Dienstag, 21. März 2006

Das Richtige falsch gemacht

Die die heute zurückgetretene schwedische Außenministerin Laila Freivalds hatte etwas, was ich bei anderen Politikern vermisse: den Mut, politische Moral über juristische Bedenken zu stellen. Feige Würstchen überall.
Das erwarte ich von keinem Politiker, und ich verstehe, dass niemand gern seine Karriere für solches Handeln aufs Spiel setzt, aber gerade deshalb schätze ich diese Art Courage umso mehr.

Tagesschau.de: Schwedens Außenministerin tritt zurück

Dass sie eine gezielte Provokationsaktion der rechtsextremen "Sverigedemokraterna" unterband, für die der "Karikaturenstreit" und die Frage, wie weit die Meinungsfreiheit gehen darf, nur äußerer Anlaß / Vorwand war, ist ihr hoch anzurechnen. Der Aufruf, Karikaturen des Propheten Mohamed für die Website der Ultra-Nationalisten einzusenden, hätte bei den bekannt anti-islamischen und ausländerfeinlichen Anhängern der Sverigedemokraterna mit großer Wahrscheinlichkeit Karikaturen zutage gefördert, die im Gegensatz zu den überwiegend eher harmlosen Jyllandsposten-Karikaturen wirklich hetzerisch gewesen wären. Die Folgen - nicht nur für Schweden - mag sich jeder selbst ausmalen.

So weit, so gut. Gelinde gesagt problematisch war, dass auf ihre Veranlassung hohe Beamte des Außenministeriums und der schwedischen Sicherheitspolizei beim Internetbetreiber vorstellig geworden waren. Der ließ daraufhin die SD-Website abschalten. Und durch die leider bei Politikern übliche Verleugnungstaktik machte sie ihr problematisches Handeln noch schlimmer.

Sie machte etwas Richtiges, was sehr viel politischen Mut erfordete - sie stellte den Geist der Verfassung über die Buchstaben. Aber sie ging zu weit, handelte zu eigenmächtig. Und sie verhielt sich schäbig, leugnete und log, um ihren Kopf doch noch aus der Schlinge zu ziehen.
Schade!

Tolle Nachwuchspolitiker!

Kaum zu glauben, aber leider wahr: Die Firma Quelle nimmt nach einem Schreiben der Jusos Papenburg sämtliche Artikel der Firma Lonsdale (seit eh und je auch von schwarzen Boxern getragen, z. B. Muhammad Ali, Mike Tyson) aus ihrem Programm. Damit liegt Ihr ungewollt 100% auf der Linie der Nazis mit ihrer Strategie der Vereinahmung! Leute wie Euch nennt man in Fachkreisen, glaube ich, "nützliche Idioten", nicht wahr?
Eine Suche bei "Google" nach "Lonsdale" hätte Euch eines Besseren belehrt: MUT gegen rechte Gewalt: Alltagskultur Lonsdale. Oder auch nur ein Blick in die Wikipedia. So was nennt man in Fachkreisen "Recherche", glaube ich.

Die ganze Info gibt es bei Sven: Wenn Antifa-Aktion zum Aktionismus wird.

In dem Schreiben heißt es:
Jedem Jugendlichen ist klar, dass durch das Tragen dieser Artikel eine gewisse politische Einstellung transportiert wird.
Und das ist falsch! Lonsdale ist eine Marke, die nur wegen der zufällig im Namen enthaltenen Buchstabenkombination nsda für Nazis interessant ist, und wegen nichts, aber gar nichts anderem! Gerade der Sportartikelhersteller Lonsdale ist in den letzten Jahren durch Aktionen gegen Rassismus und gegen die Vereinahmung der Marke durch Rechtextremisten aufgefallen.
Infolgedessen ist Lonsdale bei unseren "braunen Freunden" inzwischen so ziemlich out. Aber anner Ems gehen wohl die Uhren anders (am Hamburger Zollkanal wohl auch - siehe die Reaktion bei
SpOn

Bravo, Jusos in Papenburg, das habt Ihr Klasse hinbekommen! Zuerst ganz großen Bockmist bauen und dann alles weichspülen, verschlimmbessern, abwälzen! Und sich dann über die Parteienverdrossenheit wundern! doing, doing, doing

Aktion Lonsdale Loves all Colours

Nachtrag:
Inzwischen ist Quelle zur Vernunft gekommen. Ich verweise auf den Komentar bei Sven, dem ich mich inhaltlich voll anschließe: Quelle nimmt Entscheidung gegen Lonsdale-Produkte zurück

Was verteidigt die Bundeswehr am Hindukusch?

Etwa das hier?!? confused

Da ist etwas ganz schwer schief gelaufen beim Demokratisierungsprozess in Afghanistan!

Nachtrag, 22.3.: Sorry für die Stammtischparole in der Titelzeile, das war ein unreflektierter Wutausbruch.
Es war meiner Meinung nach durchaus sinnvoll, das Taliban-Regime mit militärischen Mitteln zu beseitigen. (Was wahrscheinlich überflüssig gewesen wäre, wären selbige Taliban nicht seinerzeit seitens der USA, China, Pakistans und des Iran -eine heute kaum noch vorstellbare "Achse der Sowjetgegner- gegen die "bösen Russen" unterstützt worden.) Und ohne ausländische Truppen würde in Afghanistan vermutlich sofort der offene Bürgerkrieg ausbrechen und die halbwegs legitime Regierung Karzei blutig gestürzt werden.

Guter Kommentar zur Affäre von Claus Christian Malzahn bei Spon: Die Freiheit des Abdul Rahman

Gedanken anläßlich eines bevorstehenden "Wikingerüberfalls", Teil 1: Gedanken zur Kinderfreundlichkeit

Gestern erhielt ich einen netten Brief: Eine alte Freundin und ihre drei wilden Jungwikinger (7, 5 1/2, im Mai 2) wollen so um Ostern ´rum Hamburg und bei der Gelegenheit auch mich besuchen. Wobei "wilde Jungwikinger" ihre Söhne an sich gut beschreibt, andererseits Assoziationen nahelegt, die auf die drei Jungen überhaupt nicht zutreffen. Barbar
Die drei sind lebhaft, aber nicht hyperaktiv, selbstbewußt, aber nicht agressiv. Sie gehören zu den (anscheinend selten gewordenen) Kindern, die spätestens nach einer halben Stunde den Gameboy gelangweilt in die Ecke pfeffern und lieber selber was machen: Toben, selbst erfundene Spiele spielen, basteln (überraschend geduldig) und Erwachsenen Löcher in den Bauch fragen. Sie sind intelligent, selbstbewußt, selbständig und strotzen geradezu vor Gesundheit.

Kinder, wie sie sich jeder eigentlich nur wünschen kann? Offensichtlich nicht! Zwar beklagen sich viele besorgte Erwachsene zurecht über die "Generation Gameboy", über mit Fast-Food fehlernährte Kinder, über Bewegungsmangel, aggressives Mobbing schon unter Grundschülern, Lernunwilligkeit, Respektlosigkeit.
Allerdings habe ich den Verdacht, dass "Jungwikinger" nicht sonderlich erwünscht sind, weil sie anstrengen. Am liebsten hätten wir wohl Kinder mit einer Pausentaste. Außerdem haben solche Kinder einen eigenen, ziemlich dicken, Kopf. Hochbegabt und sehr kreativ, sprachbegabt - aber "faul", d. h. nicht zu Leistungen bereit, deren Sinn ihnen nicht einleuchtet. Keine Musterschüler, mit denen sich angeben ließe, die sich schon im Grundschulalter in die Karrierepläne ihrer Eltern einfügen. Sportlich, kräftig, agil, aber anscheinend der Alptraum jedes "leistungsorientierten" Sportlehrers oder Trainers. Ohne Bock darauf stellvertretend für ihre Eltern sportliche Lorbeeren zu sammeln.

Kinderfeindlichkeit fängt sicherlich schon da an, wo man die Kinder nicht so nimmt, wie sie sind, sondern so, wie man sie sein sollen, wie "man" sie gerade braucht. Das gilt erst recht für behinderte Kinder (siehe noch mal: Die Spitze des Eisbergs. )
Wie verdreht, absurd und im Grunde menschenverachtend die derzeitige Demographie-Debatte ist, hat Barbara A. Lehner, österreichische Mutter und "Testsiegerin", sehr viel pointierter ausgedrückt, als ich es je könnte: Halbe Renten für ganze Menschen.

Die drei "Jungwikinger" haben Glück. Mit ihren Eltern, ihrem Wohnumfeld und ihrer Heimatland. Sie wachsen in Schweden auf. Nicht, das Schweden nun das Musterland der Kinderfreundlichkeit wäre. Der "schwedische Sozialsstaat" ist längst nicht das, für den ihn manche Kritiker der deutschen Verhältnisse ihn halten. Sagen wir mal so: das schwedische Erziehungswesen ist, soweit ich es beurteilen kann, nicht wirklich gut, sondern nur weniger schlecht als das deutsche. Immerhin: Erziehungsurlaub und Kindergartenplätze sind kein großes Problem und das Bildungssystem bietet zumindest Chancen für Arme und Wohlhabende gleichermaßen.
Auch hat das real existierende Schweden wenig Ähnlichkeit mit der kinderfreundlichen Bullerby-Idylle der Reiseprospekte. Und ideologisch verbiesterte Grundsatzdebatten über Erziehungsfragen, Schulsysteme und Kinderbetreuung gibt es auch mehr als genug.
Mir fällt aber der Pragmatismus angenehm auf, mit dem in Schweden auf Familien mit Kindern und deren Bedürfnisse reagiert wird. Z. B. gibt es in schwedischen Fernzügen Kinderspielabteile, weil sich dort herumgesprochen zu haben scheint, dass Kinder nicht gerne stundenlang still sitzen und das auch Familien mit Kindern Bahnkunden sind, die durchaus das Auto nehmen könnten. In Deutschland ist der Kinderhort von IKEA beispielhaft, in Schweden einfach nur das Übliche, das eben auch auf die ausländische Filialen übertragen wurde. IKEA ist entgegen seinem Image nämlich keineswegs sonderlich "sozial".

Übrigens schützt auch vorgelebte Gebärfreudigkeit Kinderfreundlichkeit nicht vor Schnappsideen. Ich hatte mich ein wenig gefreut, als eine Mutter von 7 Kinder, die es außerdem noch geschafft hat, die meiste Zeit anspruchsvoll beruftstätig zu sein, Familienministerin wurde. Endlich mal jemand, der wirklich das Leben kennt. Na, ja:
Ein Rat von der Leyen: "Eltern sollen mit Kindern beten"
Das christliche Grundvertrauen mache es leichter, ein Kind in die Welt zu setzen, sagte die Bundesfamilienministerin. Ganz große Klasse! Vielleicht sind andere Religionen noch geburtenfördernder? -> Jesus statt Odin. Das parallel dazu eine Allensbach-Umfage herausgefunden haben will, dass Höflichkeit, gutes Benehmen, Sparsamkeit und Gewissenhaftigkeit bei der Arbeit wieder Werte sind, die Kindern vermittelt werden sollten, paßt ins Bild. Nichts gegen die genannten Werte. Die "Jungwikinger" verkörpern sie, aus meiner Sicht, geradezu ideal. Ich habe aber so den Verdacht, dass zumindest einige politische Freunde von der Leyens darunter, ganz "deutsch-tradionell", etwas anderes verstehen als ich: Unterordnung, Konformität, bedingsloser Gehorsam. :(

Also genau das, was Ingers höfliche, sparsamen und beim Arbeiten (Basteln, Schule) gewissenhafte Jungwikinger echt doof finden.

Kleine Korrektur: Die Kinder wachsen zwar schneller, als man glaubt, aber ich hatte mich bei den Altersangaben um gut ein Jahr vertan: Der jüngste der Jungwikinger wird zu Beltaine erst 2! Habe das richtiggestellt.

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