Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme - heute: Star Trek

Dieses Mal geht es nicht, wie sonst, um einem Film, der doof, aber doch irgendwie gut ist, sondern um einen, der gut, aber doch irgendwie doof ist.

Vorweg: Der neue, 11. Star Trek -Film mit dem schlichten Titel "Star Trek" ist ein gut gemachter, unterhaltsamer Film.
Die Idee, einen "Reset" zu machen und die Geschichte des Raumschiffs Enterprise und seiner Crew sozusagen neu zu erzählen, ist, wenn man bedenkt, wie umfangreich und teilweise widersprüchlich der "Canon" aus fünf Fernsehserien und zehn Filmen ist, folgerichtig. Zwar ist dieser Neubeginn nicht so radikal ausgefallen wie bei der neuen "Kampfstern Galactica"-Serie, aber bei "Star Trek" stellt sich nicht das Problem, aus völlig trashiger SciFi mit einigen guten Ansätzen im Original in der Neuauflage eine gute Science Fiction-Serie zu machen.
Dass es Spocks Versagen in der "Zukunft" ist, das indirekt die neue Handlung auslöst, die damit in einem Alternativ-Universum zum "Original" spielt, ist nicht besonders originell. Damit wurde nur ein weiteres der unzähligen Parallel-Universen des Star-Trek-Multiversums kreiert. Andererseits hätte es nicht funktioniert, ohne jede Begründung einfach mit veränderten Prämissen neu anzufangen.

Besetzung und schauspielerische Leistung sind, anders als bei vielen anderen Science Fiction-Streifen, gut. Mit Zachary Quinto ist die Rolle des jungen Spock gut besetzt. Chris Pine legt den jungen Kirk anders an, als Shatner einst den Captain Kirk, aber wie er das macht, gefällt mir. Ein Kompliment an Karl Urban: sein junger McCoy schließt sich an Jackson DeForest Kelleys Dr. McCoy sozusagen nahtlos an, ohne das sein Spiel "nachgemacht" wirkt. Auch Leonard Nimoy als "alter Spock" zeigt sich in alter Form.

Obwohl "Star Trek" ausdrücklich kein Film für "Altfans" sein soll, gibt es zahlreiche kleine Anspielungen auf die alte Fernsehserie. Das Design ist eine geglückte Mischung aus dem Stil der Original-Serie aus den 1960ern und neuen Elementen. Sicher, einiges ist Geschmackssache (mir ist das Set-Design streckenweise zu düstern), aber wirklich "daneben" ist einzig die Idee, die Brücke der "Enterprise" statt des gewohnten Hauptschirm mit einer "Windschutzscheibe" zu versehen, die nach erfolgtem Gefecht mit dem Schiff des "Bösewichts" mit dem sinnigen Namen "Nero" tatsächlich Sprünge ausweist.
Die Spezialeffekte sind in Ordnung; die Kameraführung und der hektische Schnitt weniger. "Action"-Film heißt noch lange nicht, dass alle paar Sekunden ein Einstellungswechsel erfolgen muss. Nun ja, Geschmackssache.

Alles in allem: unterhaltsames Popcorn-Kino. Ein guter Film.

Allerdings auch ein doofer Film. Jedenfalls aus der Sicht eines Science Fiction-Fans wie mir, der Spaß daran hat, das Denkvermögen beim Kinobesuch nicht an der Garderobe abzugeben.
Die Story ist nämlich selten einfallslos. Man könnte sagen: nun, was erwarte ich von Popcorn-Kino?
Aber meine Güte: Es ist Star Trek!
Bisher zeichneten sich alle Star Trek-Serien durch Geschichten aus, die manchmal total gaga, hin und wieder intelligent, meistens originell, ab und an ziemlich schräge – und fast immer phantasievoll waren. Das Star Trek-Gefühl hängt sehr von den einfallsreichen oder zumindest engagierten Drehbüchern ab.
Das gilt auch (meistens) für die Star Trek-Filme (Meistens! Drehbuchschwächen gab es auch bei denen. Und Klischees ohne Ende.) Filme zum Spinnen und Träumen.
Nicht aber für den neuesten Star Trek-Film. Das ist ein typischer unterhaltsamer, aber strunzdummer Action-Film. Ein Haufen Aktionszenen und eine völlig vorhersehbare Klischeehandlung.
Bezeichnenderweise zeigt er, wie Kirk und Spock "aufwuchsen" – wobei die Jugend Kirks völlig der abgenudelten Nummer "Rebellischer junger Mann, der dann doch noch die Kurve Richtung Karriere kriegt" entspricht.
Kirks Vater stirbt, Kirk ist (klischeegerecht) deshalb völlig von der Rolle, rebelliert und prügelt sich, Jung-Spock hat Zoff mit den steifen, arroganten Vulkaniern und prügelt sich auch (immerhin ist das bei Spock nicht Klischee), der Planet Vulkan wird zerstört (ging es wirklich nicht ´ne Nummer kleiner?). Ja, und klar, Kirk und Spock stoppen den Bösewicht. 08/15. Und voller großer Unwahrscheinlichkeiten, die logisch nur dadurch zu erklären wären, dass die "Enterprise" mit dem aus "Per Anhalter durch die Galaxis" bekannten "Unendlichen Unwahrscheinlichkeits-Antrieb" ausgestattet ist. Jedenfalls kein Film, der auch beim mehrmaligen Sehen spannend wäre.

Damit wären wir bei dem Punkt, der richtig doof ist. Der Bösewicht. Klar, Klischeebösewichte gab es bei Star Trek schon öfter mal, aber einen Bösling, der so dick aufgetragen böse ist wie "Nero" noch nicht - und dabei auch noch, das ist das Peinliche, ironiefrei. Nicht nur, dass er nach einen als böse geltenden römischen Kaiser benannt ist - damit auch Zuschauer, die in Geschichte immer geschwänzt haben, mitkriegen, dass er richtig BÖSE ist, hat er Gesichtstattoos und fliegt ein Raumschiff, das schon von außen BÖSE aussieht und dessen Inneneinrichtung an eine finstere Klischee-Spelunke erinnert - eigentlich müsste Neros Brückencrew bei der schlechten Beleuchtung ständig die falschen Tasten drücken (aber vermutlich stammen die alle von nachtaktiven Wesen ab). Dass das Schiff offenbar seit seiner Indienststellung nie aufgeräumt wurde, und überall irgendwas im Wege steht, stelle ich nur mal so in den Raum.
Irgendwie fehlt Nero nur noch der schwarze Mantel und der schwarze Hut, damit auch jedes Bösewicht-Klischee erfüllt ist. Trotzdem - oder deswegen? - ist Nero der vermutlich blasseste Gegenspieler in der Geschichte der Star-Trek-Serien und -Filme.

Alles in allem ein guter, aber auch reichlich doofer, Sommer-Wochenend-Action-Film.

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