerhalb der Natur (vulgo "Schöpfergott" genannt) erklärt werden können und nicht durch einen "ungeleiteten" Vorgang wie die natürliche Selektion. Im Prinzip ist I.D. ein als naturwissenschaftliche Theorie getarnter "kosmologischer Gottesbeweis".
Die Anhänger des I.D. stützen sich dabei vor allem auf ungeklärte - bzw. wie sie meinen ohne göttlichen Eingriff nicht erklärbare - "Lücken" der Evolutionstheorie.

Die Entwicklung komplexer Eigenschaften wie etwa neuer Proteinstrukturen durch den Prozess der Evolution ist weitgehend ungeklärt. Zum Berspiel schließen die Befürworter der "intelligent design"-These die "Erfindung" neuer, komplexer Proteinstrukturen durch wenige Mutationsschritte aus.
Evolutionsbiologen haben aber Hinweise gefunden, dass neue Proteine aus Übergangsformen entstehen können, die ursprüngliche und neue Eigenschaften vereinen. Allerdings konnte dies bisher nur durch eine Akkumulation künstlich herbeigeführter Mutationen demonstriert werden, die evolutionäre Vorgänge lediglich simulieren. Was nach Ansicht der I.D-Anhänger nichts beweist.

Suat Özbek und Thomas Holstein in der Abteilung Molekulare Evolution der Universität Heidelberg ist es jetzt in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom Biozentrum in Basel gelungen, an Kollagenen des Süßwasserpolyps Hydra eine globale Strukturänderung von Proteinen infolge von zwei Mutationsschritten nachzuweisen. Bereits die Änderung einer einzelnen Aminosäure hat hier zu der Entwicklung einer Übergangsform geführt, die sowohl die ursprüngliche als auch eine gänzlich neue Proteingestalt annimmt. Dieser natürliche Vorgang lässt sich experimentell nachvollziehen und stellt damit einen bisher einzigartigen Beweis der Theorie gleitender evolutionärer Übergänge bei der Entwicklung neuer und komplexer Eigenschaften von Lebewesen dar.
Pressemeldung der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg: Einzigartiger Beweis der Theorie gleitender evolutionärer Übergänge

Eine weitere empfindliche Niederlage im permanenten Rückzugsgefecht, das die ID-Anhänger gegen die "Darwinisten" führen.

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