Dienstag, 23. April 2013

Als K. H. Scheer ein "junger Wilder" war: König der Meere

Nachdem der TCE vor kurzem den ersten Band meiner dreiteiligen "Herr der Meere" Fortführung "Geheimauftrag MARIA STUART" veröffentlicht hatte, erschienen dort nun dier ersten vier Piratenromanen Karl-Herbert-Scheers in der ersten Neuauflage seit seiner Veröffentlichung 1953. Es sind inhaltlich fortlaufenden Bände 1, 2, 3 und 6 der Reihe "König der Meere".
Die Reihe umfasst immerhin 14 Romane, wobei Scheer nur die vier erwähnte Romane verfasste, "Diego el Santo" war ein Verlagspseudonym, unter dem verschiedene Autoren schrieben. Ich betone das, weil selbst Heiko Langhans in seiner hervorragenden Scheer-Biographie dem Irrtum erlag, Scheer hätte die "König der Meere" komplett geschrieben. Ab Band 7 wurde die von Scheer begonenne Serie von anderen Autoren weitergeschrieben, die Bänder 4 und 5 sind ebenfalls nicht von Scheer und haben inhaltlich nichts mit der "Tagman"-Reihe zu tun.

KdM-1-cover

Zum Inhalt: Im Jahre 1671. Robert Tagman, ein Engländer deutscher Abstammung, wird mit seinem Freund, dem Marquis Michel de Raciné von seinem Todfeind, dem Sklavenhändler Henry Clifford auf Barbados als Sklave an den Pflanzer Brian Hope verkauft. Es gelingt Tagman mit Hilfe seiner Jugendgeliebten Eliza Thurk zu fliehen. Gemeinsam mit dem Marquis können sie auf einem kleinen Schoner entkommen. Auf dem Meer treffen sie die SANTA MARIA des spanischen Grafen Bercea de Huidobro. Der Graf ist ein "verrücktes Genie": einerseits konstruierte er das viermastige Superschiff und seine Wunderkanonen, anderseits ist er ein völlig verbohrter religiöser Fanatiker. Tagman und seine Freunde heuern zum Schein bei de Huidobro an.

Da ich nicht zu viel spoilern will, verrate ich nicht, wie Tagman in den Besitz des absolut ultimativen Segelsuperschlachtschiffs kommt. (Dass er es schafft, ist kein Spoiler, sondern versteht sich bei der Prämisse der Reihe von selbst.)

Seekönig

Scheer beschreibt die SANTA MARIA (später von Tagman in SEEKÖNIG umbenannt) als Viermastvollschiff von gut 140 m Länge über Alles bei 22 m Breite - was in etwa der Länge des stählerner Fünfmastvollschiffs PREUSSEN entspricht, die allerdings "nur" 16,34 m breit war. Ein so großes Schiff wäre in Holzbauweise aus statischen Gründen gar nicht machbar, es fehlt allerdings jeder Hinweis darauf, dass die SANTA MARIA aus etwas anderem als "gute Eiche" bestünde. Die 16 Knoten Fahrt, die die SANTA MARIA macht, sind beinahe zurückhaltend: die schnellste geloggte Fahrt der PREUSSEN betrug 20,5 Knoten.
Das Superschiff hat 1400 Mann Besatzung und selbstverständlich auch Super-Kanonen: stählerne 50-Pfünder-Hinterladergeschütze und 4 Kanonen mit Kaliber 35,5 cm auf Zwillings-Drehlafette, die Sprenggranaten mit Aufschlagzünder verschießen. Erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts sollte es tatsächlich vergleichbare Geschütze geben.
Es gab übrigens wirklich ein voll getakeltes Kriegsschiff mit vier Geschützen mit immerhin 30,5 cm Kaliber in zwei Drehtürmen, die 1869 gebaute HMS CAPTAIN. Die CAPTAIN kenterte und sank schon auf ihrer Jungfernfahrt.

Scheer war Anfang der 1950er Jahre ein junger und noch etwas unerfahrener Autor. Das merkt man teilweise am Stil - er machte z. B. den klassischen Anfängerfehler, zu viele Adjektive in einen Satz zu packen - teilweise auch am Inhalt.
Anderseits merkt man seiner "Schreibe" schon diesem Frühwerk an, dass er das Zeug zum Erfolgsautoren hatte. Deutsche Unterhaltungsschriftsteller der Nachkriegszeit zeichneten sich, wie auch der (west-)deutsche Film und die deutsche Unterhaltungmusik in Ost wie West meistens durch eine gewisse Biederkeit und eine Vorliebe für "bewährte" Klischees aus. (Der Wahlslogan der CDU aus dem Jahr 1957 "Keine Experimente" kennzeichet die "50er-Jahre-Mentalität", die es nicht nur bei Konservativen gab, sehr treffend.) Im "König der Meere" herrscht dagegen Action vor, es knallt ordentlich und es geht manchmal ziemlich brutal zur Sache. Eine echte Stärke ist die Anschaulichkeit und Bildkraft der scheerschen Sprache.

Scheer schrieb schon damals hauptsächlich Science Fiction, und das merkt man dem "König der Meere" auch an. Im noch größerem Maße als die spätere Serie "Herr der Meere" ist er "Science Fiction zur See" - durchaus im Sinne des erst viel später so genannten "Steampunks".
Die Handlung erinnert eher an Jules Verne als z. B. an Forresters marinehistorischen Romane um "Horatio Hornblower" oder die klassischen Seeabenteuerromane des 19. Jahrhunderts. Die SANTA MARIA ist so etwas wie eine "Nautilus mit Segeln" und der geheimnisvolle Graf Bercea de Huidobro ist in mancher Hinsicht ein etwas naiv geratetener Kapitän-Nemo-Verschnitt (und, damit man ihn schön hassen kann, ein religiöser Fanatiker schlimmsten Zuschnitts).
Auch später noch neigte Scheer dazu, überlebensgroße Helden zu schaffen, manchmal regelrechte "Übermenschen". Bei Robert Tagman kann man die Anführungen bei Übermensch weglassen: er ist super intelligent, super stark, super schnell, super ausdauernd, super geschickt und super gebildet, sein Körper ist super widerstandsfähig, natürlich sieht Tagman auch super gut aus und ist super charismatisch. (Ich kenne Comic-Superhelden, die von ihren Erfindern bescheidener ausgestattet worden als Robert Tagman.)

Weniger Tagmanns besondere Fähigkeiten, als die seines Schiffes stellen ein echtes Problem für die Dramaturgie dar: mit seiner Bewaffnung kann der SEEKÖNIG Feinde reihenweise aus der Distanz vernichten.
Zu große Überlegenheit ist ein zuverlässiger Spannungstöter. Im ersten Band, in der Tagman erst noch das Schiff erobern muss, fällt das aber noch nicht ins Gewicht.

Bei seinem zweiten Anlauf einer Piratenreihe, "Herr der Meere" übernahm Scheer viele Konzepte aus "König der Meere", vermied dabei allerdings einige Fehler der ersten Reihe. Die Schiffe und die seemännischen Mannöver sind glaubwürdiger, sein Stil hat sich weiterentwickelt und die historischen Hintergründe sind besser recherchiert - auch wenn seine Recherchen offensichtlich nur bis zum Geschichtslexikon reichten. Ich vermute, dass das auch auf die Lektüre von Forresters "Hornblower"-Romanen zurück ging, einige Parallelen zu diesen genreprägenden Büchern des marinehistorischen Romans sind vorhanden, und die Schiffe, die Scheer in "Herr der Meere" schildert, sind eindeutig Fahrzeuge aus Hornblowers Zeit, der Epoche um 1800.

In mancher Hinsicht ist "Herr der Meere" eine verbesserte Version des "Königs der Meere", mit ähnlichen Situationen und manchmal fast identischen Charakteren. Scheer griff wahrscheinlich nicht aus Einfallslosigkeit auf die älteren Konzepte zurück - an Einfällen hatte es ihm nie gemangelt - sondern weil er noch weiteres Potenzial in den von ihm für gut befundene Ideen sah.

Der erste Band der mit dem Titel: Menschen in Ketten" kann über K.Kobler@freenet.de bestellt werden.

Eckdaten des Buches : 146 Seiten, Farbcover, Innenillus, Kartenmaterial und eine einmalige Beilage.

Preis 10,60 Euro & 1,40 Euro Versandkosten, bei Versand ins EU-Ausland 3,50 Euro

Verwendungszweck der Überweisung: Name und KdM 1
Bankverbindung des TCE:

Name: Joachim Kutzner "Sonderkonto TCE"

Bank: Postbank Köln
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Konto-Nr.: 347749-500 (bei Online-Banking: 347749500)
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