Montag, 20. März 2006

Banküberfall mit der Wasserpistole

Manchmal kommt man mit einem billigen Bluff und reichlich Frechheit durch. Der derzeit wieder mal heftig grassierende "Abmahnkrieg" gegen Blogger und Foren - letzten Endes gegen die Meinungsfreiheit - funktioniert nach genau diesem Prinzip. Bis der Bluffer an den Richtigen gerät.

Z. B. an Jens Scholz (Ja, der mit der JvM-Klowand-Affäre). Er erhielt Post vom Anwalt der Firma Eurowerb. (Ja, die mit den billig zusammgehauenen Webseiten für teures Geld.)
...zeigen wir die Vertretung der rechtlichen Interessen der Euroweb Internet GmbH, Neumannstraße 02, 40235 Düsseldorf an.
(...) In verschiedenen Beiträgen und Kommentaren auf Ihrer Internetseite verbreiten Sie unwahre und beleidigende Behauptungen über unsere Mandantin, die diese auf das übelste herabwürdigen und verunglimpfen. Sie schwärzen unsere Mandantin unter Behauptung unwahrer Tatsachen an.
Natürlich steht auf
Jensens Blog
nichts, was den oben zitierten Behauptungen auch nur entfernt ähnelt. Weil es für eine noch so windige Abmahnung wohl nicht reichte, probierte es Euroweb mit einem ganz billigen Bluff. Etwa so überzeugend wie ein Banküberfall mit der Wasserspistole (wobei man sich so eine richtig knallbunte Plastikknarre vorstellen sollte).

Die Drohung gegen Jens ist kein Einzelfall. Laut Law Blog: bedrohte Blogger gingen im Laufe der letzten Woche an mehrere Blogger und Forenbetreiber Abmahnungen und Drohungen.

Jens reagiert - und zwar richtig, mit einer richtigen Abmahnung von seinem Anwalt.

Der Image-Schaden, den sich Euroweb mit seinem völlig irrealen Drohverhalten zugefügt hat, dürfte meiner Ansicht nach beträchtlich sein. Der Ruf des "seriöser Internetdienstleister" wird sich wohl nicht aufrecht erhalten lassen - wenn er nicht längst angesichts kläglicher Leistungen zu marktunüblich hohen Preisen restlos ruiniert ist. Ich vermute, dass Euroweb nur aufgrund der schlechten Internetkenntnisse seiner Kunden diese derart über den Tisch ziehen konnte. Schließlich sind die meisten von ihnen gestandene Kaufleute, die es sich schwerlich gefallen lassen dürften, dass ihr fehlendes Fachwissen derart schamlos ausgenutzt wurde.

Der Junge von Windeby

"Das Mädchen von Windeby" war in Wirklichkeit ein Junge! Eine genetische Untersuchung der kanadischen Anthropologin und Gerichtsmedizinerin Prof. Heather Gill-Robinson enthüllte das wahre Geschlecht einer der prominentesten Moorleichen Deutschlands. Die Todesursache des etwa 16-Jahrigen war Unterernährung und eine schwere Kieferinfektion.
Damit sind die meisten der gängigen Deutungen zur gut 2000 Jahre alten, im Windebyer Moor bei Eckernförde gefundenen Leiche hinfällig.
Schon längst ins Reich der Legende verbannt sind ältere, noch heute populären Deutungen von einer "rituellen Hinrichtung" an einer "Ehebrecherin": die angebliche Augenbinde war ein verutschtes Stirnband, die "obzöne Geste" ein Artefakt der Fundbergung 1952.

Ausführliche Berichte:
n-tv:"Das Mädchen von Windeby" ist ein Junge
Eckernförder Zeitung: Moorleiche ist ein "Windeboy"

"Naturvölker": mehr Morde als in der Bronx

Entgegen dem Klischee vom "Edlen Wilden" sind in Jäger-Sammler-Kulturen Gewalttaten mit tödlichem Ausgang häufiger als in heutigen US-Großstädten.
Das berichtet bild der wissenschaft in ihrer aktuellen Ausgabe. (Thorwald Ewe: "Todschlag im Paradies, bild der wissenschaft 4/2006, S.34.)
Selbst etliche Enthnologen halten bis heute daran fest, dass Gewalttaten in Jäger-Sammler-Kulturen äußerst selten seien. Jürg Helbig, Professor für Ethnologie an der Uni Zürich, wertete die Berichte von Ethnologen, Forschungsreisenden und Missionaren aus, die längere Zeit bei Wildbeutern gelebt hatten. Helbig legte Listen über die Zahl und die näheren Umstände von Gewalttaten an und rechnete die gewonnenen Daten auf jewails 100.000 Personen um. So wurden die Angaben statisch vergleichbar. Selbst die friedfertigste der untersuchten Gemeinschaften, die BaMbuti, kamen auf statisch 40 Tötungsdelikten auf 100.000 Menschen, deutlich mehr als die übel beleumundeten US-Großstädte.

(Allerdings ist die Statistik wegen der kleinen absoluten Fallzahlen in einigen Fällen mit Vorsicht zu genießen: die erschreckenden hochgerechneten 419 Totschläge pro Jahr bei den Copper-Innuit im Beobachtungzeitraum 1900-1920 beziehen sich auf eine Gemeinschaft von einigen hundert Menschen. Real kam in den meisten Jahren niemand um.)

Die Ursachen waren meistens eskalierende Konflikte um den Lebensunterhalt. Normalerweise gehen die normadischen Wildbeuter Konflikten durch Ausweichen aus dem Wege. In bestimmten Situation, etwa bei der winterlichen Robbenjagd der Inuit, ist es ihnen nicht möglich, einander auszuweichen. Streitigkeiten können bis zu Mord und Totschlag eskalieren.
Da wird den Wildbeutern ihre egalitäre Gesellschaftsform zum Verhängnis", erklärt der Züricher Forscher. "Es gibt keinen Häuptling oder eine andere Autoritätsperson, die solche Konflikte unblutig entschärft."
Ganz falsch ist das Klischee von den "friedlichen Naturvölkern" nicht: zwischen Jäger-Sammler-Gruppen finden keine Kriege statt. Das ist erst bei sesshaften Stammesgesellschaften der Fall: Für sie wäre es zu verlustreich, durch Wegzug auf Ressourcen zu verzichten. Sie verteidigen sich. Der eigentliche "Brennstoff" für Stammeskriege ist allerdings die kollektive Rache. Bei den weniger organisierten Wildbeutern ist Rache eine persönliche Angelegenheit, die weder die Sippe noch den Stamm zur Blutrache verpflichtet.

Nicht von ungefähr geht es im preisgekrönten Film Atanarjuat um mörderische Auseinandersetzungen innerhalb einer Inuit-Gemeinschaft vor der Ankunft der "Weißen", und nicht von ungefähr wurde dieser realistische Film von Inuit produziert.

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