Bandlöcher - Persönliche Nachträge zum Thema Bücherverbrennung
Zum 10 Mai machte ich mir ein paar Gedanken zum traurigen Thema Bücherverbrennung. Offensichtlich gehört es zu den Themen, die mir nicht aus dem Kopf gehen wollen. Denn die Meinungsfreiheit ist (wieder mal) gefährdet - durch massive Einschüchterungs-Aktionen - anders kann ich die "Sicherheitsoffensive" im Vorfeld des G8-Gipfel nicht bezeichen. "Null Toleranz gegen Chaoten und Gewalttäter" nennt das der Hamburger Innensenator Udo Nagel. Was nachvollziehbar wäre. Wenn nicht die Großrazzien gegen Einrichtungen (nicht nur) der linksautonome Szene unübersehbar den Charakter eines hysterischen Rundumschlags hätte. Da sind ängstliche Angstmacher am Werk. Es geht nicht um das Risiko terroristischer Anschläge und es geht nur ganz am Rande darum, dass die geplanten Proteste sich gegen den G8-Gipfel richten. Es geht um den Protest an sich.
"Meinungsfreiheit" - wie wenig es die in der "freien Presse" gibt, beleuchtete schrill die Affäre um "Welt am Sonntag" Chefkommentator Alan Posener und seine Kritik an "Bild"-Chefredakteur Diekmann. Posener hatte mehr Mut als die meisten Berufskollegen, deshalb wurde sein Blogbeitrag gelöscht, und damit die internen Grenzen der Meinungsfreiheit offensichtlich. Sonst läuft das unsichtbar im "redaktionelle Vorfeld" oder gleich im Kopf ab.
Die Hierarchien und Interessen im realen Wirtschaftsleben hebeln die Meinungsfreiheit aus. Die Angst des Journalisten vor "beruflichen Konsequenzen" zieht Linientreue nach sich. Bücher, die nie geschrieben werden, brauchen nicht spektakalär verbrannt werden. So funktioniert "gelenkte Demokratie", und weißtyr nicht nur in Russland. (Mehr dazu bei MomoRules.)
2003, zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennung, machte ich ein kleines Experiment: Ich nahm mir eine Liste der in der Nazizeit verbotenen Bücher zur Hand und entfernte alle Bücher aus meinen Bücherregalen, die auf dieser Liste standen.
Obwohl bei weitem die meisten der mir gehörenden Bücher erst nach 1945 erschienen ist, riss diese Aktion sichtbare Lücken in meinen Buchbestand.
Fast habe ich den Eindruck, die Nazis seien gegen Qualität allergisch gewesen, denn auffallend viele der von ihnen verbotenen Bücher sind literarisch herrausragend oder inhaltlich originell.
Womit sich der Kreis zu den Angstbeißern von heute schließt: Mittelmäßiges läßt sich einschätzen, literarisch Schlechtes als ohnehin irrelevant vom Tisch wischen - aber was über den persönlichen Horizont hinaus geht, das macht Angst, das wirkt sogar dann gefährlich, wenn es gar nicht gefährlich ist.
Es kommt noch etwas hinzu: die meisten Tyrannen sind und waren Populisten. Ihre Macht ziehen sie auf der Unterstützung durch die "breite Masse", die man sich im Extremfall von 1933 als "breite braune Masse" vorstellen muß. Konformismus, auch und gerade kultureller Art, ist der klebrige Schleim, der solche breiten Massen zusammenhält. Nannte man damals "gesundes Volksempfinden".
Ein weiteres Merkmal der Bücherverbrenner: es ist immer ein höchst symbolisch aufgeladener, "religiöser" Akt. Weshalb in sekulären Systemen lieber unauffällig eingestampft als öffentlich verbrannt wird.
Weshalb dann auch die erste Bücherverbrennung des 21. Jahrhunderts, nein, nicht von religiösen Fanatikern, sondern von in festen kulturellen Bahnen denkenden und von aus der Religion abgeleiteten Angstphantasien gequälte Menschen verübt.
Wie groß muß die Angst vor dem göttlichen Strafgericht und der Helfern des Teufels sein, wenn sogar Kinderbücher verbrannt werden? Wobei das Fatale ja ist, dass diese Menschen wirklich Angst um die Seelen ihrer Kinder haben.
Alte Ängste. Und ein altes Rezept der Angstbewältigung.
Wer Bücher verbrennt, verbrennt innerlich vor Angst.
"Meinungsfreiheit" - wie wenig es die in der "freien Presse" gibt, beleuchtete schrill die Affäre um "Welt am Sonntag" Chefkommentator Alan Posener und seine Kritik an "Bild"-Chefredakteur Diekmann. Posener hatte mehr Mut als die meisten Berufskollegen, deshalb wurde sein Blogbeitrag gelöscht, und damit die internen Grenzen der Meinungsfreiheit offensichtlich. Sonst läuft das unsichtbar im "redaktionelle Vorfeld" oder gleich im Kopf ab.
Die Hierarchien und Interessen im realen Wirtschaftsleben hebeln die Meinungsfreiheit aus. Die Angst des Journalisten vor "beruflichen Konsequenzen" zieht Linientreue nach sich. Bücher, die nie geschrieben werden, brauchen nicht spektakalär verbrannt werden. So funktioniert "gelenkte Demokratie", und weißtyr nicht nur in Russland. (Mehr dazu bei MomoRules.)
2003, zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennung, machte ich ein kleines Experiment: Ich nahm mir eine Liste der in der Nazizeit verbotenen Bücher zur Hand und entfernte alle Bücher aus meinen Bücherregalen, die auf dieser Liste standen.
Obwohl bei weitem die meisten der mir gehörenden Bücher erst nach 1945 erschienen ist, riss diese Aktion sichtbare Lücken in meinen Buchbestand.
Fast habe ich den Eindruck, die Nazis seien gegen Qualität allergisch gewesen, denn auffallend viele der von ihnen verbotenen Bücher sind literarisch herrausragend oder inhaltlich originell.
Womit sich der Kreis zu den Angstbeißern von heute schließt: Mittelmäßiges läßt sich einschätzen, literarisch Schlechtes als ohnehin irrelevant vom Tisch wischen - aber was über den persönlichen Horizont hinaus geht, das macht Angst, das wirkt sogar dann gefährlich, wenn es gar nicht gefährlich ist.
Es kommt noch etwas hinzu: die meisten Tyrannen sind und waren Populisten. Ihre Macht ziehen sie auf der Unterstützung durch die "breite Masse", die man sich im Extremfall von 1933 als "breite braune Masse" vorstellen muß. Konformismus, auch und gerade kultureller Art, ist der klebrige Schleim, der solche breiten Massen zusammenhält. Nannte man damals "gesundes Volksempfinden".
Ein weiteres Merkmal der Bücherverbrenner: es ist immer ein höchst symbolisch aufgeladener, "religiöser" Akt. Weshalb in sekulären Systemen lieber unauffällig eingestampft als öffentlich verbrannt wird.
Weshalb dann auch die erste Bücherverbrennung des 21. Jahrhunderts, nein, nicht von religiösen Fanatikern, sondern von in festen kulturellen Bahnen denkenden und von aus der Religion abgeleiteten Angstphantasien gequälte Menschen verübt.
Die wahrscheinlich erste Bücherverbrennung im 21. Jahrhundert betraf J. K. Rowlings „Harry Potter“. Pastor George Bender und Mitglieder der amerikanischen christlichen „Harvest Assembly of God“-Kirche in Pittsburgh verbrannten während eines „book burning“-Gottesdienstes im März 2001 Harry Potter-Bücher mit der Begründung, der neue Held unzähliger Leser verherrliche Zauberei und Hexentum.Wikipedia.
Wie groß muß die Angst vor dem göttlichen Strafgericht und der Helfern des Teufels sein, wenn sogar Kinderbücher verbrannt werden? Wobei das Fatale ja ist, dass diese Menschen wirklich Angst um die Seelen ihrer Kinder haben.
Alte Ängste. Und ein altes Rezept der Angstbewältigung.
Wer Bücher verbrennt, verbrennt innerlich vor Angst.
MMarheinecke - Donnerstag, 10. Mai 2007