Donnerstag, 20. August 2009

Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme: Düsenjäger (Jet Pilot)

Der Film hatte theoretisch alles, was man in den 1950er in den USA für einen Kinokassenknüller brauchte: eine zugleich melodramatische und spannende, wenn auch unlogische Geschichte, zwei echte (und nicht nur so genannten) Superstars, John Wayne und Janet Leigh, in den Hauptrollen, dank freundlicher Unterstützung der U.S. Air Force viele spektakuläre Flugaufnahmen, ein üppiges Buget - und produziert von Howard Hughes, dem flug- und filmverrückten schwerreichen Industriemagnaten. Dass "Jet Pilot" ("Düsenjäger") nebenbei auch viel reichlich alberne antisowjetische Propaganda enthält, dürfte, ob ihrer schlichten bis unfreiwillig selbstparodistischen Machart, kaum einen Filmfreund gestört haben.

Dennoch war "Jet Pilot" ein Flop, und schon während der Produktion ein finanzieller Sargnagel für RKO Radio Pictures Inc., dem in den '30 bis frühen '50er Jahren wahrscheinlich innovativsten und künstlerisch mutigsten Hollywood-Studio, dem Entstehungsort zahlreicher Filmklassiker und Kultfilme.
JetPilotPoster
Die Story, irgendwo zwischen Liebesfilm und Spionagethriller angesiedelt, ist zwar doof, aber unterhaltsam:
Auf einem Luftwaffenstützpunkt in Alaska landet ein sowjetischer Düsenjäger, unter dem Vorwand einer Notlandung. Der Maschine entsteigt eine wunderschöne junge Frau (Janet Leigh) im schneeweißen Overall. Air Force Colonel Shannon (John Wayne) ist verwirrt und bekommt die pikante Mission, die russische Pilotin Anna zu überwachen. Sie steht im Verdacht, nur zum Schein übergelaufen zu sein, und für den KGB geheime Informationen über das US-Militär auszuspionieren. Shannon als ihr Kontrolloffizier macht ihr die angenehmen Seiten des Kapitalismus schmackhaft. Er verliebt sich und um die Ausweisung Annas zu verhindern, heiratet er sie. Nachdem der Ärger verraucht ist, nutzen die Bosse im Pentagon die Ehe für ihre Zwecke aus: Shannon soll mit seiner Braut in die UdSSR ziehen und dort für die USA spionieren. Er kann in Moskau einige Informationen beschaffen, und am Ende werden sie von der Roten Luftflotte von Moskau bis Amerika gejagt.
Absurd, aber genau der Stoff, aus dem das Popcorn-Kino ist.

Weitaus mehr dramatische Wendungen als im Film selbst gab es bei seiner Herstellung:
Hughes hatte 1948 die Aktienmehrheit an RKO für eine Million US-Dollar (damals eine Menge Geld) gekauft. Er betrieb RKO aber wie ein persönliches Hobbyprojekt, um die Filme zu machen, die er gerne sehen wollte - optisch opulente Großproduktionen, bei denen der Erotomane auch gerne die Grenzen austestete, was die prüde "Selbstkontrolle" der US-Filmwirtschaft noch gerade durchgehen ließ, auch auf die Gefahr hin, dass ein aufwendiger Großfilm im "Giftschrank" statt in den Kinos landete. Nur war RKO ein Studio, das mit wenigen Ausnahmen bisher vor allem auf gut geschriebene, originelle Filme mit knappen Buget, und deshalb kalkulierbarem Flop-Risiko, gesetzt hatte. Zu den Ausnahmen, denen die RKO-Manager ein großes, wenn auch straff durchkalkuliertes, Buget gönnten, gehörten Erfolgsfilme wie "King Kong", das legendären Filmmusikal "Top Hat" mit Fred Astaire und Ginger Rogers oder der Klassiker "Citizen Kane". RKO übernahm auch den Vertrieb der Filme Walt Disneys, zu einer Zeit, als die meisten Studios an Zeichentrick als Hauptfilm gar nicht zu denken wagten. Zu so einem Studio passten Howard Hughes Ambitionen überhaupt nicht. Fatal für RKO war es auch, dass der fanatische Antikommunist jeden noch so fähigen Mitarbeiter, der im Verdacht stand, "irgendwie links" zu sein, feuerte - allen voran den erfolgreichen Produktionschef Dore Schary. Hughes soll zwischen 1948 bis 1950 fast 3/4 der bisherigen Stammbelegschaft entlassen und ersetzt haben. Am Schlimmsten war es aber, dass er sich gern und oft störend in laufende Produktionen einmischte. Trotz des Geldes, mit dem er die Produktion seiner Lieblingsfilme sozusagen sunventionierte, brachte er die vor 1948 hochprofitable RKO bis 1955 an den Rand der Pleite. Der Geschäftsübernahme durch Hughes folgte ein Gewinneinbruch von fast 90% innerhalb eines Jahres! Als dann auch noch Disney 1954 seine Zusammenarbeit mit RKO beendete, war das Studio, das trotzdem noch einige Filmklassiker produzierte, praktisch am Ende.
JetPilotSzene
John Wayne und Janet Leigh in "Jet Pilot"
"Jet Pilot", dessen Dreharbeiten im Oktober 1949 begannen, war von Anfang an ein Lieblingsprojekt Howard Hughes, der auch, zusammen mit Jules Furthman, das Drehbuch schrieb.
Zunächst engagierte Hughes den Briten Peter Godfrey als Regisseur, feuerte ihn aber schon nach wenigen Tagen und führte in einigen Szenen selbst Regie. Dann lockte er den finanziell in der Klemme befindlichen Starregisseur der 30er Jahre ("Der Blaue Engel" "Shanghai Express") Joseph "von" Sternberg (sein Adelstitel war nicht echt) mit einem großzügigen Gehalt aus dem Ruhestand. Fast zwei Monate vergingen mit Probeaufnahmen, "dank" der ständigen Einmischungen Hughes, der sich endlos Gedanken über Frisuren und Kostüme machte. Ab dem 8. Dezember wurde endlich ernsthaft gedreht, wobei Hughes erstaunlicherweise Sternberg freie Hand ließ. Allerdings verursachte Sternbergs autoritärer und arroganter Regiestil Unmut. Über den gebürtigen Wiener Sternberg behaupteten böse Zungen in Hollywood, er hätte quasi im Alleingang das alte Klischee des charmanten Wieners erledigt, und noch bösere, er wäre vor Hitler geflohen, weil Berlin zu klein für zwei Tyrannen dieses Formats gewesen wäre. Sternberg brachte Wayne und Leigh gegen sich auf; Wayne meinte zu seiner Filmpartnerin, er könne den Scheißkerl umlegen, und sollte der Mann es jemals darauf anlegen, würde er es auch tun.
Mitte Februar 1950 hatte Hughes von Sternberg genug und feuerte ihn. Fünf Tage stand die Produktion still, dann übernahm Don Siegel die Regie. Nach einer Weile war Hughes mit Siegel unzufrieden und ersetzte ihn - durch Sternberg.
Ein zweiter Regisseur, Paul Cochrane, kümmerte sich um die Flug- und Außenaufnahmen. Wochenlang saß die Crew auf den Luftstützpunkten in March Field, Muroo und Denver herum, weil Hughes die Wolkenformationen nicht gefielen. Unter ungeheurer Kosten ließ Huges die gut hundert Mann starke Einheit, darunter auch Air-Force-Personal, nach Fargo, North Dakota, verlagern, wo es angeblich die gewaltigen, an schwellende Brüste erinnernden, Kumuluswolken geben sollte, für die Hughes so schwärmte. Aber wie es für den Winter im nördlichen Mittleren Westen der USA nicht untypisch ist, gab es statt dessen grauen Himmel, viel Schnee und kalte Winde. Also bestellte Hughes das Team nach Great Falls, Montana - wo es prompt in einen Schneesturm geriet. Auch in Rapid City, South Dakota, hatte sie kein Glück mit dem Wetter. Als sie - inzwischen war es April - wieder in Great Falls waren, war alle Arbeit umsonst, da die Bedingungen, wie Hughes meinte, nicht denen in Fargo entsprächen. Offensichtlich war Hughes völlig auf einen dramatischen Wolkenhimmel fixiert, der seine erotische Phantasie anregte, als ob der Film allein für sein persönliches Vergnügen produziert würde.
Was den Aufwand anging, klotzte Hughes, was es zu klotzen gab: Er mietete oder kaufte immer mehr Flugzeuge, und ließ sie an die zahlreichen Außendrehorte verfrachten - gedreht wurde hauptsächlich in Lowry, Great Falls, Reno, Las Vegas, Oakland, Burbank und Rapid City, weitere Drehorte waren Toulonne Medows, Mount Shashta, Mount Lassen und Sacramento. Nebenbei feuerte er auch noch Cochrane und engagierte Byron Haskin als Regisseur für die Außendrehs, den er im Juni wiederum feuerte. Die Produktion der gewagten Flugaufnahme ging nicht ohne Unfälle ab - Haskin entkam nur knapp aus einem brennenden B-25 Bomber, der berühmte Testpilot Chuck Yeager (der erste Mensch, der schneller als der Schall flog) kam um ein Haar ums Leben, als er mit seiner F-86 "Sabre" bei einem gewagten Flugstunt eine Bruchlandung machte.
Im Dezember 1950 - nach einem Jahr Dreharbeiten - war Hughes immer noch nicht mit den Aufnahmen zufrieden und scheuchte die Filmteams weiterhin kreuz und quer durch Nordamerika.
Auch die Studioaufnahmen kamen nicht zu Ruhe: Huges entließ ein weiteres Mal Sternberg und übergab Jules Furthman die Regie.

Trotz aller Verzögerungen wäre "Jet Pilot" dennoch im Mai 1953 fertig gewesen, wenn Hughes nicht weiterhin an zahlreichen Schnittfassungen gebastelt hätte. Einerseits war er nicht bereit, dem Film endlich zu veröffentlichen, andererseits konnte er sich nicht dazu durchringen, sein Lieblingsprojekt als gescheitert abzuschreiben.
1955 verkaufte Hughes die heruntergewirtschafte RKO Pictures für 25 Millionen US $ an die "General Tire and Rubber Company", die in erster Linie an den Filmrechten für ihr Fernsehsendernetz interessiert waren. Er hatte insgesamt 23,5 Millionen $ in RKO investiert, was heißt, dass er trotz seines jahrelangen Missmanagements noch einen ordentlichen Profit aus seinem RKO-Engagement zog. Er soll insgesamt 6,5 Millionen Dollar persönlichen Gewinn mit RKO gemacht haben - und sicherte so seinen Ruf als "Finanzgenie", obwohl er ein gesundes Unternehmen an die Wand fuhr. Die Rechte an den von ihm bei RKO produzierten Filmen behielt er.

1957 brachte er "Jet Pilot" dann doch noch in die Kinos. Zufrieden mit dem Film war eigentlich niemand, was auch am vorangegangen Hype lag, aber auch, weil die lange Produktionszeit und der enorme Aufwand Erwartungen erzeugte, die in krassen Mitverhältnis zu dem im Großen und Ganzen mittelmäßigen Film standen. Die Air Force, die sich von dem Projekt positive Publicity erhofft hatte, war auch enttäuscht, denn die gezeigten Flugzeuge waren 1957 oft schon veraltet. Dennoch werden Hughes' guten Beziehungen zur Air Force nicht gelitten haben, weil Hughes Aerospace ein wichtiger Lieferant von Elektronik und Luft-Luftraketen war, und Hughes Helicopters militärisch verwendbare leichte Hubschrauber baute.

Der "fliegende Star", der Jet, den Colonel Shannon fliegt, ist die Lockheed F-94 "Starfire". Es ist sicher kein Zufall, dass Huges die Story des Films sozusagen um dieses Flugzeug herum entwickelte.
Lockheed F-94A 449 FIS Photo Courtesy of RC Haufler
Lockheed F-94A "Starfire"
Zwar war die F-94 der erste allwettertaugliche Abfangjäger mit Düsenantrieb der US-Air Force, er war aber auch eine Eilentwicklung und Übergangslösung. Als die US-Airforce dringend ein Flugzeug mit dem gewünschten Einsatzprofil brauchte, rüstete Lockheed 1949 kurzerhand den bewährten Jet-Trainer T-33 "Shooting Star" mit Radar, einer elektronischen Feuerleitanlage und einem stärkeren Triebwerk mit Nachbrenner aus. Als "Jet Pilot" 1957 in die Kinos kam, wurde dieser als Zwischenlösung gedachte Jet bei der Air Force bereits ausgemustert. Die logische Wahl, aus Sicht der Air Force Public Relations, wäre wohl die North American Aviation F-86 "Sabre" gewesen. Sie war nicht nur 1949 ihr technisch modernster Düsenjäger, sondern war auch 1957 noch das Standard-Jagdflugzeug der US Air Force und vieler anderer Luftwaffen - und sah überdies auch noch eleganter aus. Aber die F-94 war mit einem Hughes E-1-Feuerleitsystem ausgerüstet, und Hughes unterhielt besondere d. h. verdeckte und für "de jure"-Konkurrenten erstaunlich innige, Geschäftsbeziehungen mit Lockheed.

"Düsenjäger" ist ein Produkt seiner Zeit, auch in Hinsicht auf die naive antisowjetische Propaganda, die er transportierte - genauer gesagt transportieren sollte, da sie in ihrer Naivität eine Quelle unfreiwilliger Komik ist.
Der Film hat sogar einige richtig gute Seiten. Die Flugszenen sind in der Tat sehenswert, und haben zum Teil Wert als luftfahrtgeschichtliche Dokumente. Die Szene, in der ein Raketenflugzeug vom Typ Bell X-1 von einem B-29-Bomber ausgeklinkt wird, wurde auch im Film The Right Stuff (dt. Der Stoff, aus dem die Helden sind ) eingeschnitten, denn keine Trickaufnahme kommt an authentische Bilder auf hochwertigem Farbfilm heran.
Amüsant sind die Anklänge an "Ninotschka" (oder zumindest an "Seidenstrümpfe", der Musical-Version) - hier erreicht der Film manchmal die Leichtigkeit einer Liebeskomödie, die kräftig mit dem verbissenen Spionagestoff kontrastiert. John Wayne und Janet Leigh sind eine hervorragende Besetzung für ihre Rollen und spielen routiniert - keine schauspielerische Meisterleistung, sicher, die aber bei dem Regie-Chaos des Films kaum zu erwarten gewesen wäre.

"Jet Pilot" (engl. Wikipedia)

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