Dienstag, 3. Februar 2009

Zum 100. Geburtstag einer verkannten Denkerin

Heute wäre Simone Weil 100 Jahre alt geworden. Sie starb leider viel zu früh im Alter von nur 34 Jahren.

Einen - wie ich finde - sehr guten Aufsatz über die Anarchistin, Philosophin und Mystikerin schrieb Antje Schrupp: Zum 100. Geburtstag von Simone Weil. Antje Schrupp arbeitet das heraus, was auch mich an dieser Denkerin immer fasziniert hat - z. B. ihren politischen Durchblick, ihre Offenheit, ihre Zähigkeit - und stellt einige Dinge richtig, die mich bisher an Simone Weil gestört hatten. Z. B. wird sie sehr stark von der katholischen Kirche "beansprucht", sie wurde sogar "ungetaufte katholische Mystikerin" genannt - wobei es angeblich ein "Bekehrungserlebnis" oder wenigstens eine "Buch" im Leben gegeben hätte - erst Anarchistin und Revolutionärin, danach Christin und Mystikerin. Antje Schrupp stellt das richtig und sieht eine logische Entwicklung:
Was Simone Weil an der Religion interessiert, das ist die Möglichkeit einer Lebenshaltung angesichts eines Unglücks, das nicht zu beheben zu sein scheint. Sie interessiert sich für Gott, weil das sozusagen die einzige Hoffnung ist, die bleibt, wenn man ihre Analyse der politischen Verhältnisse zu Ende denkt, die keine Hoffnung mehr bereit halten.
Dabei führte sie ihre Hinwendung zum Christentum nicht geradewegs zum herkömmlichen Katholizismus - ganz und gar nicht:
Simone Weil glaubt aber nicht, dass nur die christliche Religion dieses Wahre kennt, sondern sie entdeckt es in allen möglichen philosophischen Denkrichtungen, von Platon über altägyptische Volksmythen, vor allem bei den Katharern, im Buddhismus, im Taoismus und eben auch im Christentum. Die Worte Gott, Christus und Krishna benutzt sie in ihren Briefen sozusagen synonym. Sie glaubt, dass diese philosophisch-spirituellen Traditionen jede auf ihre Weise einen Blick auf das Wahre, auf Gott bereithalten, und zwar auch in langen Zeiten der Düsternis auf der Welt.
Sie lehnte, trotz Interesse am Katholizismus, die Taufe ab, weil sie fürchtete, dass ihr Denken mit den kirchlichen Dogmen nicht vereinbar sei.

Bisher argwöhnte ich, dass sie sozusagen ein "klassisches" Beispiel für eine judenfeindliche Ex-Jüdin gewesen wäre. Tatsächlich scheint es so gewesen zu sein, dass der im "Alten Testament" (richtiger: der jüdischen Bibel) beschriebene grausame und rachsüchtige Gott sie abschreckte. (Mir geht es genau so. Allerdings bin ich der Ansicht, dass die Auseinandersetzung mit diesen schrecklichen Mythen die Entwicklung der jüdischen Religion zu einer sehr abstrakten, sehr "intellektuellen" Gesetzesreligion und auch die Entwicklung der pragmatischen jüdischen Humanität - Grundsatz: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, alles andere ist Kommentar" - förderte.)

Außerdem hatte ich bisher den Eindruck, sie sei überspannt und mitunter weltfremd gewesen. Auch da hat mich der Aufsatz eines Besseren belehrt.

Aber was schreibe ich hier so viel - lest lieber selbst den Aufsatz!

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