... damit nicht nachher einer sagt, er hätte vorher "nichts gewußt"

Ein Artikel von Burkhard und Claudia Schröder auf Telepolis:
Des Zierckes neue Gesetze
Die innenpolitischen Scharfmacher sagen offen, was sie wollen: Wohnungen heimlich durchsuchen und informationstechnische Systeme verwanzen und manipulieren. Nur das Grundgesetz steht dem noch im Weg.
Es ist schon ein Trauerspiel mit unseren Volkvertretern (mit wenigen Ausnahmen): Halbgare und erkennbar verfassungsrechtlich problematische Gesetze werden lustlos "durchgewunken". An einer ernsthafte Debatte scheint bei der Anhörung des Innenausschuss des Bundestags über den Entwurf für ein geändertes BKA-Gesetz

Bezeichnenderweise gehörten zu den angehörten Experten keine IT-Fachleute - bezeichnenderweise, denn die meisten der Behauptungen zur "Online-Durchsuchung" lassen sich mit etwas Sachverstand zwischen Daumen und Zeigefinger zerreiben.

Einige Bürgerrechtlern äußern - mal mehr, mal weniger verklausuliert - den Verdacht, dass hinter den angeblich zur Terrorismusabwehr gedachten Überwachungsmaßnamen als Endziel ein "kalter Putsch" zur Errichtung einer Diktatur von Orwellschen Ausmaßen, stünde.

Ich halte diese Vermutung für falsch (was übrigens auch die Schröders tun) . Zirke und andere Befürworter der verschärften Überwachung denken zuerst als Polizisten, die Straftaten verhindern wollen, die Bürgerrechte haben dabei - aus ihrer professionellen Perspektive gesehen - eher den Charakter eines Hindernisses ("Datenschutz ist Täterschutz") Bei vielen Politikern, die diese Gesetzesverschärfungen wollen, vermute ich eine Mischung aus Angst, Eigeninteresse und Ahnungslosigkeit, die, oft verbunden mit einem manchmal naiv anmutenden Vertrauen in die Wirksamkeit von Gesetzen und die Möglichkeiten der Technik zur "Präventionistis" führt.
Was die traurige Mehrheit der Abgeordneten angeht, und die ebenso traurige Mehrheit der Medien, vermute ich Desinteresse und mangelnde Sachkenntnis, wobei der mangelnden Sachkenntnis mangels wirklichem Interesse nicht mit Recherchen abgeholfen wird.
Woher das mangelnde Interesse stammt, kann ich nur vermuten.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Gezerre um die "Online-Durchsuchung" nicht der eigentliche innenpolitische Kriegschauplatz ist. Angesichts der dürftigen intellektuellen Niveaus der Argumente der Befürworter und der zumeist dilettantischen juristischen Ausführung der aktuellen Sicherheitsgesetze wäre die Idee, es gebe eine Art "Masterplan", eine geheime Staatspolizei schaffen zu wollen und einen "Sicherheitsstaat", die einen gläsernen Untertanen verwirklichen, eine Verschwörungstheorie. Aber es bleibt ein Verdacht, dass die Politik das billigend in Kauf nähme, ohne ernsthaft Widerstand zu leisten.
Darin kann ich den Schröders nur zustimmen. Wozu eine finstere Großverschwörung annehmen, wo doch ein bloßer Dilletantismus verbunden mit Fahrlässigkeit locker ausreicht.
Ausreicht, um die Demokratie gegen die Wand zu fahren.

Nachtrag: fefe war auch da und hat über die Anhörung des Innenausschusses einen langen, kritischen Artikel geschrieben, während der Reporter der Tagesschau offensichtlich auf einer anderen Veranstaltung war: Kritik am BKA-Gesetz, aber kaum Verfassungsbedenken - ja, wenn kein einziger der Staatsrechtler den Gesetzentwurf als verfassungskonform bewertet, ist das ja nicht so wichtig!
Tja, und was im "Stern" steht, das liest sie wie vom anderen Stern:
Staatsrechtler geben Okay für BKA-Gesetz. So dreist hätte früher nicht mal die "Bild" gelogen.

Kai Raven war auch da und hat Notizen zur Sachverständigenanhörung über den Entwurf des BKA-Gesetzes gemacht.

Noch ein Nachtrag: Burkhard Schröder hat in seinem Blog noch einige wichtige Ergänzungen zum telepolis-Artikel: BKAG-E vor dem Innenausschuss.
Er hat leider wohl recht: Von der CDU und der SPD ist rein gar nichts zu erwarten. Die würden alles abnicken, sogar ein Ermächtigungsgesetz. Und würden es nicht einmal merken, das ist mein Eindruck.
Man kann nur hoffen, dass die niemals eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag kriegen. Dann könnte selbst das Bundesverfassungsgericht gegen die zahlreichen Verfassungsfeinde im Bundestag nichts ausrichten.
Björn (Gast) - 17. Sep, 18:27


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