Montag, 20. November 2006

Pragmatismus im Grabenkampf

Vor allem in den USA (aber auch anderswo) tobt ein erbitterter Kulturkampf zwischen fundamentalistischen Christen und Atheisten (oder all jenen die von fundamentalistischen Christen für Atheisten gehalten werden). Die extremeren Anhänger des Kreationismus sehen in den Evolutionsbiologen arrogante Ahnungslose, die so sicher wie das Amen in der Kirche zur Hölle fahren. (Immerhin noch besser als jene religöse Fanatiker vorwiegend, aber nicht ausschließlich, muslemischer Bauart, die die Höllenfahrt der Ungläubigen, manchmal kombiniert mit dem eigenen Eingang ins Paradies, in die eigenen Hände nehmen.)
Als Speerspitze im Kampf gegen die Heerscharen der religiösen Unvernunft sehen sich "New Atheists", die wie der britische Zoologe Richard Dawkins mit seinem Bestseller "Die Wahnvorstellung von Gott" ("The God Delusion"), versuchen, Religion als bösartigen Aberglauben zu entlarven.

Es gibt aber auch Pragmatiker, wie der Biologe Edward O. Wilson. Der "Ameisenpapst" (wie ihn ein mir bekannter Biologe, der bei ihm studierte, zu nennen pflegt), Evolutionsforscher und Mitbegründer der Soziobiologie ist bekennende Atheist und selbst seit Jahrzehnten beliebte Zielscheibe christlicher Angriffe. Dennoch sucht er das Bündnis mit evangelikalen Christen im Kampf für Umweltschutz und Artenvielfalt. In seinem neuestes Buch, "Die Schöpfung, ein Plädoyer, das Leben auf Erden zu retten" ("The Creation) wendet er sich ausdrücklich an die "Bible Thumper".
SZ: Sie haben oft ausgeführt, wie sich Religion aus der Evolution und Neuropsychologie erklären lässt.

Wilson: Sicher, aber jetzt geht es eben nicht um ideologische Auseinandersetzungen – wir müssen die Artenvielfalt retten. Das ist auch nicht das Ziel von Dawkins & Co. Insofern bin ich den Evangelikalen sogar eher verbunden, denn die modernen Atheisten kümmern sich nicht besonders um die Schöpfung.

SZ: Eine Leidenschaft, die Sie jedoch auszeichnet.

Wilson: Ich nenne jede Pflanze und jedes Tier ein Meisterwerk der Evolution. Bibeltreue Christen sehen darin stattdessen die Spuren der intelligenten Macht Gottes. Aber letztendlich ähnelt sich jede Form der Bewunderung – ich bin also keineswegs ins christliche Lager übergelaufen, wenn Sie das meinen.
Das ganze Interview: sueddeutsche.de: "Uns eint die Sorge um die Schöpfung"

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