Freitag, 7. Mai 2010

"Wissenschaftliche" Studien ohne Wert - warum werden sie geglaubt?

Im Beitrag Marginalie zu Kopp etc. - Wer glaubt "so einen Unsinn"? machte ich mir Gedanken darüber, wieso haarsträubende "Weltverschwörungstheorien", durchsichtige pseudowissenschaftliche Behauptungen und plumpe Sensationsmeldungen geglaubt werden.

Ein besonders problematischer Sonderfall sind obskure "wissenschaftliche Studien", die an und für sich ohne große Mühe als manipulative Junk Science oder als Pseudowissenschaft entlarvt werden könnten - aber nicht entlarvt werden.

Ein aktuelles Beispiel:
Nicht nur die Tagespresse samt dazugehörigen online-Medien, sonder selbst an sich seriöse Wissenschaftsportale wie wissenschaft.de brachten vor einigen Tagen die Meldung: Lachen als Therapie gegen Appetitlosigkeit. Lachen sollt die Konzentration von appetitfördernden Hormonen im Blut auf ähnliche Weise wie körperliche Übungen steigern. Das hätten US-Forscher der Loma Linda Universität in einer Studie herausgefunden, in der sie den Teilnehmern lustige Filmausschnitte zeigten. Nicht nur das: Lachen soll Stress reduzieren, das Immunsystem stärken, den Cholesterinspiegel senken und den Blutdruck reduzieren.

Die Pressemitteilung des "Experimental Biology Meeting" in Anaheim, Kalifornien, auf der der Hype beruht, verrät beim genaueren Hinsehen einige ernüchternde Fakten: Study Finds Body’s Response to Repetitive Laughter is Similar to The Effect of Repetitive Exercise.
Die sensationellen Erkenntnisse basieren nämlich auf einer Studie mit gerade einmal 14 Probanden, die sich über drei Wochen Ausschnitte aus lustigen oder dramatischen Filmen ansahen, und deren körperliche Reaktionen anschließend gemessen wurden.
Der wissenschaftliche Wert dieser Mini-Studie dürfte gering sein. Selbst wenn ihre Ergebnisse zuträfen, wären sie alles andere als sensationell, denn dass Lachen das körperliche Wohlbefinden verbessert, ist seit dem Altertum bekannt.

Trotzdem haben viele große Medien darüber berichtet. Warum?
Ich vermute, außer mangelhafter Recherche (in diesem Falle hätte es genügt, sich die Pressemeldung aufmerksam durchzulesen), liegt das daran, dass diese triviale Studie an einer der größten medizinischen Hochschulen der USA stattfand und die Ergebnisse, gerade weil sie eher banal sind, plausibel wirken.
Dass die Loma Linda University eine Einrichtung der Seventh day Adventists spricht zwar nicht unbedingt gegen die Seriosität der dort betriebene Forschung. Religionsausübung und Heilkunde gehören aber bei den Adventisten unmittelbar zusammen, was schon bei Fragen der gesunden Lebensführung dazu führen könnte, dass "religiös unpassende" Forschungsergebnisse unter den Tisch fallen könnten. Als Fundamentalisten lehnen sie z. B. die Evolutionstheorie strikt ab, was bei der medizinischen Grundlagenforschung durchaus von Bedeutung sein kann.

Ein weitere aktuelles Beispiel: die Widerlegung des "Mozart-Effektes" - der Hypothese, dass sich das räumliche Vorstellungsvermögen durch das Hören klassischer Musik, insbesondere der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart, verbessert.
Mozart-Musik macht doch nicht schlauer
Das Erstaunliche ist nicht, dass diese Hypothese jetzt widerlegt wurde, sondern, dass sie so lange von so vielen, auch sachkundigen, Menschen geglaubt wurde - und auch in erheblichem Maße kommerziell ausgeschlachtet werden konnte.
Hier kommt meiner Ansicht nach ein weiterer Faktor ins Spiel: Wunschdenken. Mozarts Musik als Wundermittel zur Steigerung des IQ von Kindern - so "einfach" ist das.

Weitaus bedeutsamer als nachlässige oder pseudowissenschaftliche "Studien" sind allerdings nicht offensichtliche wirtschaftliche Interessen hinter scheinbar unabhängigen Studien Arzneimittelstudien: Manipulierte Ergebnisse durch Pharma-Sponsoring (Forschung & Lehre), Medizin am langen Arm der Krankheitsindustrie (faz.net). Der weitgehend unkritische Umgang der Medien schon mit leicht durchschaubaren "Schrottstudien" lässt hinsichtlich lancierter manipulierter Studien Schlimmes befürchten.

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