Sonntag, 8. Oktober 2006

Vom Aussterben bedrohte Art

Der am Freitag verstorbene Heinz Sielmann gehörte zu jenen Tierfilmern, deren Filme ich mag. Ein Tier-Dokumentarfilmer, sehr sachkundig, dabei immer gut verständlich, ohne Verniedlichung auf der einen, ohne pentrant erhobene Zeigefinger auf der anderen Seite - und vor allem: ohne gepflegte Langeweile. (Es gibt durchaus Tierfilme und Tierfilmer, die ich verabscheue.) Ich schätzte ihn auch als engagierten Umweltschützer. Leitsatz der von ihm gegründeten Heinz-Sielmann Stiftung ist "Naturschutz als positive Lebensphilosophie". Ein Schwerpunkt dieser Stiftung ist die Kinder- und Jugendarbeit - das ist sehr wichtig, denn die Naturentfremdung (nicht nur) junger Menschen ist erschreckend weit fortgeschritten. Ein Drittel aller Schüler zwischen 12 und 15 Jahren soll noch nie einen Käfer oder Schmetterling auf der Hand gehabt, jeder Vierte noch nie ein Reh in der Natur beobachtet haben. Die Folge ist eine "bambihafte Verniedlichung" der Natur:
Unter Natur verstehen junge Menschen eine vorzugsweise belebte, vom Menschen unbeeinflusste Welt. Im spontanen Naturbild Jugendlicher kommt auch der eigene Körper nicht vor. Natur ist etwas menschenfremdes, das durch Berührung mit dem Menschen denaturiert wird. Folglich werden weder Nutz- noch Haustiere und -pflanzen der Natur zugerechnet. Dahinter steht die abendländische Vorstellung, dass der Mensch ein Besonderes, außerhalb bzw. oberhalb der Natur existierendes Wesen sei. Natur definiert sich aus dieser Perspektive als Restgröße des jeweiligen Menschenbildes.
Rainer Brämer: Varianten der Naturentfremdung.

Der Mensch böse, die Natur immer gut, am Besten, der Mensch zieht sich aus "der Natur" so weit wie möglich zurück. Eine Haltung, die für echte Umwelt- und Naturschutzarbeit äußerst kontraproduktiv ist (während "Öko-Apokalyptiker" davon eher profitieren). Wir stehen nämlich der Natur nicht gegenüber, sondern sind ein Teil von ihr. Natur pur.

Es wird manche überraschen, aber Heinz Sielmann war das erklärte Vorbild des bei einem Unfall bei Dreharbeiten umgekommenen australischen Tierfilmers Steve Irwin ("Crocodile Hunter"). Zum Gedenken an einen Tierfilmer .... Wenn man sich Irwins Dokumentarfilme außerhalb der actionbetonten "Crocodile Hunter"-Serie ansieht, z. B. seinen Film über die Wüstenfauna am Ayers Rock, erkennt man das Vorbild des sielmannschen Stils deutlich wieder. Rein von Inhalt her ist übrigens auch "Crocodile Hunter" fundiert und seriös. Seriöser als so manches, was unter Umwelt-Dokumentarfilm läuft.
Ich fürchte interessante und fachlich seriöse Tierfilme sind eine vom Aussterben bedrohte Art. Im unwirtlichen Milieu der deutschen Fernsehlandschaft können sich die belanglosen, an das "Bambi"-Klischee bestens angepaßte, Tier-Doku-Soaps und mit die Grabesstimme und mahnend erhobenem Zeigefinger vorgebrachten Öko-Katastrophen-Szenarios hingegen erschreckend vermehren.

Radio-GaGa - leicht gemacht!

Als Redakteur eines typischen Dudelfunk-Senders hat man es nicht leicht.
Das mag angesichts des homogenen Breis aus Werbung und seichter Unterhaltung, euphemistisch "Programm" genannt, überraschend klingen. Das Problem ist folgendes: die Werbung wird nur dann gebucht, wenn der betreffende Sender auch genügend Hörer hat. Verläßt man sich, wie die meisten Dudelfunk-Sender, auf das Musikformat Mainstream-Pop ("Das Abgenudelste aus den 80ern und 90ern und das Ödeste von Heute"), gibt es absolut keinen Grund, nicht anstelle des Radios den CD- oder MP3-Spieler zu aktivieren - und die Musik werbefrei zu genießen.
Also braucht man wohl oder übel "Serviceleistungen": Kurznachrichten, Wetter, Verkehr, damit der Hörer bei der Stange bleibt. Und, da der fröhliche Moderator nicht immer nur abgestandene Witzchen machen kann, auch mal interessante aktuelle Beiträge. Das Problem: die Dinger machen sich nicht von allein bzw. sie können nicht mal eben von der Praktikantin zwischen Kaffeekochen und Fotokopieren zusammengehauen werden. Dazu muß man äh, wie heißt das noch mal, re... re... (im Duden nachschlag) ah, recherchieren. Schlimmer noch, man braucht Reporter. Es wäre auch nicht schlecht, mal einen Experten vors Mikro zu bekommen. Umsonst ist das nicht zu haben.

Oder? Schließlich gibt es, notdürftig als "Pressemitteilungen" getarnte, fertig konfektionierte Beiträge, als MP3-Datei zum kostenfreien Runterladen, mit denen man gleich live auf Sendung gehen kann.
Hier ein besonders gelungenes Beispiel der "CMA - Bestes vom Bauernfänger":
O-Ton-Beitrag: Date mit dem Herbst!
Was, wer redet da von "unzulässiger Vermischung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung"? Das ist doch Public Relations, keine Produktwerbung, das ist was ganz anderes! Es wird ja keine Werbung für Molke der Meiereigenossenschaft Ochsenwerder oder der Großmeierei "Meier-Milch" gemacht, sondern PR für das Informationsbüro Deutsche Molke. Damit die Leute endlich kapieren, dass Molke kein Meierei-Nebenprodukt mit begrenzter Anwendungsmöglichkeit ist, sondern unentbehrlich für Gesundheit, Schönheit, Erfolg. ("Generation Molkepulver".)
via: sargnagelschmiede Kieck moal an!

Man glaube nicht, so etwas beschränke sich auf den Dudelfunk. Oder wie kommen wohl die vorabendlichen Fernsehdokus a la "Wie wird original Harzer Magermilchkäse (fettarm, aromatisch und die Darmflora vitatalisierend) gemacht?" oder "So sauber ist unser neues Braunkohlekraftwerk" zustande?

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