Donnerstag, 13. Juli 2006

Breker - oder: wie man das Falsche tut, wenn man einem Künstler gerecht wird

Arno Breker war der "Lieblingsbildhauer" Adolf Hitlers und ein Künstler, dessen Leben und Schaffen mit den Vokabeln "ambivalent" und "opportunistisch" nur unzureichend beschrieben werden kann.
Eine Breker-Ausstellung in Schwerin zeigt 70 Werke des Bildhauers. Nicht ohne Widerspruch.

Ein entschiedener Gegner Brekers ist der Schriftsteller und Publizist Ralph Giordano, der sogar forderte, die Breker-Statuen auf dem Gelände des Berliner Olympia-Stadions einzuschmelzen:
"Diese Brekerfiguren verfolgen mich, seitdem sie da stehen, 1936. Ich war 13 Jahre alt damals und fiel unter die Nürnberger Rassegesetze meiner jüdischen Mutter wegen und habe bei diesen Figuren mein ganzes Leben lang nichts anderes empfunden, als dass es eine seelenlose oder eine entseelte Gigantomanie war, die mir nichts sagte – von der mir von vornherein klar war, was sie bezweckte – nämlich die Verherrlichung der Nazis."
Aus: rbb: Streitfall Breker
Eine klare Aussage. Allerdings heben sich Brekers Statuen nicht von den Werken anderer Bildhauer der klassizistischen Tradition ab, und entsprachen durchaus dem "internationalen" Zeitgeschmack, zwischen Art Deco, "Sachlichkeit" und Neoklassizismus. Breker schwamm im künstlerischen Mainstream der dreißiger Jahre. Damit liegt die Schlußfolgerung nahe, dass Giordanos Aussagen vom subjektiven Leiden bestimmt sind - dass es die Achtung vor den Opfern verbietet, Brekers Statuen einfach als Kunst zu sehen.
Sollte man aber Breker in erster Linie als Künstler würdigen, wie dies in der Schweriner Ausstellung geschieht? Das meint zumindest ein noch bekannterer Schriftsteller, nämlich Günter Grass. Er befürwortet Breker-Austellung. Netzeitung:Günter Grass für Ausstellung über Arno Breker
«Breker hatte durchaus Talent, das lässt sich aus seinen Anfängen heraus beweisen. Er hat sich aber von den Nationalsozialisten korrumpieren lassen, wie viele andere Künstler und Intellektuelle auch – etwa Gottfried Benn, Wilhelm Furtwängler oder Martin Heidegger. Wir fragen uns heute, warum sie das taten. Die Ausstellung, wenn sie dokumentarisch und informativ gestaltet ist, kann Antwort auf diese Frage geben», argumentierte Grass. Brekers Arbeiten - zumindest die aus der Zeit bis 1936 - unterschieden sich in ihrer künstlerischen Qualität nicht von denen anderer konservativer Bildhauer jener Zeit.
Tatsächlich liegt er meiner Ansicht nach gar nicht mal so falsch mit seiner Einschätzung des Künstlers Brekers.

Aber dennoch liegt Grass, denke ich, politisch falsch.
Anders als bei anderen ambivalente Künstler des "3. Reiches", wie Gustaf Gründgens und Leni Riefenstahl, können die bekannsten Werke Arno Brekers nicht von ihrer Funktion als Propagandakunst getrennt werden. Tatsächlich ist alles wirklich "Bedeutende", das Breker über reine "Alltags- und Gebrauchskunst" hinaus schuf, zum Zweck der Nazi-Propaganda erschaffen worden. Alles andere ist "Kleinkram", mit dem Breker es in kein Kunst-Lexikon geschafft hätte. Im Gedächtnis bleibt er als Hitlers Lieblingsbildhauer, der den wahnsinnigen Ideen des nationalsozialistischen Rassenwahns martialische Form gab - das überstrahlt seine Frühwerke, seine Portraitbüsten, seine Freundschaften mit Cocteau, Dali, Liebermann, Marais. Es ist etwa so, als wäre Leni Riefenstahl vor "Triumpf des Willens" nur als mäßig erfolgreiche Schauspielerin und nach dem Propagandafilm nur mit ein paar wenig bekannten Fotobänden in Erscheinung getreten. Er war ein begabter Künstler, der alle Möglichkeiten hatte - und statt dessen lieber plakative Propaganda schuf.
Jeder Versuch, Brekers Kunst zuerst als "Kunst", und dann erst als "Nazi-Propaganda" zu sehen, ist von daher verfehlt. (Ganau so übrigens, wie Pauschal-Bäh-Urteile wie "Kitsch" oder auch Gioranos "seelenlose Monomentalität" verfehlt sind.) Brekers Statuen gehören sehr wohl ins Museum - aber ins historische Museum, Abteilung "Selbstdarstellung des NS-Staates", nicht in eine "neutrale" Kunstausstellung.

Von daher schließe ich mich Grass, bei allem Verständnis, nicht an, und halte es mit Klaus Staeck, dem Präsidenten der Berliner Akademie der Künste: "Es besteht der Verdacht, dass in Schwerin in Wahrheit an der Rehabilitation Brekers gearbeitet wird".

Oder an Ursel Berger, Direktorin des Berliner Kolbe-Museums, die Breker wiederholt in Gruppenausstellungen gezeigt und kritisch kommentiert hat: „Man kann und muss Breker ausstellen, damit er kein Phantom bleibt – aber bitte vorsichtig!"

Hierzu:
SpOn: Modellstreit mit Bildhauer
Berliner Morgenpost:Der Diktator und der Künstler

In den Texten stark apologetisch, aber für einen Überblick über das künstlerische Schaffen Brekers brauchbar: Museum Arno Breker.

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