Kitsch?

"Kitsch" ist einer der schwammigsten Begriffe der deutschen Sprache - und der Kitschvorwurf ein geradezu klassisches Totschlagargument gegen Kunst, die man aus irgendeinem Grunde für minderwertig hält. Oft kann man daher "Das ist keine Kunst, sondern Kitsch!" mit "Das entspricht nicht dem von mir für gültig gehaltenen Kunstkanon" übersetzen.
Den Kitschvorwurf habe ich einige Male "am eigenen Leibe" erleben "dürfen". Ich bestreite gar nicht, dass das, was ich als (Amateur-)Künstler zustande bringe, künstlerisch nicht viel wert ist - und auf dem Kunstmarkt noch weniger.
U.S.S. Enterprise 1799
"Die unsäglichen Schinken mit Segelschiffen auf bewegter See sind das hanseatisch-gutbürgerliche Gegenstück zum berüchtigtem röhrenden Hirsch in Öl." - Folglich ist dieses von mir gemalte Bild Kitsch.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass jene, die leicht angewidert von "Kitsch" oder "Trivialkultur" reden, das in erster Linie zwecks Distinktionsgewinn machen. Dabei gibt es eine regelrechte "Distinktionsgewinnhühnerleiter" - in der Literatur geht das z. B. so: Der Simmel-Leser sieht auf die Leser von Heftromanen herab ("Niveauloses Zeugs"), während der Süßkind-Leser auf den Simmel-Leser herabblickt, und ein, sagen wir mal, Grass-Leser nicht selten auf den Süßkind-Leser herabblicken wird, dem seinerseits von einem Kafka-Jünger eine bodenlose Niveaulosigkeit seines literarischen Geschmacks unterstellt wird. (Was mich angeht: ich lese sowohl "Perry Rhodan" wie Kafka. Simmel, Süßkind und Grass zählen hingegen nicht zu meinen Lieblingsschriftstellern.)

Da tut es gut, wenn jemand den Kitschbegriff etwas anders, und zwar treffender, gebraucht:
Und das allerschlimmste ist: Die Grünen wird das gar nicht stören. Ein wenig Öko kreischen und Kultur-ist-auch-wichtig-Rhetorik, und ansonsten geht’s vor allem um die Sicherung der Eigenstumswohnung in Eimsbüttel und die Karrierechancen der Kids des je eigenen Milieus. Und für die Besserverdienenden auch um die Abschottung gegen alle den Kitsch störenden Elemente in Ottensen, dieser Biedermeiner-Idylle für die Etablierten in der Kreativwirtschaft und Waldorfschullehrer.
momorulez in “Eine prominente Front von Gegnern gibt es nicht”: Die Koalition der Friedhofsgärtner
Ich weiß nicht genau, was momorulez unter "Kitsch" versteht. Ich bin da etwas altmodisch und folge einer laut "Wikipedia" "älteren Definition". Kitsch ist falsch:
  • falsch im Ort (etwa: Erzeugnisse der Musikindustrie werden als Volksmusik ausgegeben)
  • falsch in der Zeit (etwa: besungen wird eine heile Welt, die es nicht gibt)
  • falsch im Material (etwa: Verwendung von Klischees statt echter Gefühle)
(Falsch im Material kann auch wörtlich gemeint sein, wenn z. B. ein Stück Polystyrol-Spritzguss so tut, als sei es eine Schnitzerei in Holz. Umgekehrt sollte man sich hüten, alles, was aus Plastik ist, gleich für Kitsch zu halten.)

Genial finde ich Adornos Definition, der Kitsch als etwas "dümmlich Tröstendes" bezeichnete - auch wenn ich mich hinsichtlich dessen, was ich kitschig nenne, keineswegs seiner Meinung anschließe. Adorno schätzte das Wohlgefühl des Distinktionsgewinns für meinen Geschmack zu sehr.

Bezogen auf Wohn-Milieus ist "Kitsch" schlicht Verlogenheit. Konflikte werden aus dem Umfeld herausgehalten oder geleugnet. Eine Form der Wirklichkeitsflucht, in der das "gute" Wohnquartier als Oase der Geborgenheit wirkt. Die (eventuell) in einer gentrifizierten Gegend wie Ottensen vorhandene kulturelle "Szene" ist aus dieser Sicht eher "Service" oder "Deko" - und wird so entwertet.

Was halte ich für kitschig?
Ich finde das Werk zweier Maler, die verschiedener nicht sein könnten,ausgesprochen kitschig - was etwas anderes ist, als dass ich ihre Gemälde für durchweg schlecht halte.
Der eine ist Bernard Buffet. Dieser Maler hat das Pech, sehr früh im Leben sehr erfolgreich gewesen zu sein. Seine gigantische Produktion von mehr als 150 Bildern pro Jahr führte nicht nur dazu, dass seine Gemälde etwas sehr beliebiges hatten - er malte so ziemlich alles, und zwar in einem Stil, dem man schnell überdrüssig wird. Weshalb Buffet, nachdem der Hype (bzw. die Kunstmarktblase) infolge totalen Überdrusses um 1970 geplatzt war, den Ruf hatte, nur ein Fließbandmaler kitschiger Elendsbildern zu sein. Auch wenn Buffet jetzt "wiederentdeckt" wird, bin ich nach wie vor der Meinung, dass Buffet diesen Ruf zurecht hat. Wenngleich einzelne Bilder Buffets im richtigen Zusammenhang durchaus ihren Reiz haben können.

Der andere ist der Fantasy-Maler Boris Vallejo. Ich halte ihn für kitschig, obwohl ich das bei "Gebrauchskünstlern" - Vallejo malt vor allem für Buchtitel und für die Werbung - nicht so eng sehe. Vallejos handwerkliche Fähigkeiten sind beachtlich, der Mann kann malen und zeichnen, und ab und an schafft er surrealistische und phantastisch-realistische Werke, an denen ich mich kaum satt sehen kann. Allerdings: meistens malt er klischeehafte Bilder muskulöser Helden und wenig bekleideter, junger und "gut gebauter" Frauen. Eine mir persönlich bekannte Künstlerin und Kunstdozentin meinte, Vallejos "verschwendet sein Talent", ungeachtet des großen kommerziellen Erfolges seiner Bilder, denn er bedient immer dieselben ausgelutschten Klischees, obwohl man sieht, dass er auch anders könnte.
Besonders stört mich an Vallejo die "Konsum-Erotik" - Motto: Sex sells, aber nur dann, wenn die erotisierende Darstellung nicht verstört und die Grenzen der (in diesem Fall amerikanischen) üblichen Prüderie eingehalten werden.
distelfliege - 27. Apr, 00:18

Hm..

...also, Boris Vallejo - da find ich Luis Royo noch schlimmer. Ich kannte den Kerl nicht und interessiere mich für diesen Stil der schwertbehangenen Tittenweiber auch nicht sonderlich, aber leider stammen 90% der Avatare in Heidenforen und ca. 50% der Illustrationen auf den Seiten von manchen Magiebegeisterten von Royo, so daß man nicht dran vorbeikommt. Und nachdem mir irgendwann der Urheber von diesen Heerscharen mich penetrant verfolgender Schwertnymphen und Tränenengel, mystischen Ladies und Oberweitenhexen namentlich bekannt war, habe ich meine helle Freude daran, daß man Avatare mit fremdem Copyright in Foren nicht nutzen darf: Endlich darf ich den ganzen Royo-dreck rauslöschen! Yeah! Ich hoffe, der Mann legt Wert auf seine Kunst und fängt bald mal an, sich drum zu kümmern, daß seine Bilder gefälligst nur von den Leuten benutzt werden dürfen, die ihn dafür bezahlen. Internet ohne Royo und Vallejo-Weiber an jeder Ecke - wär das schön.
Ausserdem fällt mir noch zum Thema "Kitsch" das schöne Helge-Schneider Zitat ein, der mal A. Lloyd-Webber als jemanden erwähnte, der die "ganze Welt mit seiner Scheiße besudelt" *lol*

Hunterlady (Gast) - 27. Apr, 09:31

Tja...

ich muß gestehen, ich habe ein Boris-Bild über meinem Bett zu hängen.*g*
http://vallejo.ural.net/1984/show.php?005
Allerdings hauptsächlich wegen dem zweiköpfigem Tier/Mensch am unteren Bildrand, ich hatte sogar schonmal überlegt, es mir tätowieren zu lassen.
Im allgemeinen finde ich die Boris Werke eher langweilig, ob ich sie als Kitsch bezeichnen würde...hm..
Der inbegriff des Kitsch sind für mich übrigens irgendwelche Porzellanfigürchen Sammlungen und unsagbar häßliche Kunstblumen.

MMarheinecke - 27. Apr, 16:15

An einem ähnlichen Bild habe ich mich selbst versucht ...

... fand es aber schon als Skizze so "kitschig", dass ich es nie als Gemälde ausgeführt habe:
Die Nacht der Zwillingsmonde

Legt man den (modernen) akademischen Kanon zugrunde, wären wohl zwei Drittel meiner Bilder "Kitsch" - und fast alle "laienhaft".
ryuu - 27. Apr, 15:07

Danke für diese Begriffsbetrachtung, Martin!
Ich würde fragen, ob das "sex sells" bei Royo und Vallejo (und vielleicht überhaupt?) nicht in Wirklichkeit ein "hegemonial-heterosexueller Vanilla-Sex verkauft sich gut" ist, denn diese Frauen- und Männerdarstellungen reproduzieren ja die übelsten Klischees und bilden nur ganz idealisierte Körper ab. Normalgewichtige oder gar dicke, alte, flachbrüstige oder kurzhaarige Frauen, dürre oder effeminierte Männer wären schon wieder verstörend.
Ich denke, das Ganze würde auch in Form einer "schwulen Konsumerotik" oder auf "heteroporno-kompatibel" lesbisch (will sagen: gängigen Schönheitsidealen entsprechende Frauen fummeln harmlos aneinander herum) noch funktionieren. Dasselbe beobachte ich auch in den von Weichspül-SM durchdrungenen Werken von vielen Gothic-Fotografen: da weicht das SMige auch nur soweit vom "Normalen" ab, daß es gerade noch als Antörner für heterosexuelle "vanilla people" funktioniert. Auch das würde ich unter Kitsch verbuchen.
Ehrlich gesagt: es ist meistens mehr der Sexismus, der mich an diesen Bildern stört, als daß ich sie künstlerisch ziemlich uninteressant finde.
Ob das Immergleiche und das beliebig Konsumierbare auch zu den Merkmalen von Kitsch gezählt werden können? Ich habe gerade in einem Forum die Art von heidnischen Chants gebasht, die sich in monotoner Pseudo-Modalität ergehen und deren Melodik so vorhersehbar ist, daß gilt: kennst du einen, kennst du alle. Ist das also eine Form von musikalischem Kitsch?

MMarheinecke - 27. Apr, 16:08

Da gebe ich Dir recht

Denn der von mir benutzte Begriff "Kosumerotik" lässt sich leicht auf: "hegemonial-heterosexueller Soft-Sex, der niemandem ernstlich weh tut, aber der immer noch gängigen Macho-Klischee bedient" zurückführen.
Wobei Boris Vallejo ja immerhin manchmal auch kurzhaarige und "drahtige" Frauen und grauhaarige ältere Männer (die dann aber meistens "wettergegerbt-heroisch" aussehen) auf die Leinwand bringt. Außerdem zeigen einige seiner Werke "lesbisch" wirkenden Frauen, und auch vor "dezenter" schwuler Erotik schreckt er nicht zurück. Das macht sicher den von Distel bemerkten Unterschied zu z. B. Royo aus - Royo ist einerseits "weicher" (also kaum SM-Anspielungen) und andererseits "heterosexueller" - während Boris Vallejo etwa seitdem er nicht mehr nur von Titelbildern und Werbung lebt, sondern auch im Kunsthandel gute Preise erzielt, deutlich "mutiger" ist.
Allerdings nicht so mutig, dass mich die Mehrzahl seiner Bilder nicht (künstlerisch) langweilen würden. Er kann anders, und es gibt eine ganze Reihe Vallejo-Arbeiten, die ich mir ohne zu zögern in die Wohnung hängen würde. (Z. B. "Chrome Robot").
Ich habe ja nirgendwo geschrieben: "Alles von Vallojo ist schlecht".

Ich habe Vallejo als Beispiel herausgesucht, weil er der "Gegenpol" zu Buffet ist, bzw. sie sich so weit wie möglich voneinander unterscheiden. Buffet, der Liebling des Kunstmarktes und mancher Kunstkritiker in den 50er und frühen 60er Jahren, der eine Zeit lang malen konnte, was und wie schlecht er wollte, solange es schnell ging und sein "typischer Stil" erkennbar blieb, Vallejo, der klassisch-akademisch ausgebildete Maler, der sich, weil er das Geld brauchte und der Kunstmarkt für "gegenständliche Malerei" in den 60er schlecht war, als "Gebrauchskünstler" versuchte.
Das gemeinsame Merkmal: bei beiden wurde die Kunst "warenförmig überformt", "entfremdet", wie die Marxisten sagen würden. Beide wurden durch den Kunstmarkt und seine unberechenbaren Moden erst das, was sie sind bzw. waren.
Und das ist für mich das entscheidende Kriterium, dass die Kunst der beiden "falsch" macht. (Wobei ich nichts gegen Gebrauchskunst an sich sagen will.)
distelfliege - 27. Apr, 23:11

Hm...

...jo, dieser Sexismus in den Bildern stört mich auch extrem. Ich habe mal eine Meinung zu einer Webseite über den Mond und die Magie abgeben sollen, und da waren solche halbnackten Tittenamazonen drauf, Royo oder Vallejo, keine Ahnung. Was mir auffiel war diese Pose - Frauen werden ob barfuß oder nicht, grundsätzlich so dargestellt, als würden sie 10 cm hohe Stilettos tragen, d.h. dieser nach hinten gekippte Hintern, die komisch durchgestreckten Beinmuskeln, und dann so, als wären an ihren Nippeln Seile angebracht die nach oben ziehen, d.h. Brust raus. Den Kommentar der Webmasterin auf meine Meinung, daß ich das Bild Pinup-sexualisiert finde, war "Wieso, das sind doch starke Frauen, die haben doch Muskeln".
Also, kurzhaarig und "drahtig" ist überhaupt nicht das Kriterium, solang sich dem Betrachter der unvermeidliche "Fuck me" Hintern entgegenstreckt, reißt die Frisur es auch echt nicht mehr raus.
"tut niemandem ernstlich weh" würde ich auch nicht sagen. Keinesfalls. Natürlich tut es nicht durch Normabweichungen weh, aber die Normalität tut eben an sich ganz schön weh.
Wirr-Licht - 28. Apr, 18:19

macht demnach

sex kunst zu kitsch? oder die unsägliche fantasy-sex-kombination? ist es sexistisch, halbnackte männer und frauen abzubilden? oder nur, weil schwerter dabei sind? oder - meine vermutung - liegt es in diesem Arno-Breker-Nazi-Übermenschenstil?

MMarheinecke - 28. Apr, 19:28

Ich versuche mal zu entwirren

Liebes Wirr-Licht, Sex macht nicht Kunst zu Kitsch, und auch nicht die Kombination aus Fantasy und Sex. Es ist auch nicht sexistisch, halbnackte Männer und Frauen abzubilden, egal, ob mit Schwertern, Taschenmessern oder völlig unbewaffnet. Es hat auch nichts mit dem ollen Arno Breker und seinem heroisierendem Stil zu tun.

Am Beispiel Buffet wird vielleicht deutlicher, was ich unter "Kitsch" verstehe (andere definieren Kitsch allerdings anders): ein einzelnes Bild Buffets mag ja noch interessant, ansprechend oder auch nur dekorativ sein - aber der Umstand, dass Buffet ohne Rücksicht auf Qualität und Originalität massenhaft Bilder für den damals dafür sehr aufnahmefähigen Kunstmarkt malte, macht die meisten Bilder dieses Künstlers in meinen Augen zu Kitsch.
Da ist etwas "falsch", da lügt der Künstler dem Kunstinteressierten etwas vor - wahrscheinlich hat er sich auch selbst belogen bzw. sich etwas vorgemacht.

Was die meisten Bilder Boris Vallejos zu "Kitsch" macht, ist nicht, dass er sexy Männer und Frauen malt, sondern das er auf einen kleinen Vorrat an sexuellen (und sexistischen) Klischees zurückgreift. Hinzu kommt, dass er oft die Plausibilität der Darstellung dem "aufgesexten" Effekt unterordnet, was besonders krass zutage tritt, wenn er z. B. halbnackte Frauen in Eis und Schnee abbildet. (Das bitte nicht mit den surrealen Elementen verwechseln, die er auch oft verwendet.)

Kitsch an sich ist nichts Schlimmes - ich würde meinen Fantasy-Nippes auch nicht wegwerfen und habe schon bei Filmschnulzen geheult oder mich bei B-Film Horrorstreifen richtig gegruselt.
Problematisch wird es m. E. erst, wenn jemand Kitsch für echte Kunst hält, z. B. die Wildecker Herzbuben für authentische Volksmusiker.
distelfliege - 28. Apr, 22:44

Hmjo..

Martin, Ich würde auch nicht sagen "sexy Männer und Frauen" - also, als wär das hier geschlechtunabhängig das Selbe, einfach weil der Begriff "sexy" dabei nicht hinterfragt wird. Aber genauer ausführen kann ich das nun auch nicht.

Wirrlicht, wenn du also so dumm fragst, ob das Darstellen halbnackter Menschen sexistisch ist, aber gleichzeitig vom "Arno-Breker-Nazi-Stil" redest, darf ich mich dann mal genauso blöd stellen und zurückfragen: Ist es denn "Nazi-Stil", wenn man muskulöse Menschen zeichnet?
Sorry, ich will dich nicht beleidigen, aber der Deutlichkeit halber habe ich die Worte "dumm" und "blöd" verwendet. Du bist also grundsätzlich in der Lage, Zeichensprache und eine Art der Ästhetik zu verstehen, sonst hättest du die Arno-Breker-Übermenschen-Ästhetik nicht erkannt. Jetzt guckste dir die Bilder einfach nochmal an und versuchst dir die Frage, was an den Bildern sexistisch ist, selbst zu beantworten.
MMarheinecke - 28. Apr, 22:52

"Sexy" benutze ich seit einer gewissen Zeit mit ironischem Beiklang

den man in Schriftform natürlich nicht hören kann.
Vielleicht sollte ich in solchen Fällen ein passendes Smilie verwenden, etwa dieses hier: Vorsicht Ironie
Die "gewisse Zeit" begann als ich jemanden kennen lernte, der das Wort "sexy" ständig im Munde führt - meistens wenn irgend etwas - sei es eine Website, ein Artikel, ein Fest oder sonst etwas Öffentlichkeitswirksames - nicht so gestaltet ist, wie er es für gut befindet. ("Das ist einfach nicht sexy genug!" oder "Das kommt ziemlich unsexy rüber!")
"Sexy" bedeutet im Zusammenhang mit Kosumerotik: "Unter weiträumiger Umgehung des Verstandes direkt auf das (vorwiegend männliche) Sabber-Sabber-Ich gerichtet."
Wirr-Licht - 29. Apr, 09:16

~kitschkritik II~

@distel:

ich, für meinen teil, weiß, warum ich die bilder für ´sexistisch´ halte: weil im normalfall die frau als verfügbares sexualOBJEKT abgebildet wird, begierig, von schwertschwingenden muskelprotzen erobert zu werden. soll heissen - hier wird nur mit banalen schlüsselreizen gearbeitet, um frau (und damit bild) begehrenswert zu gestalten. selbstverständlich sieht eine emanzipierte (emanzipatorische? feministische? mir fehlt gerade ein wort) darstellung von erotik oder nacktheit anders aus, als dieses dominanz/begierde/partiarchatsgeschwulste.

worauf ich, mit meinen sokratisch gemeinten fragen hinauswollte, ist, dem geneigten leser zu vermitteln, das es eben nicht um das "sex in der kunst, allgemein" - problem geht, sondern darum, WIE und in welchem konzeptuellen zusammenhang sex innnerhalb eines (kunst/kitsch)werkes wahrgenommen wird. dazu möchte ich auf den ´akademischen realismus´ hinweisen.

ganz nebenbei: ich versuche ALLERSELTENST irgendwem meine meinung über irgendwas aufzudrücken, sondern, im normalfall, selbstständiges, hinterfragendes denken auszulösen. weswegen ich auch nicht schreibe "Valleyo malt doch größtenteil pubertäre macho-themen, die sich auf mantas und motorrädern wiederfinden, und seit ´conan dem barbaren´ ungefähr so innovativ sind wie rauhfasertapeten"

distelfliege - 29. Apr, 23:54

Hui..

..also dafür, daß du Dinge so gut auf den Punkt bringen kannst, finde ich es direkt schade, daß du damit so hinterm Berg hältst. Meinung sagen und Meinung aufdrücken - nunja, wenn keiner mehr die Meinung sagt wirds doch auch langweilig.
Entschuldige schon, wenn ich dich wirklich für so ignorant gehalten habe, aber es rennen "irgendwo da draussen" *gruselige Stimme* genug Leut herum, die das wirklich ernsthaft fragen würden.

Sex in der Kunst "an sich" finde ich kein Problem, halbnackigkeit auch nicht, allerdings leben wir halt in der Kultur, in der wir nun mal leben, und die hiesige "Leitkultur" hat jetzt nicht soooooooooo viele... hm... Beispiele von Sex in der Kunst, die mir spontan einfielen, wo ich sagen würde, "Ah - mal was Anderes". Ich bin allerdings in der Kunstszene auch nicht bewandert, somit gibt es das bestimmt, nur daß es an mir vorbeiging.
eidechse - 1. Mai, 14:42

wer von camp schweigt kann über kitsch nichts sagen.

die rede von kitsch, beinhaltet immer die reproduktion einer norm; z.b. der norm des herrschenden bildungsbürgerlichen kunstgeschmacks und kunstbetriebs gegenüber ihren verwerfungen 'als kitsch' des 'anderen'. z.b.:
als proletenhaft/kleinbürgerlich (falsche klasse),
als zu süß/effeminiert (falsche geschlechtlichkeit/sexualität/lust)
als zu primitiv (knüpfen da rassisierende diskurse an?),
als kopiert/unauthentisch (kritikpunkt: ontologisierung/naturalisierung von normen) usw...
nur zu einem teil steckt da die verwerfung entlang von qualität drin, über die evtl ein konsens herrschen könnte (?schlecht gemachtes?, "dümmlich tröstendes"?, verlogenes?)

soweit, so kompliziert....
... denn weder möchte man es sich nehmen, dümmliche ästhetiken als solche zu bewerten, noch möchte ich im bewerten, dass gesellschaftlichen normen das wort geredet wird, die mir eh die ganze zeit recht unästhetisch auf die füsse treten, deswegen ist auch individuelles (für MICH ist das kitsch) nicht wirklich eine lösung.... wobei kontextualisieren da schon weiterhilft.

ja, deswegen komme ich, wenns um kitsch geht immer mit camp, aber wie jetzt....
camp kommt erstmal wie eine umdrehung der bewertung daher, nimmt den verworfenen kitsch als das 'wahre, gute und schöne', aber eben (in abgrenzung zum abfeiern von 'trash') mit dem ironischen wissen und einer sensibilität, dass es so einfach nicht ist... mit 'der wahrheit, dem guten und (den) schönen'.

z.b. hier und hier

es ist und bleibt kompliziert, denn der sexismus in den bildern wird ja nicht zum problem, weil er kitschig daherkommt, und kitschige sexualisierte bilder sind nicht unbedingt sexistisch und nicht unbedingt nicht-sexistisch.
es geht eben auch um die frage wer das bestimmen kann und wer nicht die möglichkeit/macht dazu hat.... das gehört eben auch zum kontext.

von daher fand ich es so beim mitlesen so ganz passend den sexismus (und heterosexismus!) der valleja bilder als sexismus benannt vorzufinden und nicht nur unter dem deckmäntelchen von kitsch verschleiert behandelt zu lesen.

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